Österreich ist Europameister im Zubetonieren
In Oberösterreich ist eine Novelle des Raumordnungsgesetzes geplant, die den ausufernden Bodenverbrauch eindämmen soll. Heute stellt Landesrat Markus Achleitner (ÖVP) ein Best-Practice-Modell vor, wie durch die gezielte neue Nutzung leer stehender Gebäude Flächenverbrauch verringert werden kann. So soll etwa die Mobilisierung von Bauland Vorrang haben vor der Neuwidmung. Wie das rechtlich umgesetzt werden kann, ist noch nicht klar.
Täglich 16 Fußballfelder
Das Problem ist bekannt und nicht nur ein oberösterreichisches. In vielen Orten Österreichs sind die Geschäfte (samt großer Parkplatzflächen) am Ortsrand übervoll. Im Ortszentrum hingegen herrscht gähnende Leere.
Das ist selbst verschuldetes Unglück. „Wir gehen nicht sparsam mit Grund und Boden um. Der Flächenverbrauch ist in Österreich sehr hoch“, weiß Univ. Prof. Gernot Stöglehner, Leiter des Department für Raum, Landschaft und Infrastruktur an der Universität für Bodenkultur Wien. „Es wird am falschen Platz und mit zu geringer Dichte gebaut.“
Die Zersiedelung in Österreich hat weitreichende Konsequenzen: Mehr Verkehr, mehr Bodenverbrauch, weniger Grünland und Agrarflächen, sowie weniger Biodiversität. Täglich wird laut Hagelversicherung eine Fläche von rund 16 Fußballfeldern verbaut.
Vorbild Schweiz
Auch wenn es unterschiedliche Zahlen zu den Leerständen gibt, ein Vergleich mit der Schweiz zeigt das Problem. Der Alpenstaat mit einer ähnlichen Topografie wie Österreich hat ein Straßennetz, das mit deutlich weniger Kilometer pro Einwohner auskommt. Dafür gibt es nur eine Erklärung. Der Nachbar hat eine deutlich kompaktere Siedlungsstruktur.
Es geht auch anders. In Österreich sind die seit 1990 durch Verkehr verursachten Emissionen um 72 Prozent gestiegen, verweist Stöglehner auf die Statistik. Beim Wohnen hingegen sind die Treibhausgase im selben Zeitraum um 35 Prozent gesunken.
Der Bevölkerungszuwachs ist wohl nicht der eigentliche Grund für mehr Schadstoffe. Ein weiteres Beispiel für die Raumordnungspläne ist der Vergleich der Verkaufsflächen des Handels pro Einwohner. Österreich ist in dieser Kategorie Europameister. Nirgendwo sonst werden so viele Geschäftsflächen auf der grünen Wiese gebaut.
Dafür gibt es ökonomische Gründe. Neue Unternehmen bringen nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch über die Kommunalsteuer zusätzliche Einnahmen für die Gemeinden. Dazu kommt: Der Besitzer des Grundstücks, das von Grünland in Bauland umgewidmet wurde, kassiert mehr Geld.
Die Rechtslage gibt den Gemeinden viel Spielraum, Raumordnungsbehörde erster Instanz ist der Gemeinderat. Dort werden die Pläne und Programme für die Flächenwidmung beschlossen. Das Land kann Pläne genehmigen oder ablehnen, aber sie nicht selbst ändern. Die Gemeinden haben bereits jetzt die Möglichkeit, eine Nutzungsmischung (wohnen, arbeiten, erholen, einkaufen) vorzugeben. So entstehen kompakte Orte mit kurzen Wegen.
Spekulation
Wobei die Umwidmung in Bauland noch lange nicht bedeutet, dass das Grundstück auch tatsächlich zur Verfügung steht. „Gewidmetes Bauland wird aus spekulativen Gründen zurückgehalten“, verweist Stöglehner auf die Lage am Immobilienmarkt. Wegen der nach wie vor niedrigen Zinsen suchen Investoren nach attraktiven Anlageformen. Grundstücke sind in den vergangenen Jahren stets im Preis gestiegen. Die Besitzer warten auf weitere Preissteigerungen.
Manche Gemeinden schließen bereits mit den Grundeigentümern Verträge über die zeitgerechte Nutzung des Baulandes ab. Oder es wird bei Umwidmungen ein Flächenanteil vereinbart, der zu günstigen Preisen für soziale Zwecke wie Kindergärten oder sozialen Wohnbau verwendet wird.
Eigentümer in der Pflicht
Doch das reicht nicht aus. Diese neuen Steuerungsinstrumente gelten immer nur für neue Widmungen, aber nicht für den Bestand. „Wir müssen die Baulandmobilisierung in den Bestand bringen,“, lautet die klare Ansage von Stöglehner. Der Experte für Raumplanung kennt die Rechtslage und die Probleme, die sich daraus ergeben. „Grundeigentümer haben Rechte, aber kaum Verpflichtungen.“
Eine Möglichkeit zur Steuerung ist der Finanzausgleich. „Man sollte die Gemeinden dafür finanziell belohnen, dass sie die Ortskerne revitalisieren und nicht auf der grünen Wiese bauen. Wir müssen kurze Wege ermöglichen. Je stärker die Zersiedelung, desto weniger Geld sollte es geben.“
Sinnvoll sei auch eine Rückbaurücklage für Projekte auf der grünen Wiese. Wenn das Gebäude nicht mehr benötigt wird, müsse genug Geld da sein, um den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. Die Rücklage bezahlen jene, die außerhalb der Gemeinde bauen.
Finanzielle Anreize
Weitere Steuerungsinstrumente sind die Wohnbauförderung und die Grundsteuer. Förderungen soll es vor allem für Projekte geben, die innerhalb der Ortskerne umgesetzt werden. Höhere Steuern fallen bei leer stehenden Objekten an, sowie für Gebäude in Gegenden
mit geringer Baudichte. Doch dafür fehlte bisher der politische Wille. Gemeinden sollten auch dazu gebracht werden, gemeinsam die besten Standorte in einer Region zu entwickeln. Sie teilen sich zuerst die Kosten und später dann die Einnahmen.
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