Neue ÖBB-Strategie: Weniger Personal, mehr Geld
Die ÖBB verschärfen ihren Sanierungskurs. Um bis 2013 zumindest ein ausgeglichenes Ergebnis zu erreichen, will Bahn-Chef Christian Kern vor allem bei der schwer angeschlagenen Güterverkehrstochter Rail Cargo Austria (RCA) sparen. Die RCA wird sich im Speditionsgeschäft voll auf die Bahn-Aktivitäten konzentrieren, die Bereiche Luft- und Seefracht werden aufgegeben. Aus Märkten wie Skandinavien, der Ukraine, den GUS-Staaten und Spanien werde sich die RCA. Das sagte Kern am Donnerstag im Klub der Wirtschaftspublizisten.
Der gesamte Stückgutverkehr und der Bereich Bahn-Express mit rund 1000 Mitarbeitern könnte in eine eigene Gesellschaft ausgelagert werden. Im Gegenzug will die Bahn in Südosteuropa weiter wachsen.
Gemeinsam mit internationalen Partnern wollen die ÖBB einen Billiganbieter im Güterverkehr aufbauen, der mittelfristig 800 Millionen Euro Umsatz jährlich einfahren könnte. In Ungarn, wo derzeit die schwer defizitäre Tochter Rail Cargo Hungaria zum Teil über massiven Personalabbau saniert wird, verhandelt die Bahn über einen neuen Kooperationsvertrag mit der staatlichen MAV, mit dessen Hilfe die Kosten weiter gesenkt werden sollen.
Personalabbau
Im Inland sollen - etwa im Werkstättenbereich - die Kapazitäten ebenfalls zurückgefahren werden. So könnte das Werk Simmering, wo derzeit der Premium-Zug railjet montiert wird, nach Auslaufen dieses Projekts zumindest teilweise geschlossen werden. Der Personalabbau geht ebenfalls zügig weiter.
Die Zahl der Eisenbahner soll bis 2015 von derzeit rund 44.000 auf unter 40.000 sinken. Wie 2010 soll die Belegschaft auch heuer - in erster Linie durch den natürlichen Abgang, aber auch noch durch Frühpensionierungen - wieder um 1000 Mitarbeiter schrumpfen.
Bisher sieht Kern die Bahn-Sanierung weitgehend auf Schiene. Im ersten Halbjahr 2011 sei im Gesamtkonzern ein positives Betriebsergebnis von 27,4 Millionen Euro erwirtschaftet worden, um 60,5 Millionen mehr als budgetiert. Im Gesamtjahr wird aber noch ein Betriebsverlust von 49 Millionen einfahren. Das Ergebnis wird laut Kern vor allem durch Rückstellungen für drohende Strafen aus laufenden Kartellverfahren und für mögliche Nachzahlungen für nicht erfolgte Vorrückungen von Mitarbeitern und durch die Gefahr eines neuerlichen Konjunktureinbruchs belastet.
Kapitalspritze
2015 sieht Kerns Plan ein operatives Ergebnis von 120 bis 150 Millionen Euro vor. Dafür aber müsse - so die Botschaft des Bahnchefs vor allem an die ÖVP, die den ÖBB-Kurs massiv kritisiert - die Bahn ihr Offensiv-Konzept umsetzen. Und dafür fehlt Kern schlicht das Geld. Die Eigenkapitalquote des Gesamtkonzerns - "Da sind wir die Kellerkinder in Europa" - werde heuer im Gesamtkonzern auf gefährlich niedrige 6 Prozent sinken, wobei sie bei der Gütertochter RCA bereits mit zwei Prozent negativ ist.
Kerns Fazit: "Ohne zusätzliche s Eigenkapital von rund 400 Millionen können wir die Investitionen, die für das Wachstum notwendig sind, nicht finanzieren." Denn aus dem Cash flow könne die Bahn weder neue Fahrzeuge im Volumen von 250 bis 450 Millionen Euro anschaffen noch neue Angebote im Personenverkehr anbieten. Der Eigentümer - "und damit meine ich die ganze Regierung und vor allem die ÖVP" - müsse sich entscheiden, was für eine Bahn er wolle. Den ÖVP-Vorschlag, dass die Bahn Mittel durch den Verkauf ihrer Kraftwerke lukrieren soll, lehnt Kern ab: "Die Kraftwerke gehören der Infrastruktur AG, das Verschieben des Verkaufserlöses in den Absatzbereich wäre eine verbotene Quersubvention".
Unterstützung der Politik fordert der Bahnchef auch bei der Flexibilisierung des Dienstrechts und beim Mitarbeiter-Abbau ein.
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