Ja, auch meine kritischen Mitstreiter, etwa der Chef der Deutschen Bundesbank Weidmann, wollen keine so niedrigen Einlagezinsen. Der Ansatz der letzten zehn Jahre muss überdacht werden. Ich will eine Diskussion darüber, ob der Ansatz, der die letzten zehn Jahre gefahren wurde, Rationalität hat oder abgelöst werden muss.
Sie halten nichts von Negativ-Zinsen?
Ich halte nominelle Negativ-Zinsen für keine gute Idee, sie sind in vielen ökonomischen Bereichen nicht abbildbar. Man kann anderer Meinung sein, aber ich glaube, Negativzinsen sind der falsche Ansatz und in den gängigen ökonomischen Modellen nicht darstellbar. Negativzinsen bedeuten, dass man die Zukunft nicht diskontiert, sondern aufzinst. Ich bin ein Ökonom, der die Dinge verstehen will. Negativzinsen kann ich nicht verstehen.
Sie helfen den Staatshaushalten, auch Österreich profitiert davon.
Es geht stark in die Richtung Staatsschulden-Finanzierung und weg von den Maastricht-Kriterien und wie man ökonomisch vorsichtig bilanziert.
Wie sehen Sie die Auswirkungen auf Finanzmärkte?
Teile davon mögen mit Negativzinsen leben können, aber ich sehe, dass dadurch wichtige Finanzmarkt-Institutionen in Bedrängnis kommen. Bis jetzt sind es die Banken, aber es betrifft auch Versicherungen und Pensionsfonds. Damit sind die wichtigen Stützen des Finanzsystems in Gefahr. In der EZB ist eine Regelung in Vorbereitung, die Negativzinsen für Versicherungen erlauben wird. Daher ist mein – wie Sie meinen, übertriebener – Ruf ein Muss.
Könnten die Versicherungen dann ihre Garantien gegenüber den Kunden nicht mehr einhalten?
Es besteht die Möglichkeit, dass Garantieverzinsungen ab einer gewissen Höhe unter Druck geraten. Generell stehen das private wie das staatliche Versicherungssystem in Österreich aufgrund sehr strenger gesetzlicher Rahmenbedingungen auf einem sehr soliden Fundament. Aber gerade diese strengen gesetzlichen Vorschriften, insbesondere eben den Deckungsstock betreffend, könnten sich für viele Lebensversicherer als zunehmend problematisch erweisen, da negativ verzinste Staatsanleihen in größerem Umfang erworben werden müssten. Dennoch: Derzeit sehe ich in Österreich hier keine Gefahr – aber die Garantiezinsthematik der Lebensversicherer ist ein weiterer Grund, die gegenwärtige Ausrichtung der Geldpolitik zu hinterfragen.
Würde das für die Kunden bedeuten, dass die privaten Pensionen gekürzt werden müssen?
Für den Fall, dass Garantiezinsen tatsächlich in Zukunft herabgesetzt werden müssten: ja.
Was hieße das für das staatliche Pensionssystem?
Auf das staatliche Pensionssystem würden wieder erhebliche zusätzliche Belastungen zukommen. Belastungen, die eigentlich das private Pensionssystem auffangen sollte – wenn also Pensionsleistungen längerfristig sichergestellt werden sollen, dann muss die Geldpolitik diesen gesellschaftspolitisch wie budgetär so wesentlichen Aspekt stärker als bisher berücksichtigen. Kurz gesagt: Sparen und privates Vorsorgen muss sich in den nächsten Jahren wieder lohnen.
Zur Nationalbank selbst. Ihr Vorgehen in der Personalaffäre rund um die Kündigung der Personalchefin wird auf Auftrag des Präsidenten des Generalrates derzeit geprüft. Trotzdem haben Sie am Sonntag in der ORF-Pressestunde darauf beharrt, richtig gehandelt zu haben. Die Prüfung ist noch nicht beendet und Sie gießen schon wieder Öl ins Feuer.
Widerspruch: Ich habe nur wiederholt, was ich von Beginn an gesagt habe. In der Zwischenzeit habe ich keine Informationen erhalten, die mich dazu gebracht hätten, die Sache anders zu sehen. Ich musste so handeln, es gab keine Alternative. Wenn man das von einem der bekanntesten Arbeitsrechtler und Betriebspensionsexperten bestätigt bekommt, hat man ein bestimmtes Gefühl der Sicherheit. Das Ergebnis kann natürlich durch die Prüfung in die eine oder andere Richtung akzentuiert werden.
Sie haben eine Sicherheitsüberprüfung an eine private Firma vergeben. Jetzt prüft angeblich die interne Revision, warum entsprechende Abteilungen der Bank nicht eingebunden waren.
Es handelte sich um einen kleinen Auftrag, der innerhalb eines Tages erledigt war. Ich wollte sicher gehen, dass ich nicht abgehört werde und habe alle formalen Schritte korrekt eingehalten. Meine Vorgänger Nowotny und Liebscher haben das genauso vorgenommen.
Nowotny sagt, das stimme nicht, die Bank wurde eingebunden. Warum haben Sie das nicht auch so gemacht.
Ehrlich gesagt, das ist mir nicht in den Sinn gekommen.
Sie hatten gestern ihr zweites Townhall-Meeting mit der Belegschaft. Was soll sich strategisch ändern?
Das neue Direktorium ist seit Anfang Jänner 2019 zusammengesessen, um über die Schwerpunkte nachzudenken. Ich habe das organisiert, aus diesen Gesprächen haben sich ressortübergreifend fünf Schwerpunktthemen ergeben. Eines davon ist Human Ressources.
Was haben Sie im Personalbereich konkret vor?
Wir starten mit heute. Es geht darum, wie wir die OeNB ins 21. Jahrhundert rüberbringen und alle Dinge ansprechen, von der Wiege bis zur Bahre.
Vom Geburten- bis zum Sterbegeld, das die Bank zahlt?
Geburtengeld ist schon in Ordnung. Aber es geht darum, künftig Positionen nach außen auszuschreiben und nicht nur bankintern, auswärtige Referenzen und Bewerber hereinzuholen. Bevor etwas beschlossen wird, bitten wir die Mitarbeiter, mitzumachen und ihre eigenen Überlegungen einzubringen. Es wird regelmäßige Mitarbeitergespräche geben. Ich weiß, das wird in Österreich oft als lästig empfunden, ist aber einer der wichtigsten Prozesse zwischen Management und Mitarbeitern. Ich habe das sehr intensiv bei der Weltbank gemacht und mein Sektor war unter 16 Bereichen jener mit der höchsten Zufriedenheit. Wir werden auch den sogenannten „360er“ starten, der vor meiner Zeit begonnen, dann aber wieder abgeblasen wurde.
Was darf man darunter verstehen?
Bei diesem Verfahren beurteilen die Mitarbeiter ihren Chef, natürlich anonym. Zugegeben, das ist emotional schwierig, aber daraus kann man extrem viel lernen.
In der Bank gibt es immer noch viele Privilegien. Stichwort Dienstrecht 3.
Seit es Dienstrecht 4 und 5 gibt, werden alle neuen Mitarbeiter marktgerecht bezahlt. Auch die Pensionszusagen sind bescheiden. Dienstrecht 3 fußt auf einer Betriebsvereinbarung. Der einzige, der in solche privatrechtlichen Verträge eingreifen kann, ist der Verfassungs-Gesetzgeber. Das Management kann es nicht, wir können nur die Kosten und Budgets transparenter gestalten.
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