Doch bald scheint ein Wendepunkt bei Wachstum und Gewinnen der Unternehmen erreicht zu sein, so Rosen. Das dürfte ein Grund sein, warum schon seit einigen Wochen bei vielen Aktienindizes ein Höhepunkt erzielt wurde, der offenbar bis auf Weiteres nicht mehr geknackt werden kann. Im Gegenteil: Die Volatilität (also der Schwankungsgrad) der Kurse nimmt spürbar zu, ebenso die Nervosität der Anleger. So mancher Börsegang wird sogar angesichts der Umstände abgesagt.
Ein noch stärkerer Grund für den langsamen Stimmungsumschwung ist die deutlich anziehende Inflationsrate im Börsenland Nummer eins. Gegenüber dem Vorjahresmonat stiegen in den USA die Lebenshaltungskosten um 4,2 Prozent, wie das Arbeitsministerium am Mittwoch in Washington mitteilte. Das ist die höchste Rate seit September 2008.
Die US-Notenbank Fed hat als Ziel zwei Prozent ausgegeben.Normalerweise würde sie nun die Leitzinsen anheben, um dieses Ziel zu erreichen. Doch aktuell ist das kein Thema, denn sie hatte sich schon vor längerem festgelegt, die Füße still zu halten, bis die Pandemie im Griff ist. Die Fed könnte aber, so Rosen, die Anleihenkäufe mit Jahresende drosseln: „Die Bank of Canada hat damit bereits begonnen.“
Die Gefahr bestehe nun, dass die Fed früher als erwartet diese Konjunkturstütze zurückfahre. Das schmeckt Börsianern nicht. Daher haben sie laut Rosen die jüngsten Inflationsdaten zum Anlass genommen, Gewinne mitzunehmen. So liegt die lange Zeit boomende US-Techbörse Nasdaq seit Jahresbeginn nur noch drei Prozent im Plus.
Und die Inflation ist laut Rosen durchaus berechtigt. „Es gibt Flaschenhälse in Lieferketten.“ Wo also eine steigende Nachfrage auf zu wenig Angebot stößt, steigen naturgemäß die Preise. „Wenn die ganze Welt gleichzeitig aus einer Rezession kommen will, dann werden die Kapazitäten in vielen Bereichen eng“, stimmt Thomas Steinberger, Geschäftsführer der Salzburger Fondsgesellschaft IQAM Invest, zu. So gibt es etwa, wie berichtet, zu wenig Speicherchips und Kapazitäten auf Frachtschiffen.
Er sieht die Inflation dennoch nicht als grobes Problem. Denn der sogenannte Basiseffekt wirke stark. „Vor einem Jahr gab es eine tiefe Rezession.“ Daher schaue es derzeit nach einem großen Schub aus, es sei aber nur ein kurzfristiger Inflationssprint. Die längerfristigen Inflationserwartungen seien in der Pandemie stark zurückgegangen und hätten jetzt wieder das frühere Niveau erreicht, mehr aber auch nicht.
Steinberger geht nicht davon aus, dass die Notenbanken auf die Inflationsdaten stark reagieren werden, vor allem nicht die Europäische Zentralbank. „Sie muss für schwache Staaten im Süden Liquidität sicherstellen.“ Die EU erwartet für heuer eine Inflation von 1,9 Prozent und 2022 von 1,5 Prozent nach 0,7 Prozent im Vorjahr. Also alles im Rahmen.
Als für Aktien größeres Risiko im Jahresverlauf ortet Steinberger die „heftigen Steuerpakete, die auf die USA zukommen“ und die in ähnlicher Form auch Europa drohen würden. „Die volatile Phase kann also durchaus länger anhalten. Es wäre aber gesund, wenn der Markt nach einem sehr guten Jahr nicht mehr so steil nach oben gehen würde.“ Die Bewertungen seien schon zu hoch.
Nichtsdestotrotz bleiben Aktien (primär aus den USA und zunehmend aus den Wachstumsmärkten) für IQAM Invest die Top-Empfehlung, bei Anleihen sei kaum etwas zu verdienen.
Die Bank Austria bleibt in ihrer Anlageempfehlung ebenfalls bei Aktien leicht übergewichtet. Generell rät Rosen trotz eventuell turbulenterer Tage: „Ruhig bleiben.“
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