Österreich heizt Saudi-Arabien ein

Österreich heizt Saudi-Arabien ein
Die weltweit größte Solaranlage steht in der saudischen Hauptstadt Riad. Gebaut mit rot-weiß-rotem Know-how.

Solarthermie, also die Nutzung von Sonnenenergie zur Wärmegewinnung, friste in der allgemeinen Wahrnehmung ein Schattendasein, moniert Robert Kanduth, Chef des Kärntner Solar-Unternehmens GreenOneTec. Im Vergleich zu Sonnenstrom (Fotovoltaik) sei Solarthermie wohl "nicht sexy genug".

Das könnte sich nun mit Blick auf ein bemerkenswertes Vorzeigeprojekt womöglich ändern. In der saudi-arabischen Hauptstadt Riad ging vor Kurzem die größte Solaranlage der Welt in Betrieb. Die Sonnenkollektoren wurden von GreenOneTec in St. Veit gefertigt, das steirische Forschungsinstitut AEE Intec fungierte als technischer Berater für den Generalunternehmer.

Die 36.000 Quadratmeter große Solaranlage versorgt auf einem neu errichteten Campusgelände der Frauenuniversität Riad rund 40.000 Studentinnen mit Warmwasser und Heizwärme. Damit überflügelt dieses Projekt den bisherigen Spitzenreiter, eine Solaranlage in Marstal, Dänemark, um das Doppelte.

Insgesamt blätterte die saudische Königsfamilie neun Milliarden Euro für die Errichtung des acht Quadratkilometer großen Universitäts-Areals (inklusive Krankenhaus) hin. Der Auftragswert von GreenOneTec betrug 3,6 Millionen Euro.

Für die termingerechte Fertigung musste in St. Veit rund um die Uhr produziert werden – immerhin ergeben alle Sonnenkollektoren übereinander gestapelt einen Turm von 18.000 Kilometer Höhe, rechnet Kanduth vor.

Die größten Herausforderungen für das Wüstenprojekt stellten, wie Werner Weiss von AEE Intec erläutert, die extremen Witterungsbedingungen dar. Sandstürme mit 150 Stundenkilometer mussten mit einkalkuliert werden. Nach dem sechsmonatigen Probebetrieb übererfülle die Anlage jetzt aber sogar die Erwartungen, freut sich Weiss.

Folgeprojekte

Vielleicht noch erfreulicher: Das saudische Großprojekt dürfte nun als Türöffner für weitere Aufträge quer über den Erdball fungieren. Gemeinsam mit dem Generalunternehmer, der britisch-jordanischen Millennium Energy Industries (MEI) sei man kurz vor Vertragsabschluss in Chile. Dort hätten Minenunternehmen im Kupferbergbau riesiges Interesse bekundet, verrät Weiss. Für das Auswaschverfahren von Kupfererz würden riesige Mengen heißes Wasser benötigt. Dieses Wasser werde derzeit mit Erdöl erhitzt, das über große Distanzen erst in die Kupfergebiete in der Atacama-Wüste transportiert werden muss. "Im Vergleich dazu sind wir um die Hälfte billiger." Laut Ennis Rimawi von MEI sei das Potenzial riesig: "40 Anlagen, wobei viele sogar weit größer sein könnten als in Riad."

Heimmarkt

Aber auch am rot-weiß-roten Heimmarkt ist Solarthermie "sexyer" als ihr vermeintlicher Ruf. Denn bereits jetzt sind so viele Kollektoren auf heimischen Dächern installiert, dass damit ganz Niederösterreich mit Warmwasser versorgt werden könnte. Infrastrukturministerin Doris Bures gibt das politische Ziel vor: "Wenn wir in den nächsten Jahren genauso viel investieren wie bisher, können wir den gesamten Warmwasserbedarf in Österreich durch thermische Solarenergie abdecken." Kanduth pflichtet der Ministerin naturgemäß bei: "Das ist machbar, die Sonneneinstrahlung ist ausreichend."

Ein konkretes Projekt, das der Ministerin vorschwebt: Die 5000m² Dachfläche des neuen Hauptbahnhofes in Wien sollen entsprechend thermisch genutzt werden.

Ökostrom setzt Stromnetze unter Dauerstress

Der rasante Ausbau der erneuerbaren Energien in Österreich und Deutschland bringt die bestehenden Stromleitungen an ihre Belastungsgrenze. Der Ausbau der Netze sei dringen nötig, sagt Heinz Kaupa, Chef der APG, der Stromleitungs-Tochter des Verbund.

Für die Leitungsengpässe gibt es laut Kaupa drei Gründe: Erstens sei der ursprüngliche Plan, die Ökostromanlagen nahe den Verbrauchern – also möglichst dezentral – zu errichten nicht aufgegangen. Vielmehr würden Windenergieanlagen in großem Stil im Norden Deutschlands errichtet, die Verbrauchszentren aber seien im Süden. Es müssten also große Transportleitungen von Nord nach Süd errichtet werden. In Österreich will die APG bis 2020 rund zwei Milliarden Euro investieren. Oberste Priorität hat die Fertigstellung der 380-KV-Leitung durch Salzburg.

Schlechte Prognosen

Zweitens sei die Erzeugung von Wind- und vor allem von Sonnenstrom kaum prognostizierbar. "Wenn sich in Bayern der Nebel hebt, kann es sein, dass von einer Minute auf die andere viel Sonnenstrom ins Netz geliefert wird", erklärt Kaupa. Das bringe enormen Stress für die Netzgesellschaften, die in diesem Fall rasch ein Kraftwerk herunterfahren müssten. Und drittens bringe der Ökostrom, der in der Erzeugung nichts kostet (weil die Quellen Wind und Sonne gratis zur Verfügung stehen), extreme Preisschwankungen an die Strombörsen.

"Der Stromhandel an der Börse wächst dramatisch", sagt Kaupa. Bei tiefen Preisen – wenn etwa viel Wind geht und auch Sonne scheint – werde kurzfristig viel Strom zugekauft.

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