ÖBB-Chef: "Wahrscheinlich heuer schwarze Zahlen"
Die knapp 41.000 Eisenbahner bekommen heuer eine Lohnerhöhung von durchschnittlich 3,2 bis 3,4 Prozent. Im nächsten Jahr gibt es für rund 29.000 "alte" pragmatisierte ÖBBler keine Lohnerhöhung. Dafür wird auch für sie die Arbeitswoche von derzeit 40 auf 38,5 Stunden verkürzt. Der Personalabbau auf unter 40.000 Mitarbeiter 2013 wird durch den Wegfall der Frühpensionierungen schwieriger als bisher. Und führt dazu, dass das Durchschnittsalter der Belegschaft in den nächsten Jahren stark ansteigt. Die Bahn ist auf der Suche nach Rezepten, um Arbeitsplätze altersgerechter zu gestalten.
KURIER: Die Bahn hat noch immer zu viel Personal, ab heuer können Sie aber keine Frühpensionierungen mehr machen. Wie viel Personalabbau ist noch geplant?
Christian Kern: So viele Mitarbeiter haben wir gar nicht mehr zu viel, in den vergangenen 24 Monaten sind es rund 3000 weniger geworden. Wir steuern um die 40.000 ohne Lehrlinge an, ich glaube, das ist gemessen am Arbeitsumfang eine sinnvolle Größenordnung. Das wollen wir 2013 erreichen. Natürlich könnten wir den Personalstand wesentlich stärker reduzieren, indem wir bestimmte Leistungen einfach nach außen vergeben. Etwa Sicherheits- oder Reinigungsleistungen am Bahnhof. Da könnten wir die Mitarbeiterzahl mit einem Schlag um 1000 senken. Und es gibt auch genug Anbieter, die uns das gerne abnehmen würden. Wir haben das evaluiert und festgestellt, dass es erstens nicht billiger wird und wir zweitens die gewünschte Qualität nicht erreichen.
Fürchten Sie nicht, dass nach dem Wegfall der Frühpensionierungen die Zahl der Invaliditätspensionen steigt?
Wir tun alles, um das zu verhindern. Generell werden wir heuer die mit Abstand niedrigste Zahl an Pensionierungen haben, die wir je hatten. Aber das Grundproblem ist ein anderes: Wir haben heute ein Durchschnittsalter von 43, in fünf Jahren werden wir bei rund 46 sein. Das ist weit über dem Durchschnitt von Industrieunternehmen. Ein weiteres Problem ist, bei physischen Arbeiten wie etwa im Gleisbau oder beim Verschub nimmt die Leistungsfähigkeit ab. Daher ist unser Ziel, durch Maßnahmen wie etwa Arbeitszeitmodelle oder durch intensive Betreuung von Langzeit-Krankenständlern Arbeitsplätze altersgerechter zu gestalten und die Mitarbeiter länger gesund im Arbeitsprozess zu halten.
Aber draußen am Gleis werden Sie nicht viel altersgerechter gestalten können ...
Das ist schon richtig, aber diese Arbeitsplätze werden weniger. Wir bemühen uns, Mitarbeiter, die dort nicht mehr einsatzfähig sind, etwa in der Bahnsteiginformation einzusetzen. Und wir bemühen uns mit der Belegschaftsvertretung, altersgerechte Arbeitszeitmodell zu entwickeln. Das ist einer unserer größten Herausforderungen in den nächsten Jahren.
Ab Mitte 2013 gibt es für die Eisenbahner mit altem Dienstrecht eine Arbeitszeitverkürzung auf 38,5 Wochenstunden. Dafür bekommen diese rund 29.000 Mitarbeiter im nächsten Jahr keine Lohnerhöhung. Die anderen Eisenbahner, die die 38,5-Stundenwoche schon haben, bekommen eine Einmalzahlung von 500 Euro als Lohnerhöhung. Was kostet dieses Paket?
Das ist die billigste Form einer Lohnrunde für uns überhaupt, denn durch den Entfall der Lohnrunde 2013 finanzieren wir die Arbeitszeitverkürzung. Durch den Stopp der Frühpensionierungen ist der Mitarbeiterabbau wesentlich schwieriger geworden, weil ja zwei Drittel der Mannschaft pragmatisiert sind. Daher ist das Ziel, die weniger werdende Arbeit auf die vorhandenen Schultern zu verteilen. Dieses Modell ist für das Unternehmen, aber auch für die Mitarbeiter fair.
Ein anderes Personalthema: Haben sich die Wogen rund um die Vorstandsbestellung in der Rail Cargo Austria schon gelegt?
Was soll ich Ihnen sagen, die Wogen sind nicht bis zu mir gedrungen. Da gibt es immer so ein Geraschel rundherum, da reden alle möglichen Leute mit und es werden immer irgendwelche Polit-Deals vermutet. Aber wir haben eine sehr gute Lösung gefunden, mit der ich sehr zufrieden bin.
Wie geht es im Güterverkehr weiter?
Die Turnaround-Maßnahmen sind ausgesprochen erfolgreich gelaufen, wir haben 2011 wieder einen positiven Cash Flow erwirtschaftet und werden wahrscheinlich schon heuer schwarze Zahlen schreiben. Der zweite Punkt ist, dass wir jetzt im Güterverkehr die Weichen für die nächsten Jahre stellen müssen. Wir haben als drittgrößte europäische Güterbahn hinter den Deutschen und den Polen das Potenzial haben, unsere wirtschaftlichen Ziele zu erreichen, wenn die Konjunktur wieder anspringt. Dafür muss man sich aber auch überlegen, ob man das beste Team für diese Aufgabe hat. Ich meine, dass wir es jetzt haben.
Sparschiene bringt mehr Umsatz und Auslastung
Sie wollen heuer schon schwarze Zahlen schreiben, ursprünglich war das erst für 2013 geplant. Hat sich das Management warm angezogen, um dann besser zu sein als die Prognosen?
Wir haben uns nicht warm angezogen – im Gegenteil ist unsere Planung sehr ambitioniert, um unseren Unternehmenswert zu rechtfertigen. Wenn man eine Eigenkapitalquote von 8,5 Prozent wie in der RCA hat, stellt man sich nicht schlechter dar als man tatsächlich ist, weil sonst die Wirtschaftsprüfer weitere Wertberichtigungen verlangen würden. Wir haben raschere Effizienzsteigerungen in der Produktion erreicht als ursprünglich geplant. Und unsere Kunden waren bereit, mehr für Transportleistungen zu zahlen. Dadurch sind wir schneller von der Stelle gekommen.
Im Personenverkehr werden die Züge auf der Westbahn durch den Ausbau schneller, mit dem Hauptbahnhof Wien wird es ab Ende 2012 auch ein besseres Angebot geben. Man hat den Eindruck, dass die Südachse ein Stiefkind ist und dass man bis zur Fertigstellung des Koralm- und Semmeringtunnels 2024 auf Verbesserungen warten muss .
Auf der Südbahn wurde in den vergangenen Jahrzehnten zu wenig investiert. Wir bemühen uns, das zu verändern und machen vor allem drei Dinge. Erstens haben wir mit dem railjet unsere attraktivsten Züge auch auf die Südbahn gestellt …
… das bringt aber keine Fahrzeitverkürzung …
Nein, schneller wird es nicht, aber der railjet bringt wesentlich mehr Reisekomfort. Und wir haben auch schöne Zuwächse im Fernverkehr nach Graz und nach Klagenfurt. Das Zweite ist, dass die ganzen Bahnhofsbauten wirksam werden und die Bahn eine völlig neue Visitenkarte bekommt. Und der dritte Punkt ist der Ausbau der Infrastruktur. Aber die Realisierung dauert fast ein Jahrzehnt. Wenn die Tunnels und Strecken in Betrieb sind, erwarten wir eine deutliche Steigerung der Passagierzahlen. Das Potenzial ist ähnlich hoch wie auf der Westachse.
Die ÖBB haben in den vergangenen Monaten nicht zuletzt auch wegen der Konkurrenz der Westbahn AG mit der Sparschiene Billigtickets angeboten. Rechnet sich das oder wäre es nicht billiger, schlecht ausgelastete Züge überhaupt einzustellen?
Nein. In unserem Geschäft sind Auslastungsquoten von 50 Prozent über alles gerechnet nicht schlecht. Das Teuerste für uns ist aber, leere Sitze durch die Gegend zu fahren. Daher ist es unser Ziel, die Auslastung zu erhöhen. Und die Sparschiene hat auch dazu geführt, dass viele Menschen überhaupt einmal mit der Bahn oder öfter mit der Bahn gefahren sind. Die Sparschiene hat auch einen hohen Umsteigecharakter vom Auto auf die Bahn. Wir haben in den ersten fünf Monaten 2012 rund vier Prozent mehr Umsätze im Personenverkehr gehabt und haben trotz Wettbewerb mehr Tickets verkauft. Ohne Sparschiene hätten unsere Zahlen ganz anders ausgesehen.
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