Österreichs Wirtschaft sieht Brexit "entspannt" entgegen

Bundesländer rechnen mit wenigen Einbußen, noch keine Vorbereitungen für "Zeit danach".

"Viele Firmenchefs sehen dem Brexit überraschend entspannt entgegen", ist in Vorarlbergs Beitrag zu einer EU-weiten Umfrage des Europäischen Ausschusses der Regionen (AdR) zu lesen. Dabei hat Österreichs westlichstes Bundesland erste Folgen des britischen EU-Ausstieges durchaus schon zu spüren bekommen. 2016 (neuere Zahlen gib es noch nicht) sanken die Exporte ins Vereinigte Königreich im Jahresvergleich um 11 Prozent.

Die anderen Bundesländer haben vom bevorstehenden Abgang der zweitgrößten Volkswirtschaft der EU noch kaum etwas gemerkt, insgesamt aber ist man sich einig: "No good news". Das Vereinigte Königreich ist der achtwichtigste Handelspartner Österreichs. 2016 standen Importe von 2,7 Milliarden Euro Exporten von 4,1 Milliarden gegenüber. Eine erste Abkühlung aufgrund der massiven Abwertung des Pfunds seit dem Referendum im Juni 2016 war spürbar: Die österreichischen Warenexporte sanken im Jahresvergleich um zwei Prozent.

Vorbereitungen für die Zeit nach dem Brexit treffen die Bundesländer laut AdR-Umfrage noch nicht. Vor allem, weil vorerst nicht absehbar ist, wie die zukünftige Kooperation zwischen EU und Großbritannien aussehen wird: "Harter Brexit", also kein Abkommen und britischer Totalausstieg aus Binnenmarkt und Zollunion – oder doch ein Handelsdeal, der eine enge Kooperation zwischen EU und Großbritannien ermöglicht.

Autozulieferer

"Eines ist jedenfalls klar", heißt es im Beitrag der Steiermark zur Umfrage: "Gemeinsam Geschäfte zu machen wird nach dem Abgang der Briten nicht leichter werden." Tatsächlich könnte der Brexit für die Steiermark gravierendere Auswirkungen haben als für die meisten anderen Bundesländer: Das Vereinigte Königreich ist der fünft-wichtigste Exportmarkt der Grünen Mark. Besonders wichtig dabei: Der Bereich der Autozulieferer wie etwa das Magna Steyr Werk in Graz.

Mit rund 50 Prozent sind Maschinen und Fahrzeuge Österreichs Exportschlager ins Vereinigte Königreich. Besonders auf diesem Sektor werden die heimischen Zulieferer indirekt – also über die Verflechtungen mit deutschen Automobilherstellern – negative Effekte zu spüren bekommen. An die 1000 Jobs der Automobilindustrie könnten im Falle eines harten Brexits in Österreich verloren gehen. Ein Umsatzrückgang von fast einer halben Milliarde Euro sei zu befürchten, geht aus der jüngsten Analyse des Beratungsunternehmens Deloitte hervor.

Kaum Brexit-Erschütterungen drohen hingegen auf dem Tourismussektor: Nur 3,3 Prozent der Nächtigungen in Österreich entfallen auf Briten. In Tirol frohlockt man gar: Seit diesem Winter fliegt die British Airways sechs Mal die Woche nach Innsbruck.

Spezifische Bedürfnisse

Im Vergleich zu anderen EU-Staaten dürfte der Brexit Österreich also nur streifen. "Die Auswirkungen des Brexit auf Regionen, Städte und Gemeinden werden in ganz Europa unterschiedlich sein", meint hingegen AdR-Präsident Karl-Heinz Lambertz in einer Stellungnahme für den KURIER. "Das endgültige Abkommen – sowie alle EU-Maßnahmen, die zu seiner Umsetzung erforderlich sind – müssen den spezifischen lokalen und regionalen Bedürfnissen Rechnung tragen, um die Auswirkungen dieser bedauerlichen Trennung für beide Seiten zu minimieren."

Die heftigsten Folgen, so viel ergaben bisher alle Untersuchungen, wird Irland zu tragen haben. Mit erheblichen Einbußen werden aber auch – und das selbst bei günstigen Szenarien – Belgien, die Niederlande, Frankreich und Deutschland rechnen müssen. Auch Zypern bangt: Großbritannien ist der zweitwichtigste Handelspartner der Mittelmeerinsel.

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