Mit welchen Sanktionen der Westen nun gegen Russland vorgeht

BELGIUM-EU-POLITICS-DIPLOMACY
US-Sanktionen sind "schmerzhaft" für Russland. Treffen Biden und Putin vorerst nicht geplant.

Die USA und Europa haben mit einem Paket von Strafen auf die jüngste Eskalation Moskaus rund um die Ukraine reagiert. Die Europäische Union beschloss Sanktionen gegen Russland, die bereits an diesem Mittwoch in Kraft treten sollen. Auch die US-Regierung kündigte erste Strafmaßnahmen an und drohte mit weiteren. US-Außenminister Antony Blinken sagte ein für diesen Donnerstag in Genf geplantes Treffen mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow ab.

Das Weiße Haus schloss ein mögliches Treffen von US-Präsident Joe Biden mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin vorerst aus. Biden rechnet mit einer weiteren Eskalation von russischer Seite - und mit einem großangelegten Angriff auf das Nachbarland Ukraine. Die USA verlegen angesichts der Lage zusätzliche Soldaten und Ausrüstung nach Osteuropa, was die baltischen Staaten begrüßten. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wiederum kündigte in einer Videobotschaft eine Teilmobilmachung von Reservisten an.

Putin hatte am Montag ungeachtet großen internationalen Protests die Unabhängigkeit der Separatistenregionen Donezk und Luhansk in der Ostukraine anerkannt und eine Entsendung russischer Soldaten angeordnet. Der Kremlchef plant zum zweiten Mal nach 2014 einen Einmarsch in die Ukraine. Der Westen wirft Putin vor, gegen Völkerrecht zu verstoßen. Russland hat nach westlichen Angaben etwa 150.000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen.

Abgeordnete auf Sanktionsliste

Die EU und die USA leiteten nach Putins Entscheidung umgehend weitreichende Sanktionen gegen Russland in die Wege. Die neuen EU-Sanktionen sehen unter anderem vor, jene 351 Abgeordnete des russischen Parlaments auf die Sanktionsliste zu setzen, die für die Anerkennung der selbst ernannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk gestimmt haben. Hinzu kommen Strafen gegen 27 weitere Personen und Organisationen. Darüber hinaus sollen der Zugang des russischen Staates zu den EU-Finanzmärkten beschnitten und der Handel der EU mit den abtrünnigen Regionen beschränkt werden.

Gegen Putin persönlich wurden vorerst keine EU-Sanktionen verhängt, wie der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Dienstagabend nach einem Sondertreffen der EU-Außenminister in Paris bestätigte. Man habe so entschieden, um weitere Maßnahmen in Reserve zu haben.

Die US-Regierung kündigte Sanktionen gegen zwei große russische Banken, gegen den Handel mit russischen Staatsanleihen und gegen Unterstützer Putins und deren Familien an. Biden betonte, die USA seien zu noch härteren Strafmaßnahmen bereit, falls Russland sein Vorgehen gegen die Ukraine weiter vorantreibe. Ein US-Regierungsbeamter sagte, in diesem Fall sei "keine russische Finanzinstitution sicher". Ebenso könnten Exportkontrollen folgen. Auch ein Ausschluss Russlands aus dem internationalen Bezahlungssystem Swift sei bei einer Eskalation immer noch möglich.

Nord Stream 2 auf Eis

Großbritannien, Kanada, Japan und Australien verkündeten ebenfalls Strafmaßnahmen gegen Russland. Deutschland wiederum legte die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 vorerst auf Eis, wodurch Putin milliardenschwere Geschäfte erst einmal abschreiben kann.

Die Amerikaner erklärten auch geplante hochrangige diplomatische Gespräche mit der russischen Regierung vorerst für hinfällig. Blinken sagte, im Hinblick auf das Vorgehen Moskaus habe es keinen Sinn, an dem ursprünglich für diese Woche in Genf angesetzten Gespräch mit seinem Kollegen Lawrow festzuhalten. Die US-Regierung sei grundsätzlich weiter zu diplomatischen Gesprächen bereit. Doch die russische Regierung müsse zeigen, dass es ihr ernst sei. "Die vergangenen 24 Stunden haben das Gegenteil gezeigt."

In den vergangenen Tagen war auch ein persönliches Treffen von Biden und Putin im Gespräch gewesen. Das Treffen von Blinken und Lawrow hätte der Vorbereitung dienen sollen. Eine direkte Zusammenkunft von Biden und Putin ist nun aber vorerst vom Tisch, wie die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, erklärte. Aktuell, da Putin die Invasion eines souveränen Landes vorantreibe, sei nicht der richtige Zeitpunkt für ein solches Treffen, sagte sie.

Biden rechnet weiter mit einem großangelegten Angriff Russlands auf das Nachbarland. "Wir glauben nach wie vor, dass Russland bereit ist, deutlich weiterzugehen und einen massiven Militärschlag gegen die Ukraine zu starten", sagte der US-Präsident im Weißen Haus. Er bezeichnete Moskaus Anerkennung der sogenannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk und die geplante Entsendung russischer Truppen dorthin als "Beginn einer Invasion". Putin liefere "eine Begründung für die gewaltsame Einnahme weiterer Gebiete".

Die US-Regierung hatte wochenlang eindringlich vor einer russischen Invasion gewarnt und sich so von mehreren Seiten den Vorwurf eingehandelt, Alarmismus zu verbreiten und die Lage nur anzuheizen. Nun fühlt sich die Biden-Regierung in ihrem Kurs bestätigt. Blinken sagte mit Blick auf Putin: "Sein Plan war von Anfang an, in die Ukraine einzumarschieren, um die Ukraine und ihre Bevölkerung zu kontrollieren, um die ukrainische Demokratie zu zerstören (...), um die Ukraine als Teil Russlands zurückzuerobern." Blinken bezeichnete das Vorgehen Moskaus als "die größte Bedrohung für die Sicherheit in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg". Putin breche gewaltsam die Gesetze und Grundsätze, die seit Jahrzehnten den Frieden in Europa und der ganzen Welt bewahrt hätten. "Die Ukraine ist in Gefahr."

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