Österreichs Goldschatz wird nachgezählt

Österreichs Goldschatz wird nachgezählt
280 Tonnen Gold lagert die Nationalbank in Wien, London, Zürich, Basel. Der Rechnungshof wird die Nationalbank prüfen - dabei wird auch geschaut, wieviel wo lagert.

Geheimniskrämerei bietet viel Platz für Vermutungen und Verschwörungstheorien. So auch, wenn es um die Goldbestände der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) geht. "Wie in Deutschland ist auch in Österreich ein unzulänglicher Umgang mit den Goldreserven zu vermuten", ließ FPÖ-Abgeordneter Gerhard Deimek am Dienstag in einer Aussendung wissen (siehe auch Bericht unten) . Er fordert, dass das OeNB-Gold "samt und sonders auf österreichisches Hoheitsgebiet gebracht" wird.

Tatsache ist, dass die OeNB, wie auch fast alle anderen Nationalbanken, beim Thema Goldreserven sehr diskret ist. Einige Details gibt sie aber doch bekannt. Österreichs Goldreserven, die in Summe 280 Tonnen wiegen und derzeit etwa elf Milliarden Euro wert sind, sind verstreut. "Ein Teil ist in Österreich, ein Teil in der Schweiz und ein Teil in London", sagt OeNB-Sprecher Christian Gutlederer. Und dort jeweils in den gesicherten Lagerstätten (Kellern) der Notenbanken. Wie viel genau wo liegt, will die OeNB nicht verraten. Offizielle Begründung: Dies könnte den Kurs beeinflussen.

Die Aufteilung entspreche den "internationalen Gepflogenheiten", sagt Gutlederer. Diese haben auch einen praktischen Hintergrund: London und Zürich gelten als international wichtige Goldhandelsplätze. Will eine Notenbank im Notfall rasch Gold verkaufen, ist es dort binnen Minuten möglich. Theoretisch könne man natürlich die gesamten 280 Tonnen in Wien lagern. "Aber in Wien könnte man große Mengen Gold nicht handeln", sagt Gutlederer.

Österreichs Goldreserven haben sich seit 2007 mengenmäßig nicht verändert. Die OeNB denkt auch nicht daran, am Bestand etwas zu verändern. Aber selbst wenn: Größere Goldmengen werden nicht physisch gehandelt, also mit dem Gabelstapler woanders hin transportiert. Der Goldbestand etwa im Keller der britischen Notenbank wird bei Besitzerwechsel einfach neu zugeordnet. Plastisch ausgedrückt: Es bekommt ein neues Namensschild.

Rechnungshof prüft

Für 2013 hat der Rechnungshof eine umfassende Prüfung der OeNB angekündigt. Teil dieser Prüfung werde auch sein, sich die Goldbestände genau anzuschauen, sagt eine Rechnungshof-Sprecherin. Laut OeNB wisse der Rechnungshof aber ohnehin auf die Unze genau, wo das Gold gelagert ist, weil er jedes Jahr einen umfangreichen Rechnungsabschluss bekomme.

Öffentlich bekannt sind diese Details allerdings nicht. "Dass sich die Nationalbank da so kryptisch verhält, ist ein bisschen kontraproduktiv", meint Ronald Stöferle, Goldexperte der Erste Bank. Weil die Leute dadurch misstrauisch blieben und Theorien darüber entwickeln, wo das Gold tatsächlich sein könnte. Der einzige Weg, diese Gerüchte zu beenden, wäre "eine saubere Inventur, die dann auch publik gemacht wird".

Aktuell notiert die Unze Gold bei etwa 1717 US-Dollar je Feinunze (31,1 Gramm). In den 1990er-Jahren pendelte der Preis zwischen 250 und 400 Dollar. 1999 schlossen die Notenbanken ein Abkommen, mit dem sie ihren gemeinsamen Goldverkauf auf 500 Tonnen pro Jahr beschränkten. Auch das trieb den Goldkurs hoch. Einen Höhenflug erlebte Gold aber erst in den Finanz- und Wirtschaftskrisen.

Goldbarren im Keller der US-Notenbank

Den Anstoß für die aktuelle Diskussion um den deutschen Goldschatz lieferte der Rechnungshof: In seinem jüngsten Bericht über die Bundesbank kritisiert er vehementer als früher deren Umgang damit. Auch immer mehr Politiker stellen Fragen nach dessen wahrer Größe und Sicherheit. Denn es gibt Gründe, daran zu zweifeln.

3400 Tonnen Gold besitzt die Bundesrepublik. Die sind aktuell 150 Milliarden Euro wert, oder 1800 Euro je Deutschen, auf den damit knapp weniger staatliches Gold kommt als auf jeden Italiener. Zwei Drittel der deutschen Goldbestände lagern aber nicht in den Tresoren der Bundesbank in Frankfurt sondern in New York, Paris und London. Das sollte sie einst vor dem Zugriff der Sowjets schützen, sollte aus dem Kalten Krieg ein heißer werden. Doch die im Gesetz vorgeschriebene Prüfung der Bestände alle drei Jahre ist laut Rechnungshof "noch nie" erfolgt.

Das war im Zuge der Staatsschulden-Krise vor einem Jahr ein paar Fachleuten und danach Politikern aufgefallen. Damals forderte Peter Gauweiler (CSU), der auch gegen die ursprüngliche Form der deutschen Beteiligung am Euro-Rettungsschirm ESM klagte, im zuständigen Bundestags-Ausschuss die Prüfung und die Rückholung des Goldes.

Vor Ort

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Weil er erfolglos blieb, kümmerte sich der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Philipp Mißfelder, um die Sache. Er verlangte einen Besichtigungstermin in den Kellern der Federal Reserve in New York. Er und inzwischen mehrere Politiker befürchten, dass die deutschen Barren unter Schwund leiden könnten: Entweder durch Übergang der eigentlich mit geprägten Nummern identifizierbaren Barren zugunsten anderer Eigentümer oder gar durch Einschmelzen mit Verwässern des Goldgehalts.

Stichhaltiger als dieses Misstrauen scheint Gauweilers Befürchtung, dass bei einer extremen Verschärfung der EuroKrise mit einer systematischen Entwertung deutscher Staatsanleihen ein US-Gericht die Goldbestände als Pfand für US-Gläubiger nehmen könnte. US-Gerichte und das US-Finanzministerium sind in diesen Fragen unberechenbar, wie etwa der Steuerstreit mit der Schweiz beweist.

Das Misstrauen der deutschen Politiker wird nicht geringer durch die Reaktion der Bundesbank: Sie verweigerte Mißfelder die Besichtigung der Goldtresore in New York mit der dünnen Begründung, dass es dort "keine Besucherräume" gebe.

Immerhin entschloss sich die Bundesbank dazu, einen kleinen Teil des Goldes zu Prüfzwecken nach Deutschland zu holen: Je 50 Tonnen sollen in den nächsten drei Jahren eingeschmolzen werden, weil nur so der genaue Goldgehalt der Barren überprüfbar ist.

Für den Hauptbestand aber "gälten nach wie vor gute Gründe, ihn in New York oder London" einzulagern. Welche, das bleibt weiter das Geheimnis der Bundesbank.

Gold: Ein Teil der Devisenreserven

Reserven Jede Nationalbank verfügt über Devisenreserven, die sich rasch mobilisieren lassen, um die Landeswährung zu stützen. Physisches Gold zählt dazu. In Österreich entfallen derzeit 58,6 Prozent der Devisenreserven auf Gold.

Handel Auch Notenbanken treten regelmäßig als Käufer oder Verkäufer von Gold auf. 1999 wogen die heimischen Goldreserven noch 407 Tonnen. Seit 2007 machen sie unverändert 280 Tonnen aus, die derzeit rund elf Milliarden Euro wert sind.

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