Neuer Anlauf für schwer gebeutelte Technologieaktien
Die US-Technologiekonzerne setzen immer wieder neue Maßstäbe: Apple, Microsoft und Alphabet werden heuer laut Berechnung des Handelsblatt heuer netto umgerechnet etwa 245 Milliarden Dollar verdienen – doppelt so viel wie alle 40 Konzerne im deutschen Leitindex DAX zusammen. Und weil die USA technologisch schon so lange führend seien, würden davon auch Unternehmen im Land aus anderen Branchen profitieren.
An den Börsenkursen ist das derzeit nicht abzulesen. Seit Jahresbeginn hat die US-Technologiebörse Nasdaq rund 27 Prozent verloren und befindet sich somit in einem Bärenmarkt. Mitte Juni ging es für zwei Monate zwar wieder aufwärts, doch in den vergangenen vier Wochen ist die Bewegung erneut negativ. Grund sind neben den konjunkturellen Unsicherheiten, die alle Branchen betreffen, vor allem die massiven Zinserhöhungen in den USA. Frisches Geld über Kredite zu beschaffen wird damit deutlich teurer. Das wirkt sich besonders in der Techszene aus, die ja vor allem aus kapitalintensiven Wachstumstiteln besteht.
MATANA
Daher muss eine neue Story her, die man den Anlegern verkaufen kann. Die hat nun Ray Wang gefunden. Der Analyst und Gründer von Constellation Research, ein im Silicon Valley beheimatetes Bewertungs- und Beratungsunternehmen, hält sechs große Tech-Unternehmen für wesentlich, um den Sektor wieder nach oben zu treiben. Aus den Anfangsbuchstaben der Konzerne schuf er das Kunstwort „MATANA“.
Wirklich neu ist dieser Zugang nicht. Jim Cramer, der bekannteste Moderator des US-Wirtschaftssenders CNBC, nannte 2013 die vier Konzerne Facebook, Amazon, Netflix und Google als diejenigen, die den Markt dominieren. Und fasste sie unter dem Namen „FANG“ zusammen. Was zu deutsch Reißzahn heißt und in dem Zusammenhang eine passende Bedeutung habe, wie Monika Rosen, Börsenexpertin der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft, gegenüber dem KURIER sagt. 2017 erweiterte Cramer FANG um Apple und machte FAANG draus. Angesichts der Kursturbulenzen bei FAANG ist der Analyst im Juni von Techwerten abgerückt, wobei er Apple nun als das schwächste Glied bezeichnete.
Wie auch immer, das war für Wang trotzdem kein Hindernis, MATANA zu erschaffen. „Im Gegensatz FANG hat MATANA auf englisch keine Bedeutung“, sagt Rosen. „Den ganz großen Investmentgedanken sehe ich da nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Kürzel eine ähnliche Bekanntheit erreicht wie FANG.“
Aber wie schaut der nicht ganz so große Investmentgedanke dahinter eigentlich konkret aus? Der KURIER hat die sechs in MATANA enthaltenen Aktien einer genaueren Betrachtung unterzogen.
M wie Microsoft: Der Börsengang des 1975 von Bill Gates und Paul Allen gegründeten Unternehmens erfolgte bereits 1986. Der Konzern ist bekannt für das Betriebssystem Windows, aber auch die Spielekonsole Xbox, das digitale Berufsnetzwerk LinkedIn oder sein Cloud-Angebot. Nach guten Ergebniszahlen im vergangenen Geschäftsjahr (per Ende Juni) hebt der Konzern nun seine Dividende das 19te Mal in Folge an (seit 2003 gibt es Ausschüttungen). Konkret werden 2,72 Dollar ausbezahlt. Die Dividendenrendite liegt allerdings nur bei mageren 1,1 Prozent bei einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 25, was nicht allzu günstig ist (Erklärung unten).
Die Microsoft-Aktie hat seit Jahresbeginn 28 Prozent verloren, seit fünf Jahren allerdings ist sie 225 Prozent im Plus. Von 49 Analysten empfehlen 45 den Titel aktuell zu kaufen oder aufzustocken. Das durchschnittliche Kursziel auf ein Jahr gesehen liegt im Durchschnitt 37 Prozent über dem aktuellen Kurs.
A wie Apple: Nur ein Jahr später als Konkurrent Microsoft wurde Apple gegründet, unter anderen vom jahrelangen, charismatischen Chef Steve Jobs. Er übernahm den Posten Ende 1997, als der Konzern kurz vor der Pleite bzw. Übernahme stand. Jobs gelang es, mit innovativen Produkten das Steuer herumzureißen. Auch nach seinem Krebstod 2011 ist der Konzern einer der führenden Techkonzerne geblieben, allen voran mit dem iPhone. Verkäufe des Geräts bringen rund die Hälfte der Konzernerlöse ein. Außerdem spielt es eine Schlüsselrolle für den Absatz anderer Geräte und Dienste wie Apple Music. Seit Jahresbeginn liegt die Aktie 14 Prozent im Minus. In den vergangenen fünf Jahren sind es noch 313 Prozent Gewinn. Von 35 Analysten raten 25 zum Kauf oder Aufstocken, 8 zum Halten (2 zum Verkaufen). Laut den Experten von Barclays liegt die allgemeine Nachfrage nach Apple-Produkten auf dem Niveau des Vorjahres. Das mittlere Kursziel von 180 Dollar liegt 15 Prozent über dem aktuellen Kurs. Das KGV von 26 und eine Rendite von 0,6 Prozent sind nicht wirklich attraktiv.
T wie Tesla: Der US-Konzern gilt als Vorreiter der Elektromobilität. Richtig bekannt wurde die Firma mit Elon Musk, der seit 2004 das Sagen hat. 2008 wurden die ersten E-Autos ausgeliefert, bis heute sind es rund drei Millionen. Alleine heuer sollen es mehr als 900.000 Stück sein. Nächstes Jahr schon zwei Millionen. Das exponentielle Wachstum treibt Musk mittlerweile mit Fabriken in Kalifornien und Schanghai voran, zwei weitere bei Berlin und in Texas sind im Bau. Perspektivisch geht der Firmenchef von weltweit zehn bis zwölf Standorten aus. Um den Aktienhandel zu erleichtern, gab es erst vor Kurzem einen Split im Verhältnis 1:3. Denn das Papier hat sich in den vergangenen fünf Jahren um sagenhafte 1.300 Prozent verteuert (heuer beträgt das Minus allerdings 23 Prozent). Die Aktie ist mit einem KGV von 111 sehr teuer, Dividende wird keine ausgezahlt. Im zweiten Quartal verdiente Tesla 2,3 Mrd. Dollar und damit 98 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Die Analysten sehen das durchschnittliche Kursziel dort, wo die Aktie aktuell steht.
A wie Alphabet: Erst 2015 gegründet und schon unter den großen Branchenvertretern zu finden. Wie kann das sein? Ganz einfach. Alphabet ist die Dachgesellschaft von Google. Die Aktien der führenden Internet-Suchmaschine wurden damals 1:1 umgewandelt. Google selbst ging 1997 online und 2004 an die Börse. Mittlerweile hat Alphabet auch weitere Geschäftsfelder erschlossen, wie etwa Clouddienste oder Glasfasernetze. Kerngeschäft ist aber weiterhin Google und die daraus resultierenden Werbeeinnahmen. In diesem Bereich gab es heuer jedoch wegen des rückläufigen Wirtschaftswachstums Einbußen. „Die Zeiten sind hart geworden im Bereich digitale Werbung“, sagt Analyst Ross Sandler vom britischen Bankhaus Barclays. Der Gewinn von Alphabet sank im zweiten Quartal im Jahresvergleich von 18,5 auf 16 Mrd. Dollar. Von 51 Analysten empfehlen die Aktie 48 zum Kauf oder Aufstocken. Das durchschnittliche Kursziel bewegt sich rund 40 Prozent unter dem jetzigen Niveau. Seit Jahresbeginn liegt der Titel fast ein Drittel im Minus bei einem KGV von 18,8.
N wie Nvidia: 1993 gegründet, entwickelte sich das kalifornische Unternehmen zu einem der größten Chipkonzerne der Welt, auch durch zahlreiche Übernahmen. Jene des Konkurrenten ARM um 40 Milliarden Dollar musste heuer jedoch aufgegeben werden. Nvidia profitierte in der Pandemie von der gestiegenen Nachfrage nach Internetdiensten für Beruf und Freizeit (Spielkonsolen). Der Konzern, der über keine eigenen Fertigungsstätten verfügt, konnte beim Gewinn kräftig zulegen. Doch inzwischen ist trotz anhaltender Chipkrise konjunkturbedingt die Nachfrage rückläufig , was die Zahlen drückt. Der Gewinn fiel im vergangenen Quartal auf 656 Mio. Dollar von 2,37 Milliarden Dollar ein Jahr zuvor. Von 45 Analysten raten 32 zum Kauf oder Aufstocken, 12 zu Halten. Das durchschnittliche Kursziel liegt 56 Prozent unter dem aktuellen Wert. Die Aktie verlor heuer bereits 56 Prozent.
A wie Amazon: Der von Jeff Bezos gegründete Internetshop ging 1995 online und 1997 an die Börse. Kurz darauf erfolgte die Internationalisierung. Inzwischen sind auch u.a. Videostreaming und Cloud Computing im Angebot. Amazon profitierte ebenso von der Pandemie und den Lockdowns. Auch jetzt noch wirken die Folgen positiv nach. Trotz Preiserhöhungen gelang es dem Konzern, neue Kunden für seine Prime-Dienste anzulocken und auch zu halten. Zudem wurde laut Konzern die Produktivität im Lager- und Liefernetzwerk verbessert. Von 50 Analysten raten 48 zum Kauf bzw. Aufstocken. Das durchschnittliche Kursziel liegt 42 Prozent unter dem jetzigen Stand. Seit Jahresbeginn beträgt der Kursrückgang 30 Prozent.
Die Absteiger
Zunächst waren es vier Big Player (FANG), dann waren es fünf (FAANG) und nun sind es sogar sechs (MATANA). Doch die Zusammensetzung hat sich sichtbar geändert. Neu hinzu kamen Microsoft, Tesla und Nvidia, während Meta (Facebook) und Netflix verabschiedet wurden. MATANA-Erfinder Rang Wang begründet dies damit, dass beide Unternehmen sich zu sehr auf dem Status quo, der sehr erfolgreich war, ausgeruht hätten. Netflix habe die Grenze der Abo-Zahlen erreicht und Meta sei zu sehr auf Werbung fokussiert. Wenn man sich in der extrem schnelllebigen Tech-Branche nicht wandelt, gehe man unter, so Wang.
Börsenfachfrau Monika Rosen sieht die Sache bei Netflix ähnlich. „Sie haben die Vorteile des First Movers gehabt, aber das währt nicht ewig.“ Und Meta habe neben der Abhängigkeit von Werbung auch noch das Problem mit mangelhafter Überwachung der Postings. „Da wurde sehr viel Kredit verspielt.“ Rosen fragt sich aber auch, ob Tesla nicht auch irgendwann das Problem von Netflix haben könnte. Denn mittlerweile bauen ja schon viele etablierte Hersteller Elektroautos.
Netflix feierte erst Ende August sein 25-jähriges Bestehen. Angefangen als kleiner Videostore, der die DVDs noch mit der Post versandte. Als die Internet-Bandbreiten größer wurden, begann der eigentliche Erfolg mittels Streaming. Weltweit nutzen bereits 220 Millionen Haushalte den Dienst, doch die Zeiten des üppigen Wachstums (nicht zuletzt in der Pandemie) sind vorbei, die Zahlen stagnieren. Vor allem, weil es immer mehr Konkurrenten wie Amazon Prime, Disney oder HBO gibt. Netflix will nun mit neuen Angeboten (Abo mit Werbung) weitere Haushalte zu gewinnen.
Meta wiederum erlitt im zweiten Quartal des Jahres seinen ersten Umsatzrückgang seit dem Börsengang 2012. Auch für die nächsten Monate rechnet Meta nicht mit einer Besserung. CEO Mark Zuckerberg kündigte an, der Konzern wolle sich nun auf langfristige Investitionen fokussieren. Dazu zählt das „Metaverse“ – eine virtuelle Welt, in die sich nach seinen Vorstellungen das geschäftliche und soziale Leben verlagern wird. Noch schreibt die Sparte aber hohe Verluste und Analysten sind skeptisch, ob die Pläne aufgehen.
Big Tech
Unter Big Tech werden die größten Techkonzerne der Welt bezeichnet. Der Begriff hat sich 2017 etabliert und infolge haben sich Unterbegriffe entwickelt. Zu den Big Four zählen Google, Amazon, Facebook und Apple, abgekürzt GAFA. Mit der Umbenennung von Facebook in Meta wurde daraus GAMA. Zu den Big Five zählt zudem Microsoft, wodurch sich die Abkürzung GAFAM bzw. GAMAM ergibt. Vor einem Jahr schlug Analyst Jim Cramer vor, FAANG durch MAMAA zu ersetzen (Meta, Amazon, Microsoft, Apple, Alphabet)
Bärenmarkt
Seit Jahresbeginn befinden sich die Techaktien in einem Bärenmarkt. Davon ist die Rede, wenn ein Index in zumindest zwei Monaten um mehr als 20 Prozent einbricht. Im Durchschnitt der vergangenen Bärenmärkte dauerte ein solcher eineinhalb Jahre. Sein Gegenstück ist der Bullenmarkt
KGV
Das Kurs-Gewinn-Verhältnis zeigt an, wie oft der Gewinn pro Aktie im Preis der Aktie enthalten ist oder wie oft dieser errechnete Gewinn ausgeschüttet werden müsste, um den aktuellen Kaufpreis zu refinanzieren. Je niedriger das KGV, desto günstiger ist eine Aktie
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