Nicht nur Corona: Gastronomie hat viele Herausforderungen
Tirol, Vorarlberg und das Burgenland haben die Gastronomie nach dem Lockdown schon wieder öffnen lassen. Die anderen Länder folgen nun schrittweise, bis am 20. Dezember dann auch die Wiener Wirte aufmachen dürfen. Alle Betriebe eint, dass sie in eine Unsicherheit hinein öffnen, so Gastro-Spartenchef Mario Pulker. Er fordert Klarheit zur Verlängerung der 5-prozentigen Umsatzsteuer und zur Silvester-Sperrstunde. Darüber hinaus gibt es aber viele weitere Herausforderungen.
Frust vor allem in Wien
Einerseits haben die Betriebe, die schon offen haben dürfen eine Freude, sagt Pulker. Andererseits herrscht bei jenen, die noch zu haben müssen Verärgerung. "Riesiger Frust herrscht vor allem in Wien, wo als Letztes geöffnet werden darf - trotz der niedrigsten Inzidenz", sagte Pulker im Gespräch mit der APA. Die Wiener Gastronomen können somit nicht vom einen offenen Sonntag vor Weihnachten profitieren, an dem der Handel ausnahmsweise seine Geschäfte aufmachen darf. Die Stadtregierung argumentierte mit einer pandemisch angebrachten "Entzerrung" der Menschenströme. Pulker hingegen glaubt, dass so mancher Wirt in Wien vor Weihnachten deswegen gar nicht mehr aufsperren wird.
"Vor allem ist Wien ja kein gallisches Dorf, viele Wienerinnen und Wiener weichen ins Umland aus - also jetzt schon ins Burgenland und bald auch nach Niederösterreich", so Pulker. Die Umland-Gastronomie könnte somit von vermehrt anreisenden Wienern profitieren. Die Gastronomie in Niederösterreich öffnet schon am Freitag.
"Hilfen kommen nicht rechtzeitig"
Scharfe Kritik übte Pulker auch an der staatlichen Corona-Hilfsagentur COFAG, die die allermeisten Unternehmenshilfen ausbezahlt. "Es gibt vermehrt Konkursanträge, weil die COFAG-Auszahlungen nicht rechtzeitig erfolgen", so der Gastro-Branchenobmann. Sieben Mal sei es zuletzt der Fall gewesen, dass Betriebe von der Gesundheitskassa einen Konkursantrag erhalten hätten, in dem die ausständige Summe den offenen Betrag der COFAG unterschritt, erläuterte Pulker. Zum Beispiel habe die ÖGK dieser Tage 25.000 Euro von einem Betrieb gefordert, der von der COFAG eine Auszahlungszusage von 36.000 Euro hatte. Pulkers Schluss daraus: "Die COFAG muss schneller auszahlen, gehört wachgerüttelt."
Gesenkte Umsatzsteuersatz
Besonders brennendes Thema für die Gastronomen ist der auf 5 Prozent gesenkte Umsatzsteuersatz auf Speisen, Getränke und Nächtigungen. Dieser läuft mit dem Jahreswechsel aus - soll aber unbedingt verlängert werden, fordern Gastronomie und Hotellerie. Andere Branchen wollen inzwischen auch an der Senkung teilhaben. Auch die Registrierkassenhersteller wollten hier endlich Klarheit vom Finanzminister (Magnus Brunner, ÖVP, Anm.), sagte Pulker. "Wer Pleiten verhindern will, muss uns die Chance geben, im nächsten Jahr noch von den 5 Prozent Umsatzsteuer profitieren zu können", forderte Kaffeesieder-Obmann Wolfgang Binder eine Verlängerung bis Mitte 2022.
Genauso brauche es endlich eine Ansage zu Silvester - zu den Öffnungsmöglichkeiten und der Sperrstunde, forderte der Gastronom und Branchenvertreter der Wirtschaftskammer (WKÖ). Derzeit gilt eine Corona-Sperrstunde von 23 Uhr. "Wir sind fürs Öffnen der Gastronomie. Die Leute gehen ja nicht um 23 Uhr heim - nein, dann wird zuhause ohne 2G-Kontrollen gefeiert und es entstehen wieder Cluster", warnt Pulker.
Mitarbeitermangel
Eine noch viel längerfristige Herausforderung für die Gastronomie und den Tourismus ist der Mitarbeitermangel, der von der Coronakrise weiter verschärft wurde. Die Krise fungierte wie in vielen anderen Bereichen als Beschleuniger - in dem Fall von Branchenwechslern. "Man wird sich in der Branche total umstellen müssen", prophezeit Pulker. "Es wird viel mehr auf die Mitarbeiter eingegangen werden müssen und viel mehr Kompromisse brauchen. Da ist der Kollektivvertrag nur eine Absicherung nach unten."
Ohne entsprechende Leistungen - neben guter Bezahlung auch mehr Freizeit oder andere "Incentives" - würden viele Betriebe Probleme bekommen, Mitarbeiter zu finden. Und das gelte nicht nur im Facharbeiterbereich sondern von der Küchenhilfe bis zum Restaurantleiter. Von Pulkers 30 Mitarbeitern haben 8 in den Lockdowns die Branche gewechselt, wie er sagt. Er sei heuer im Sommer erstmals seit neun Jahren wieder selber zum Küchenchef geworden: "Eigentlich eine Katastrophe, ich hatte trotzdem die höchsten Personalkosten jemals und habe selbst am meisten gehackelt. Da sieht man, wohin die Entwicklung geht."
Obwohl bei ihm gut bezahlt werde und ein gutes Betriebsklima herrsche, würde die Mitarbeitersuche immer schwieriger. Die Konsequenz daraus? "Wir rechnen alles durch und schauen, welche Dienstleistungen man noch anbietet, wo man reduziert, wo man welches Geschäft nicht mehr macht, welches schon noch." Genereller Trend und Empfehlung Pulkers: "Es geht nicht mehr um den Umsatz sondern um den Deckungsbeitrag - was verdien ich womit?" Und das wiederum führe zu einer Spezialisierung der Betriebe. Gewisse Geschäftsmodelle würden nicht mehr funktionieren, sagt der WKÖ-Gastro-Spartenobmann.
Die Gewerkschaft vida begrüßte diese Ausführungen Pulkers in einer Aussendung als "späte Einsicht". "Die Gewerkschaftsvorschläge für bessere Arbeitsbedingungen in der Gastronomie und im Tourismus liegen am Tisch. Wir sind jederzeit gesprächsbereit und werden unseren Sozialpartner bei den nächsten Kollektivvertragsverhandlungen beim Wort nehmen", betonte Berend Tusch, Vorsitzender des vida-Fachbereichs Tourismus. Um den Wechsel in andere Branchen zu stoppen, müssten die Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter jetzt rasch verbessert werden.
Unterstützung bei seiner Forderung von raschen Auszahlungen erhielt Pulker vom Wiener-Gastronomie-Obmann Peter Dobcak, Hotel-Spartenchef Dominic Schmid und Kaffeesieder-Obmann Binder erst gestern in einer Aussendung. Der designierte Wiener ÖVP-Chef Karl Mahrer forderte für die Wiener Gastronomen und Hoteliers überhaupt eigene Hilfen seitens der Stadt Wien - "so schnell wie möglich".
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