Gewinn im Wahljahr?
Eine der vielen Börseweisheiten lautet: Für die Amerikaner sind Wahljahre gute Aktienjahre. Kann das nach einer derartig guten Performance 2019 überhaupt stimmen? Statistisch gesehen durchaus.
In den vergangenen vier Jahrzehnten gab es nur in zwei Wahljahren wirklich spürbare Kursverluste. Im Jahr 2000, als im November George W. Bush die Wahl gewann, war im Frühjahr die sogenannte dotcom-Blase geplatzt. Die davor gehypten Werte von Tech-Unternehmen, die nur Klicks, aber keine Gewinne vorzuweisen hatte, fielen ins Bodenlose. Acht Jahre später, als der Demokrat Barack Obama im Weißen Haus einzog, raste gerade die Finanzkrise wie ein Lauffeuer rund um den Globus – was für heftige Kursverluste sorgte.
Ein Beispiel für ein gutes Wahl-Börsenjahr ist 1980. Die US-Wirtschaft steckte in einer leichten Rezession. „Damals hat es geheißen: Es wird nicht mehr lange dauern, bis auch das letzte Halbleiter-Unternehmen aus den USA absiedelt, Japan hatte die Vormachtstellung“, erinnert sich RBI-Experte Brezinschek. Die USA hatten an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt. Ronald Reagan versprach ein neues Wirtschaftsprogramm.
Reagans Wahlkampfslogan damals: „Der Staat ist nicht die Lösung für unser Problem, der Staat ist das Problem.“ Reagan gewann, privatisierte, investierte und „führte die Wirtschaft zu neuer Dynamik“, sagt Brezinschek.
Dass es gerade in Wahljahren mit den Aktienkursen an der Wall Street aufwärts geht, habe auch damit zu tun, dass die Kandidaten Steuerreformen und Investitionen versprechen und überhaupt Optimismus versprühen, so der RBI-Chefanalyst. Die Aussicht, dass es mit der Wirtschaft im Jahr nach der Wahl bergauf geht, werde an den Börsen vorweggenommen.
Als einer der besten Präsidenten der vergangenen Jahrzehnte für Wirtschaft und Börse stellte sich übrigens der Demokrat Bill Clinton heraus. In seine Ägide (Jänner 1993 bis Jänner 2001) fielen die goldenen 1990er-Jahre an den Aktienmärkten samt einem Wirtschaftswachstum von in Summe 38 Prozent. Unterstützt von der mehr als lockeren Geldpolitik des damaligen US-Notenbankchefs Alan Greenspan – die letztlich zur Finanzkrise führte.
„It’s the economy, stupid!“ („Auf die Wirtschaft kommt es an, Dummkopf!“) lautete einer der Wahlkampfslogans von Bill Clinton. Läuft die Wirtschaft, wird man in der Regel auch wiedergewählt.
Wirtschaft läuft
Dieses Plus kann Trump jedenfalls vorweisen. Auch wenn sich das Wachstum gerade einbremst, dürfte es heuer immer noch zwei Prozent ausmachen – ein Wert, den viele westeuropäische Länder gerne hätten. Dazu kommt, dass die Arbeitslosenrate zuletzt auf 3,5 Prozent gesunken ist, den tiefsten Wert seit fünfzig Jahren nicht mehr. Der Aufschwung, der unter Präsident Obama begonnen hat, hat sich zum längsten in der Geschichte der USA entwickelt.
Von der US-Notenbank werden Trump und die Börse kaum Unterstützung bekommen, erwartet der RBI-Experte. Die Fed werde in Wartestellung gehen und „vielleicht noch einmal die Zinsen senken“. Brezinschek sagt für das erste Halbjahr noch steigende Aktienkurse voraus, im zweiten Halbjahr könnte es ruppiger werden.
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