Neusser sieht "fast zu viel Drama" rund um leichte Rezession

PK WIFO / IHS - NEUSSER
IHS-Chef ortet langfristigen Wohlstandsverlust von 3 bis 4 Prozent.

Der Chef des Instituts für höhere Studien (IHS), Klaus Neusser, sieht die Stimmung in der Wirtschaft schlechter an als die tatsächliche Lage. Aktuell sei nicht unbedingt von einer Rezession zu sprechen, sondern eher von einer Stagnation, auch wenn die Wirtschaftsleistung zum Jahresschluss und kommenden -anfang wohl zwei Quartale in Folge "leicht" schrumpfen werde. Es herrsche "fast zu viel Drama", die Inflation sei aber ein Problem, sagte Neusser in der Ö1-Sendung "Saldo".

"Es ist klar, dass die Krisen nicht spurlos an uns vorübergehen", räumte Neusser ein. Die Wirtschaft pendle sich auf niedrigerem Niveau ein, es sei ein "Wohlstandsverlust" entstanden, der den langfristigen Wachstumspfad um 3 bis 4 Prozent nach unten nivelliere. Aufgrund eines fehlenden Innovationsschubs, der nach Meinung Neussers auch nicht in Sicht ist, werde der Wohlstandsverlust auch nicht so rasch aufzuholen sein. Bei den Investitionen fehle es an Dynamik, hauptsächlich würden Ersatzinvestitionen getätigt. "Da passiert aus meiner Sicht zu wenig."

Wirtschaft werde sich Ende des Jahres angepasst haben

Die "durchaus heftigen" Anpassungsphasen an die beiden Krisen - Coronapandemie und Ukraine-Krieg - seien bald vorbei, argumentierte der Ökonom. Spätestens Ende kommenden Jahres werde sich die Wirtschaft an die neue Situation angepasst haben. Ab dem Jahr 2024 und darüber hinaus sei mit einem "normalem Wachstum von etwas über einem Prozent" zu rechnen.

Die Teuerung werde allerdings bleiben, so Neusser. Er erwartet für kommendes Jahr eine Inflation in der Höhe von etwa 5 Prozent. 2024 sei ein weiterer Rückgang zu erwarten. Es sei aber "fraglich", ob das EZB-Ziel von 2 Prozent mittelfristig erreicht werde.

Neusser warnt vor "Subventionswettlauf"

"Die Inflation ist angetrieben durch die Energiepreise, frisst sich durch alle Bereiche durch", sagte Neusser im "Saldo"-Magazin des ORF-Radios Ö1. "Sie kommt bei den Dienstleistungen an, bei den Mieten, die indexiert sind, man wird sie auch (weiter) bei Lebensmitteln spüren." Bei den Energiekosten sei aber mit keinem weiteren Anstieg zu rechnen. Benzin entwickle sich im Preis zuletzt schon rückläufig.

Die Arbeitslosigkeit sei "faktisch weg", nicht durch die leichte Rezession, sondern "eher strukturell" bedingt, so der Ökonom. "Die Inflation ist ein Problem, das ist klar." Aber hier gebe es Anpassungen von Pensionen, hohe Lohnabschlüsse, indexierte Sozialleistungen und bald komme auch das Aus der kalten Progression. Wie treffsicher gewisse Unterstützungsleistungen seien, darüber lasse sich streiten.

Einmal mehr warnte Neusser vor einem "Subventionswettlauf". Er verwies dabei auf US-Förderpläne (Inflation Reduction Act) für "Made in USA" und auch die deutschen Energiehilfen, bei denen Österreich nachzog.

Grundsätzlich gebe es auch eine leichte, anhaltende Deindustrialisierung. Abwanderungsgefahren bergen viel günstigere Energiekosten in den USA und in Asien. Für Neusser offenbar gar nicht so schlimm - es gehöre überlegt, welche Industrien man haben wolle, dazu müssten die schmutzigsten nicht unbedingt gehören, so der IHS-Chef sinngemäß. Es solle kritisch hinterfragt werden, ob man vielleicht weniger CO2-intensive und dafür dienstleistungsstärkere Industrie wolle. Grundsätzlich gehörten Zukunftsinnovationen ermöglicht und nicht die Struktur gehalten werden.

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