Nostalgie: Inseln der Schilling-Seligen
Da habe ich halt einen Verlust von 50 Schilling gemacht. Den Schein hebe ich mir jetzt auf zum Vergleichen.“ Yeremeina Shahgholi nimmt es gelassen: Die Besitzerin des „Ein-Euro-Shops“ Am Spitz in Wien-Floridsdorf – in dem man noch mit Schilling zahlen kann – hat in der Vorwoche einen 50-Schilling-Schein mit dem Konterfei des Dichters Ferdinand Raimund angenommen. Schönheitsfehler der noch recht neu aussehenden Banknote: Ihre Gültigkeit als Zahlungsmittel ist per Ende August 2008 abgelaufen, sie kann auch bei der Oesterreichischen Nationalbank nicht mehr in Euro (entspricht 3,63 Euro) umgetauscht werden.
Insgesamt ist der Einkauf in Schilling ein Geschäft. Seit ihr Mann vor rund drei Jahren auf die Idee kam, zahlt im Durchschnitt ein Mal pro Woche ein Kunde in der alten Währung. In den Wochen vor Weihnachten ist es einer pro Tag.
Umgerechnet wird penibel mit 13,7603 Schilling je Euro, der Wechselkurs ist gut sichtbar auf einem Plakat neben der Eingangstür angeschrieben. Wechselgeld in Schilling gibt es nicht, in Euro selten: „Wenn ein oder zwei Euro übrig bleiben, überzeuge ich den Kunden meistens, dass er noch einen Artikel um diesen Wert dazu nimmt.“ Bei 20 oder 30 Cent lässt sie sich, „wenn der Kunde darauf besteht“, auch überreden, den Betrag in Euro auszuzahlen. Kommt jemand mit einem Tausend-Schilling-Schein, gibt es für den Restbetrag einen Gutschein. In Euro. Wegen der kleinen Preise – ein Küchenwecker etwa kostet 1,50 Euro (20,64 Schilling), Bilderrahmen zwischen zwei und vier Euro, Tier-Spielfiguren einen Euro – muss der Kunde öfter wieder kommen, um die Gutschrift einzulösen.
Die Schilling-Zahler sind bunt gemischt: Von Kindern – „die haben das Geld wahrscheinlich von Großeltern oder Urgroßeltern bekommen“ – bis zu älteren Damen, die früher versteckte Notreserven beim Aufräumen wieder gefunden haben, reicht die Palette.
Keine Wechselstube
Ebenso bunt gemischt sind die Gäste von Heinz Sommer, die noch in Schilling zahlen. Der Inhaber des Café Sperlhof im 2. Wiener Bezirk nimmt seit der Umstellung auf das Euro-Bargeld auch Schilling an.
„Drei Monate nach der Umstellung haben die Banken den Schilling nicht mehr umgetauscht“, erklärt er seine Beweggründe, „die Leute mussten zur Nationalbank gehen.“ Da habe er den Kunden angeboten, weiter in Schilling zu zahlen. Was damals sehr gut angenommen wurde. Alle zwei Wochen musste er mehrere Tausend Schilling bei der Nationalbank umtauschen.
Heute kommen im Monat einige Hundert Schilling zusammen. In den letzten Wochen waren es wieder etwas mehr: „Das Euro-Jubiläum und der eine oder andere Zeitungsartikel haben die Leute wieder neugierig gemacht.“ Wie einen Gast aus Salzburg, der bei seinem Wien-Besuch vor einigen Wochen die Zeche mit einem Schilling-Tausender beglich. Da machte Sommer auch eine Ausnahme und zahlte das „Restgeld“ in Euro zurück, weil die Rechnung entsprechend hoch war. Aber: „Wenn jemand ein Bier mit einem Fünfhunderter zahlen will, ersuche ich ihn, mit Euro zu zahlen. Ich bin ja keine Wechselstube.“ Beim Preis von 44 Schilling (3,20 €) für ein großes Bier müsste er immerhin 34,10 Euro herausgeben.
Bei Münzen ist er großzügig: Bringt ein Gast viel „Schotter“, zählt er manchmal nicht nach: „Wenn er sagt, er hat es gezählt und es sind 50 Schilling, dann schätze ich den Haufen und glaub’ ihm das.“
Birometer: Ein Krügerl um 48,17 Schilling
Wer im „Birometer“, dem größten Restaurant des Entertainment-Centers im Gasometer in Wien, gut essen oder ein gepflegtes Bier genießen will, der kann dies durchaus auch mit einer Portion nostalgischem Flair tun und die Rechnung in guter, alter Schilling-Währung begleichen. „Das Angebot wird von unseren Gästen auch angenommen“, erzählt Herr Karl, Kellner im Birometer. Und er erzählt auch, dass jene, die in Schilling zahlen, bisweilen echt verblüfft sind, wie viel sie dann zu berappen haben. Am Beispiel eines Krügerls Bier sind es genau 48,17 Schilling. Das nächste Mal zahlen sie wieder in Euro: Da sind es dann „nur“ 3,50 Euro. Das klingt viel besser.
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Hintergrund
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