ÖAMTC-Chef: "Es braucht eine Preis-Datenbank fürs Laden"
Das Auto steht zunehmend in der Kritik von Umweltschützern und Teilen der Politik. ÖAMTC-Chef Oliver Schmerold versucht im KURIER-Sommergespräch diese negativen Wertungen zu entkräften.
KURIER: Die Klimakleber sind weiter sehr aktiv. Gäbe es irgendein Anliegen, für das Sie sich auf die Straße kleben würden?
Oliver Schmerold: Es gibt eigentlich keine Anliegen, wo ich diese Form des Aktionismus wählen würde, weil ich denke, wir haben gerade in der Demokratie sehr viele andere, sehr gute Instrumente, wo man als einzelner Bürger, aber auch als Interessensgemeinschaft seine Anliegen vorbringen kann. Und Formen, die viele andere in ihrem täglichen Leben massiv beeinträchtigen, würde ich nicht wählen.
Können Sie aber die Forderungen nachvollziehen?
Dass man mehr Bewusstsein über die Situation unserer Umwelt zeigen muss, ist völlig klar. Und ich denke, dass das mittlerweile in Europa, insbesondere sowohl bei der Politik als auch in weiten Kreisen der Bevölkerung gut angekommen ist. Das heißt, aus meiner Sicht geht es jetzt nicht mehr darum, Bewusstsein zu schaffen oder mit Aktionismus auf ein Thema noch stärker hinzuweisen. Sondern es geht um die konkreten Maßnahmen und die Umsetzung.
Ein Anliegen der Klimakleber ist Tempo 100 auf Autobahnen. Auch einige Wissenschafter haben sich da dahinter gestellt. Wäre das eine konkrete Maßnahme?
Die Diskussion darüber wird sehr oberflächlich geführt. Welches Ziel wird verfolgt? Geht es um die Verkehrssicherheit? Da muss man ganz klar sagen: Unsere Autobahnen und Schnellstraßen sind so gebaut, dass 130 ein absolut vertretbares Höchstgeschwindigkeit-Limit ist. Und an die 40 Prozent der Autobahnen und Schnellstraßen in Österreich sind schon durch Geschwindigkeitsbeschränkungen unter 130, meist auf 100 oder 80, limitiert. Das hat auch seinen Sinn. Da geht es um entweder besondere neuralgische Punkte oder um die Verkehrsdichte. So etwas wird von den Autofahrerinnen und Autofahrern akzeptiert. Generelles Tempo 100 würde dazu führen, dass das Bewusstsein für die Sinnhaftigkeit von Geschwindigkeitsbeschränkungen leiden würde.
Die Klimaschützer argumentieren ja primär mit dem CO2-Ausstoß.
Beim anderen möglichen Ziel, nämlich die Treibhausgasemissionen zu senken, muss man ganz klar sagen, dass ein allgemeines Tempo 100 maximal zwei, vielleicht 2,5 Prozent unserer Treibhausgasemissionen einschränken würde. Das ist schon sehr optimistisch gerechnet.
Warum?
Weil auf der Autobahn nicht jeder durchgängig 130 fährt. Das Durchschnittstempo ist bei knapp über 100 in Österreich und der Gesamtenergie oder Treibstoffverbrauch eines Autos spielt sich ja nicht ausschließlich auf der Autobahn bei Tempo 130 ab, sondern in ganz vielen anderen Bereichen.
Der neue SPÖ-Chef Andreas Babler hat bezüglich Sicherheit gemeint, dass mit Tempo 100 jährlich bis zu 100 Menschenleben gerettet werden können.
Diese Zahlen können wir überhaupt nicht nachvollziehen. Weil die offizielle Unfallbilanz zeigt, dass es auf Österreichs Autobahnen und Schnellstraßen im letzten Jahr 34 Unfalltote gab. Und von diesen 34 sind mehr als die Hälfte auf Abschnitten ums Leben gekommen, wo gar nicht 130 verordnet war.
Ein finanzieller Belastungsfaktor beim Autofahren ist die CO2-Steuer. Sollte man diese wieder rückgängig machen?
Die Besteuerung ist beschlossen und wir halten nichts davon, wenn man etwas, was einmal beschlossen ist, jährlich wieder infrage stellt. Aber uns sind auch Entlastungen ganz wichtig. Das heißt, man muss es ehrlich meinen, dass die Bevölkerungsteile, die CO2 sparsamer ihre Mobilität gestalten, davon profitieren.
CO2 einsparen kann man auch mithilfe von Elektroautos. Die Zulassungszahlen bei Privaten stagnieren aber. Wem würden sie zu einem Kauf raten? Man muss hier die individuelle Situation ansehen. Wie schaut die durchschnittliche Tageskilometerleistung aus? Und habe ich eine Lademöglichkeit? Jeder, der in einem Eigenheim wohnt, vielleicht ein Carport und eine PV-Anlage hat, für den macht Elektromobilität an erster Stelle Sinn. Weil er den Großteil der Energie, die er für sein Fahrzeug benötigt, über seine eigene PV-Anlage erneuerbar produzieren kann.
Aber wenn man nicht in einem Eigenheim wohnt ...
Da stellt sich die Elektromobilität durchaus schwieriger dar, weil nur das Laden an öffentlichen Ladestellen ist nicht günstig. Im letzten Jahr im Zuge der extrem steigenden Strompreise mussten die Anbieter ihre Tarife nach oben revidieren. Ich spreche mich nicht gegen öffentliche Lademöglichkeiten aus. Die sind extrem wichtig, weil wir wissen, dass mindestens 20 Prozent der Energiemenge ein Elektrofahrer öffentlich lädt, weil er nicht an seinem Wohn- und Arbeitsort ist.
Wie gehe ich am besten vor, um beim Laden nicht in eine teure Falle zu tappen?
Wir haben dafür den ÖAMTC-E-Ladekompass entwickelt, wo ich tagesaktuell im Internet sehe, welche Angebote gibt es an einer Station und wie sind die Konditionen dazu.
Wäre es richtig, wenn die Politik hier im Sinne der Preistransparenz für die Kunden eingreift?
Das ist etwas, was wir auch bei den Spritpreisen immer gefordert haben. Und die amtlich verordnete Spritpreis-Datenbank war ein wichtiger Schritt. Und genau so etwas braucht es im Bereich der Ladeangebote. So muss es auch eine Kilowattstunden basierte Abrechnung geben, denn es gibt keinen Grund, warum nach Zeit abgerechnet wird und nicht nach Energiemenge. Und ganz wichtig auch die Möglichkeit, das direkte Bezahlen übers Internet ohne einen Vertrag zu haben.
Private sind nach wie vor sehr zurückhaltend bei E-Autos. Sollte es noch mehr Förderungen geben?
Das Förderthema haben wir immer kritisch gesehen. Man kann eine Technologie, die noch Nachteile hat, nicht dauerhaft durch Förderung konkurrenzfähig machen. Das schlechteste Beispiel dafür ist gerade Deutschland, wo die Förderungen im privaten Bereich ausgelaufen sind. Dort ist der Absatz dramatisch eingebrochen. Was wir brauchen, ist die Förderung der Rahmenbedingungen, etwa bei der Ladeinfrastruktur oder der Speichertechnologie, um konkurrenzfähige Fahrzeuge in Europa zu produzieren.
Zur Person
Der studierte Elektrotechniker Oliver Schmerold (54) ist seit 2011 ÖAMTC-Chef. Zuvor war er u.a. bei Alcatel in Frankreich tätig.
Zum Unternehmen
Der 1946 gegründete Österreichische Automobil-, Motorrad- und Touring Club (ÖAMTC) hat rund 2,4 Mio. Mitglieder und 4.000 Mitarbeiter.
Amtliche Spritpreisdatenbank
Der Spritpreisrechner (www.spritpreisrechner.at) der E-Control ist seit 2011 online.
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