Konjunktur strauchelt, Arbeitslosigkeit steigt
Drei Monate, die die Wirtschaftslandschaft deutlich veränderten. Im Juni noch waren die Ökonomen im Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) und im Institut für Höhere Studien (IHS) davon ausgegangen, dass Österreichs Wirtschaftsleistung heuer um die 1,5 Prozent zulegen kann. Jetzt geht man nur noch von 0,8 Prozent aus. Sind Prognosen tatsächlich so schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen? Die Forscher verteidigen ihre Prognose vom Frühsommer. Seither hätte sich allerdings vieles verschlechtert.
Auch durch die geopolitischen Krisen wird der Welthandel eingebremst. Dazu kommt, dass sich die Schwellenländer viel lahmer entwickeln als erhofft. Damit bleibt der angesagte Aufschwung der heimischen Exporte aus.
Mehr Arbeitslose
Das alles könnte die Bevölkerung noch relativ kalt lassen, wäre sie nicht ganz direkt und persönlich betroffen. Die Beschäftigung wird viel weniger stark zulegen als ursprünglich erwartet. Dafür wird Arbeitslosigkeit ein schwerer wiegendes Problem. Statt auf 8,1 Prozent wird die Arbeitslosenrate heuer auf 8,4 Prozent steigen, sagt WIFO-Chef Karl Aiginger voraus. Nächstes Jahr soll diese Rate dann bereits 8,8 Prozent ausmachen. Zudem werden heuer die Einkommen real (abzüglich der Inflation) etwas nachgeben. „Und zwar schon im fünften Jahr in Folge“, so Aiginger.
Aus Irland kamen am Donnerstag tatsächlich sehr positive Nachrichten. Die Regierung erhöhte zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit ihre Wachstumsprognose. „Es dürften dieses Jahr rund 4,5 Prozent werden“, sagte Finanzminister Michael Noonan.
Auch durch die Ukraine-Krise hätten die Risiken für die Weltwirtschaft zugenommen, warnte der Internationale Währungsfonds im Vorfeld des G-20-Finanzministertreffens im australischen Cairns. Es bestehe die Gefahr, dass der ohnehin schleppende Aufschwung in der Eurozone ganz erlahme. Die globale Konjunktur sollte allerdings bis Ende des Jahres wieder etwas an Fahrt aufnehmen.
Für die derzeit sehr lahme Konjunktur ist die Inflationsrate vergleichsweise hoch. 1,8 Prozent wird sie heuer und nächstes Jahr jeweils ausmachen. Ein Teil davon ist auf höhere Abgaben zurückzuführen. Auf 0,2 Prozentpunkte schätzt IHS-Chef Christian Keuschnigg den staatlichen „Beitrag“ durch die Erhöhung der Steuern etwa auf Sekt oder Tabak. Die relativ hohe Teuerungsrate ist Schuld daran, dass die realen Einkommen schrumpfen – heuer um 0,5 und nächstes Jahr um 0,2 Prozent. Es müsse dringend eine Steuerreform her, damit mehr netto vom Bruttolohn bleibt, fordern die Wirtschaftsforscher.
Negativsteuer
Zum Reformvorschlag von ÖGB und AK gehört eine höhere Negativsteuer, also eine höhere Gutschrift beim Finanzamt. Diese Idee findet Keuschnigg „sehr interessant“, weil damit „erreiche ich gezielt die unteren Einkommensbereiche“. WIFO-Chef Karl Aiginger plädiert dagegen dafür, die unteren Einkommensbereiche ganz direkt und optisch sofort erkennbar zu entlasten – in Form einer Senkung der Sozialversicherungsbeiträge. Davon hält Keuschnigg allerdings nichts: „Die Sozialversicherungsbeiträge sind der Preis für eine Leistung. Das ist etwas ganz anderes als eine Besteuerung.“
Keuschnigg moniert auch, dass ÖGB und AK bei der Gegenfinanzierung der Steuerreform „sehr vage geblieben sind“. Es müsse jedem klar sein, dass die Absenkung der Lohnsteuertarife von irgendjemandem bezahlt werden müsse. Keuschnigg: „Man muss beide Seiten klar kennen, sonst kennt man die Verteilungswirkung der Lohnsteuerreform nicht.“
Trotz wachsender Risiken rechnet der Internationale Währungsfonds (IWF) nicht mit einem kräftigen Rückschlag für die Weltwirtschaft. Es sei zu erwarten, dass die Konjunkturerholung weltweit bis zum Jahresende sowie 2015 wieder etwas an Fahrt aufnehme.
Sie werde aber schwächer ausfallen, als noch im Frühjahr prognostiziert, sagte der IWF in einem Bericht vom Mittwoch voraus. Sorge äußerte der Fonds vor dem G-20-Finanzministertreffens in Australien, dass der ohnehin schleppende Aufschwung im Euroraum ganz erlahmt. Insgesamt hätten die Risiken für die globale Wirtschaft zugenommen, etwa durch die Ukraine-Krise.
"Der ungleichmäßige globale Aufschwung wird sich fortsetzen"
"Der ungleichmäßige globale Aufschwung wird sich fortsetzen, und zwar ungeachtet der Rückschläge in diesem Jahr", lautet der Befund des IWF. Gestützt werde er insbesondere durch eine unterstützende Geldpolitik in den großen Industrieländern und damit verbundenen günstigen Finanzierungsbedingungen.
Allerdings berge auch die hochexpansive Geldpolitik Risiken, wie etwa das einer steigenden Bereitschaft in der Wirtschaft, riskante Engagements einzugehen. In den Industrieländern sollte die Geldpolitik aktuell aber weiter locker bleiben. Eine Kurswende stehe wohl als erstes in den USA an, während in der Eurozone und in Japan noch der Kampf gegen die ungewöhnlich niedrige Teuerung im Vordergrund stehen sollte.
G-20-Treffen in Australien
Am kommenden Wochenende treffen sich die G-20-Finanzminister im australischen Cairns. Beim Treffen geht es im Schwerpunkt auch darum, das Wachstum in der Welt im Interesse von mehr Arbeitsplätzen nachhaltig zu verstärken.
Die G-20 haben sich das Ziel gesetzt, die Wachstumskraft in ihren Ländern binnen fünf Jahren um zwei Prozent über das Maß hinaus zu forcieren, das bisher absehbar ist. Deutschland hält es für die Schaffung von nachhaltig mehr Wachstum für unerlässlich, neben mehr Investitionen weiter Strukturreformen zu verfolgen und das auf Basis einer Haushaltskonsolidierung.
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