Ukraine-Krise: OMV steigt aus Milliarden-Projekt in Russland aus

"Aufstieg in eine neue Liga" - Treffen mit Putin in Moskau, Seele war OMV-Chef
Dass der deutsche Kanzler Olaf Scholz die ohnehin verzögerte Inbetriebnahme der seit Beginn an umstrittenen Gas-Pipeline Nord Stream 2 ausgesetzt hat, trifft die teilstaatliche OMV vorläufig noch nicht. Der heimische Öl- und Gaskonzern wollte sich ursprünglich unter Ex-Chef Rainer Seele am mehr als 10 Milliarden Euro großen Projekt der Gazprom direkt beteiligen. Da Putins Gas-Monopolist aber die Finanzierung im Westen nicht aufstellen konnte und die russsischen Banken dieses Volumen nicht stemmen konnten, sprang die OMV gemeinsam mit Wintershall, Uniper (beide Deutschland), Shell und der französischen Engie statt der Banken ein. Die OMV nahm dabei eine führende Rolle ein.
Der OMV winkte ein attraktives Geschäft. Die Anleihen-Kredite sind mit 9 Prozent verzinst, einen kleinen Teil hat Gazprom 2021 bereits zurückgezahlt. Im schlimmsten Fall muss die OMV die Summe von 729 Millionen Euro abschreiben, für Österreichs größten Industriekonzern verkraftbar. Der Kapitalmarkt blieb gelassen. Am Dienstag verlor die OMV-Aktie am Ende des Tages etwa zwei Prozent.
Bis Mitte 2022 muss die OMV endgültig entscheiden, ob sie sich am westsibirischen Gasfeld Urengoi beteiligt.
Mit dem Einstieg am zweitgrößten Gasfeld weltweit wird es jetzt allerdings nichts. Noch ist es nicht offiziell, aber das Projekt wird entsorgt, wie man hört. Genaueres wird OMV-Boss Alfred Stern am 16. März bei der Präsentation der neuen Strategie bekannt geben. Für die Minderheitsbeteiligung von knapp unter 25 Prozent wären 905 Millionen Euro an Gazprom abzuliefern gewesen, der KURIER berichtete. Mit dabei wieder Wintershall, Ex-Arbeitgeber von Seele. Ursprünglich war der Abtausch der OMV-Beteiligung in Norwegen für diesen Deal vorgesehen, aber die Norweger wollten Gazprom nicht im Land haben. Was eigentlich von Beginn an klar war. Also sollte die OMV in Cash zahlen.
"Orden der Freundschaft"
Putin-Versteher Seele, dem der russische Präsident den „Orden der Freundschaft“ umhängen ließ, hatte die OMV strategisch ganz auf Russland ausgerichtet. Um 1,75 Milliarden Euro kaufte sich die OMV 2017 in das riesige sibirische Gasfeld Juschno Russkoje ein. Russland sei die neue Kernregion der OMV, die damit „in eine neue Liga“ aufsteige, schwärmte Seele damals. Die Gesamtproduktion der OMV erhöhte sich durch den Deal um ein Drittel, ein Viertel der gesamten OMV-Förderung kam damit aus Russland. Der Einstieg bei Juschno Russkoje stärke der OMV auch den Rücken für Nord Stream 2, argumentierte Seele.Er ist seit 2012 Präsident der Deutsch-Russischen Außenhandelskammer.

Fragt sich, ob dieser Deal für die OMV tatsächich so vorteilhaft ist. Die OMV hat zwar viel investiert, kann über das geförderte Gas aber nicht selbst verfügen. Die gesamte Fördermenge geht an Gazprom, der mehrheitlich staatliche Energieriese ist der größte Gasproduzent weltweit. Gazprom hält die Mehrheit an Juschno Russkoje. Die OMV hatte ihren Anteil der deutschen E.ON abgekauft. Der Verkaufspreis für das Gas, den die OMV für ihren Viertel-Anteil erhält, setzt sich je zur Hälfte aus dem aktuellen europäischen Marktpreis und dem russischen Inlandspreis zusammen. Dieser wird politisch entschieden und staatlich festgelegt und liegt deutlich unter dem Europa-Preis. Seele hatte damals weitere Geschäfte mit Gazprom in Aussicht gestellt.
Sein Vorgänger Gerhard Roiss hatte groß in Norwegen investiert, mit der Begründung, die Förderung auf politisch nicht riskante Länder zu diversifizieren. Viel zu teuer, hieß es anschießend unter Seele, die Förderung in Russland sei wesentlich kostengünstiger. Das stimmt, aber sie ist auch politisch ungleich riskanter, wie der Westen jetzt in aller Deutlichkeit vorgeführt bekommt.
Wifo-Chef Felbermayer sagte am Dienstag im Klub der Wirtschaftspublizisten, jetzt räche es sich, dass die EU keine anderen Pipeline-Projekte umgesetzt habe, etwa über die Türkei. Diese Projekte wurden wieder abgesagt.

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