Die meisten der österreichischen Seen gelten als landschaftliche Perlen. Sieht man sich jedoch ihre wirtschaftliche Entwicklung an, so ist das Bild weniger harmonisch. Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle Studie „Wirtschaftsfaktor See“ des Strategieberatungsunternehmens Höffinger Solutions, die einige große Versäumnisse aufzeigt. Untersucht wurden zehn Seen: Attersee, Hallstätter See, Mondsee, Traunsee, Wolfgangsee, Fuschlsee, Millstätter See, Weißensee, Wörthersee und Bodensee.
Große Unterschiede
„Abgesehen von der Ökologie gibt es signifikante Unterschiede zwischen den einzelnen Seen“, sagt Studienautor Stefan Höffinger. Das betrifft Bereiche wie die Beschäftigungslage, Immobilien, Infrastruktur und den Wirtschaftsstandort.
Während der Mondsee dank Unternehmen wie dem Wasseraufbereitungsspezialisten BWT bei der Erwerbstätigkeit um fast sechs Prozent über dem Österreich-Schnitt liegt, liegen die Kärntner Seen mit bis zu sieben Prozent darunter. „Das liegt nach Ansicht der Unternehmer aus der Region vor allem an einer schlechten Standortpolitik“, sagt Höffinger. Es seien zu wenige Unternehmen angelockt bzw. gehalten worden. Dadurch sei man stärker von den Ausgleichszahlungen des Bundes und vom Tourismus abhängig. Ein breiterer Mix wäre besser.
Auch im Tourismus wäre noch viel mehr zu holen. „Es gibt keine spezifischen strategischen Initiativen auf nationaler Ebene, die Seen sind auf sich alleine gestellt“, sagt Höffinger. Während sich der Hallstätter See als Ganzjahresdestination etabliert habe, verzeichne der Mondsee im Winter nur ein Sechstel der Nächtigungen des Sommers.
Konzepte fehlen
Hier mangle es an Konzepten und an Initiativen der regional Verantwortlichen. In Reisebüros in Großbritannien würden Fahrradreisen um den Mondsee, Attersee, Traunsee und Wolfgangsee für zehn Tage um 1.100 Pfund angeboten – etwas Vergleichbares gebe es in Österreich nicht. Der Wandel zur Ganzjahresdestination sei entscheidend, sagt Höffinger. Der Wolfgangsee habe das durch attraktive Winterschifffahrt und Wintersport auf der Postalm geschafft.
Auch beim Immobilienmanagement sieht der Experte noch viel Potenzial. „Die Leute leben gerne am See, und das spiegelt sich auch in der Wertentwicklung der Wohnungen wider.“ Die Preise vieler Seegrundstücke sind mittlerweile für die meisten Interessenten in unerschwingliche Höhen gestiegen. Eine Lösung wäre, das Angebot in der zweiten und dritten Reihe auszubauen. Man habe zwar keinen direkten Zugang, jedoch eine Aussicht auf den See. Die Preise dieser Wohnungen sind allerdings mittlerweile mit jenen von Wohnungen in guter Lage in Wien zu vergleichen.
Rückschritt
Thema ist auch die Infrastruktur, was ein Zukunftsthema sei, so Höffinger. Und hier geht es vor allem um die Mobilität. „Vor 70 Jahren waren wir zum Teil weiter als heute.“ Er spricht die „Elektrische“ an, eine Straßenbahn, die Unterach am Attersee mit dem Mondsee verband und die es heute nicht mehr gibt.
Von Investitionen vergangener Jahre, wie der Seeschifffahrt oder Seilbahnen, würden manche Regionen heute noch leben, es sei aber höchste Zeit, Neues zu kreieren. Vor allem Elektromobilität ließe sich in Seeregionen gut umsetzen. Höffinger glaubt, dass in Zukunft in den Zentren kleiner Orte um Seen keine Verbrennungsmotoren mehr anzutreffen sein werden.
Wichtig wäre es auch, wenn die Seen in Zukunft wieder verstärkt kreative Geister anziehen würden, wie das vor 100 Jahren der Fall war, als sich Leute wie Felix Salten, Arthur Schnitzler oder Gustav Klimt dort erholten, sich austauschten und andere Gäste anlockten. „Da war früher mehr Dynamik drinnen“, sagt Höffinger.
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