"Niemand kann ohne Öl leben"

"Niemand kann ohne Öl leben"
Die Öl- und Gasförderung kommt unter Druck. Für Konzerne wie die RAG lohnt die Suche nach neuen Vorkommen bald nicht mehr.

Wenn die steuerliche Belastung weiter ansteigt, warnt Markus Mitteregger, Chef der Rohöl-Aufsuchungs Aktiengesellschaft (RAG), wird die Öl- und Gasförderung in Österreich zum Erliegen kommen.

KURIER: Die RAG hat im Vorjahr vier Öl- und acht Gasfunde gemeldet. Mit 2012 bisher zufrieden?
Markus Mitteregger:
Es gab einige Funde. Aber manche sind wirtschaftlich gar nicht mehr wirklich interessant. Die Belastungen steigen rasant. Wir agieren hart an der Grenze der Wirtschaftlichkeit.

Von welchen Belastungen sprechen Sie?
Beispielsweise der Förderzins (Abgabe, die Unternehmen leisten müssen, um Gas oder Öl zu fördern, Anm.) . Im Wirtschaftsausschuss des Parlaments liegt wieder ein Antrag auf Erhöhung vor. Wenn das kommt, würde die Exploration zum Erliegen kommen. Wir würden nicht mehr nach Öl und Gas suchen.

Wie teuer ist es, in Österreich Öl zu fördern?
Bereits 80 bis 100 Dollar pro Fass. Da bleibt bei einem Ölpreis von derzeit rund 110 Dollar nicht viel übrig. Das Problem ist, dass die Wertschätzung der inner-österreichischen Produktion leider wenig gegeben ist. Ich kenne niemanden, der völlig ohne Öl leben kann. Jeder müsste höchst interessiert daran sein, dass dieses volkswirtschaftliche Gut – das Öl gehört ja der Republik, also uns allen – weiter gefördert wird. Stattdessen wird es in die Unwirtschaftlichkeit getrieben. Dann müssen wir halt noch mehr importieren, was die Leistungsbilanz massiv schwächt. Auch die Arbeitsplätze der RAG wären dann im Ausland.

Ein Zehntel des Ölverbrauchs und ein Fünftel des Gasverbrauchs können durch inländische Produktion abgedeckt werden. Wie lange noch?
Aus Sicht der RAG noch lange. Bei Öl sicher 40, 50 Jahre, bei Gas etwas kürzer. Aber nur, wenn die Ölpreise weiter hoch bleiben und die Belastungen zurückgefahren werden. Ich befürchte allerdings, dass man politisch bereits so sehr in der Idee einer sehr schnellen Energiewende verhaftet ist, dass ausgeblendet wird, dass die eigenen Ressourcen noch Jahrzehnte gebraucht werden.

"Niemand kann ohne Öl leben"

Da sind wir schon mitten drin in der Schiefergas-Diskussion. Ein Potenzial, das sich Österreich, das sich Europa entgehen lassen sollte?
Eindeutig nein – mit Blick auf die USA, die aufgrund von Shale-Gas auf Jahrzehnte hinweg nahezu autark sein werden, bei einem Drittel des europäischen Preises. Wichtig ist, dass man die Bevölkerung genau aufklärt. Natürlich wird es immer Leute geben, die aus persönlichen Motiven dagegen sind – so wie bei jedem anderen Thema auch.

Die OMV will eine „Clean Fracking“-Methode entwickeln. Impliziert das nicht, dass die gängige Methode „Dirty“, also schmutzig, ist?
Die Formulierung ist nicht gerade glücklich gewählt. Den Rückschluss, dass alles andere bisher schmutzig war, würde ich sicher nicht zulassen. Dirty-Fracking gibt es nicht.

Anders als die OMV hat die RAG ja tatsächlich bereits erste Schiefergas-Erfahrungen gesammelt ...
In Polen haben wir in einem Joint-Venture drei Probebohrungen, inklusive Probe-Fracks gemacht. Jetzt müssen die Ergebnisse ausgewertet werden. Dann wissen wir erst, ob dort überhaupt genug Gas ist, dass sich Produktionsbohrungen und entsprechende Fracks rechnen. 2013 wird dann wieder gebohrt. Eine großwirtschaftliche Förderung ist nicht vor 2016 zu erwarten. Wir schauen uns natürlich auch an, was die Konkurrenz so macht. In Europa gibt es aber noch keine einzige produzierende Shale-Gas-Bohrung. In Amerika: Tausende.

Woran liegt das?
Jede Technologie braucht Zeit. In den USA hat man schon vor 15 Jahren angefangen, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Für jedes Gebiet, für jede Gesteinsformation muss das geeignete Frack-Verfahren gefunden werden. In Amerika geht alles
weitaus schneller, Stichwort: Genehmigungen. Wobei ich sagen muss, dass in Polen die Stimmung für Shale-Gas sehr gut ist.

In einigen Ländern – Frankreich, Bulgarien – wurde die Schiefergas-Förderung verboten. Nachvollziehbar?
Aus rein technischer Sicht nicht. Das sind halt politische Entscheidungen, aber auch nur temporär. Ich kenne kein Land, in dem es für immer verboten wurde.

Und die neue UVP-Pflicht für Schiefergas-Probebohrungen in Österreich?
Grundsätzlich sind UVP-Verfahren ja nichts Schlimmes. Wenn sie nicht dazu missbraucht werden, Projekte unnötig zu verzögern.

Die wenigsten denken mitten im Sommer an die kommende Heizsaison. Anders die RAG, dort herrscht Hochbetrieb – die Gasspeicher müssen gefüllt werden. Läuft alles planmäßig?
Ja, es wird sogar deutlich mehr eingespeichert als je zuvor. Das liegt einerseits daran, dass wir einige große Speicher neu in Betrieb genommen haben. Aber auch daran, dass die Verunsicherung im Markt wächst.

Inwiefern?
Ich spreche vom zum Teil unkoordinierten Ausbau der Erneuerbaren Energie, v. a. in Deutschland, wohin unsere Speicher ja auch wirken. Wind und Sonne liefern ja gerade im Winter wenig und unberechenbar Strom. Viele fragen sich deshalb, wie viel Reserveenergie nötig sein wird, um sicher über die kalte Jahreszeit zu kommen.

Russisch-ukrainische Gaskrisen gab es, mit mehr oder weniger starken Auswirkungen auf Österreich, in den vergangenen Jahren derer viele. Wird das zur Normalsituation?
Engpässe hat es de facto nie gegeben. Heuer im Februar zum Beispiel: Es kam zwar weniger Gas nach Österreich rein, aber die Versorgung aller Kunden hat reibungslos funktioniert. Deswegen haben wir ja gemeinsam mit Gazprom, Wingas und E.ON um eine Milliarde Euro die Speicher gebaut. Ich glaube vielmehr, dass die Gas-Versorgungssicherheit in Zukunft zunehmen wird. Weil es ein gewaltiger Vorteil ist, wenn Energie bereits vor Ort liegt und wir die Speicher weiter ausbauen sowie zusätzliche Anbindungsleitungen kommen werden.

RAG: 77 Jahre rot-weiß-rote Fördertradition

Unternehmen Die Rohöl-Aufsuchungs Aktiengesellschaft mit Sitz in Wien (400 Mitarbeiter) ist eine 50-Prozent-Tochter der EVN. Die RAG ist der größte Gasspeicher-Betreiber Mitteleuropas, sie zeichnet für fast drei Viertel der heimischen Speicherleistung verantwortlich. Neben der OMV ist die RAG das einzige Unternehmen in Österreich, das Öl und Gas exploriert. Rund 15 Prozent der Förderung entfällt auf die RAG, die vor allem in Oberösterreich tätig ist. Gegründet wurde sie 1935. Im Vorjahr verdiente der Konzern rund 75 Millionen Euro.

Markus Mitteregger Der 49-jährige Oberösterreicher ist seit mehr als 20 Jahren bei der RAG tätig, 2009 wurde er Generaldirektor. Seine berufliche Laufbahn startete der verheiratete Vater dreier Kinder 1989 als Bauleiter bei der Porr. Mitteregger studierte Erdölwesen in Leoben. 1990 wurde er Vize-Europameister im Faustball(!).

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