Der Vertrag als CEO läuft im Juni 2022 aus und kann sowohl von den Eigentümern über den Aufsichtsrat als auch von Seele noch um ein Jahr verlängert werden. Seeles Arbeitgeber müssen sich bis Juni 2021 deklarieren, ob die Dienste des Deutschen weiterhin gewünscht werden.
Die Sache wird nicht ganz einfach. Die beiden Hauptaktionäre der OMV, die ÖBAG (31,5 Prozent) und Mubadala, die staatliche Investmentgesellschaft von Abu Dhabi (24,9 Prozent), haben ihre Anteile syndiziert. Österreich hat zwar das Nominierungsrecht für den CEO (sowie für den Aufsichtsratsvorsitzenden), muss sich aber trotzdem mit den Abu Dhabis einigen.
Noch vor einigen Monaten sandte Seele Signale aus, dass er wenig Lust habe, zu verlängern. Was auf österreichischer Seite keine allzu große Bestürzung ausgelöst haben soll. Seele hat zwar inhaltlich einiges weitergebracht und mit der rund vier Milliarden Euro schweren Mehrheitsübernahme von Borealis die Weichen zukunftsweisend in Richtung Chemie gestellt. Doch sein Führungsstil soll sich, freundlich gesagt, nicht gerade durch soziale Kompetenz auszeichnen. Ein ausgeprägtes Alphatier sei er, das mit Kritik und Widerspruch nicht umgehen könne, beklagen etliche Manager und Mitarbeiter.
Wie man hört, könnte Seele aber länger an Bord bleiben. Er war kürzlich in Abu Dhabi und soll dort eine Verlängerung seines Vertrages ventiliert haben – gleich um fünf Jahre.
In der Branche wird kolportiert, Seele könnte Mubadala schon die nächsten Milliarden-Deals in Aussicht stellen. Als da wären die Übernahme der letzten 25 Prozent an Borealis und die Aufstockung an Bourouge, einem Petrochemie-Joint Venture mit Adnoc, der Abu Dhabi National Oil Company. Darüber hinaus wird spekuliert, die OMV könnte Mubadala Anteile am spanischen Ölkonzern Cepsa abnehmen. Ebenso wird wieder über den Verkauf des rumänischen Tochterkonzerns Petrom gemutmaßt.
Die OMV wollte weder zu Seeles Verbleib im Unternehmen noch zu „Akquisitions- und Deinvestitionsgerüchten“ Stellung nehmen.
Wenige Tage nach Seeles Trip besuchte in der Vorwoche übrigens auch Aufsichtratsvorsitzender Mark Garrett die Partner am Golf.
Alfred Stern, erfolgreicher Ex-Chef von Borealis und seit Monatsbeginn im OMV-Vorstand, um die Transformation des Konzerns in Richtung Chemie zu managen, hat einen harten Job vor sich. Seele beteuerte öffentlich seine Wertschätzung für Stern. Doch es gibt konkrete Hinweise, dass Seele im Vorjahr überlegt habe, Top-Manager Stern als Borealis-CEO loszuwerden. Seele soll sich auch in Abu Dhabi in der Vergangenheit nicht sehr freundlich über Stern geäußert haben. Stern ist ein selbstständiger Manager, der kritische Diskussionen nicht scheut.
Auf Gerüchte zu Personalia-Themen könne und wolle man nicht eingehen. Verantwortung dafür müssten jene übernahmen, die diese Gerüchte in Umlauf brächten, sagt dazu ein OMV-Sprecher.
Im OMV-Aufsichtsrat wurde vorgeschlagen, Stern den Aufsichtsratsvorsitz bei Borealis zu übergeben. Doch Seele behält den Vorsitz, begründet wird dies mit Größe und Bedeutung von Borealis.
Aufschlussreich ist, wie die sogenannten „Dotted Lines“, die fachlichen Berichtslinien, verlaufen. Der neue Borealis-Chef, der vormalige OMV-Vorstand und Seele-Vertraute Thomas Gangl, berichtet an Seele. Ihn hat Seele mit einem großzügigen Vertrag ausgestattet. Nur die restlichen Borealis-Vorstandsmitglieder berichten an Stern, der jetzt auch im Borealis-Aufsichtsrat sitzt.
Stern ist also im OMV-Vorstand für Borealis hauptzuständig, kann aber nicht durchgreifen. Da hat Seele die Hand drauf. Diese Verantwortlichkeiten hatten die Vorstandskollegen in der OMV bereits so aufgeteilt, bevor Stern an Bord kam.
Im fünfköpfigen Vorstand ist derzeit der Bereich Refining, der zu Gangl gehört hatte, nicht abgedeckt. Im Aufsichtsrat hatten sich dazu zwei Lager gebildet. Vor allem die Aufsichtsrätinnen wollten das Raffinerie-Geschäft zu Elena Skvortsova, Vorständin für Marketing und Trading, geben. Da die Managerin allerdings null Refining-Erfahrung hat, wurde dann doch beschlossen, einen eigenen Vorstand dafür zu suchen und das Gremium aufzustocken. Der neue Kollege soll demnächst bestellt werden.
Kommentare