Neubewertung: Glyphosat für EU-Behörde unbedenklich
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) sieht eine erneute Zulassung des Unkrautvernichters Glyphosat in der Europäischen Union unkritisch. Die EFSA habe in der Risikobewertung des Wirkstoffs in Bezug auf das von ihm ausgehende Risiko für Mensch und Tier sowie für die Umwelt keine kritischen Bereiche festgestellt, die Anlass zur Sorge geben, hieß es in einer am Donnerstag veröffentlichten Neubewertung von Glyphosat durch die Behörde.
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Diese Einschätzung sei Ergebnis der über dreijährigen Arbeit von Dutzenden Wissenschaftern der EFSA und der Mitgliedstaaten. "Sie basiert auf der Auswertung vieler Tausend Studien und wissenschaftlicher Artikel", erklärte der Leiter der EFSA-Risikobewertung, Guilhem de Seze.
Die EFSA verwies darauf, dass die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) 2022 bei einer Gefahrenbewertung von Glyphosat zu dem Schluss kam, dass der Wirkstoff die wissenschaftlichen Kriterien für eine Einstufung als krebserregender, erbgutverändernder oder fortpflanzungsgefährdender Stoff nicht erfüllt. "Die EFSA verwendete die Gefahreneinstufung der ECHA für die Zwecke der EU-Risikobewertung von Glyphosat."
Wiederzulassungsprozess tritt in finale Phase
Mit der Bewertung der EFSA tritt der Wiederzulassungsprozess von Glyphosat in der EU in seine finale Phase. Auf Grundlage der wissenschaftlichen Schlussfolgerungen der Behörde wird die Europäische Kommission einen Verordnungsentwurf über die Verlängerung oder Nichtverlängerung der Zulassung des Wirkstoffs ausarbeiten. Die Mitgliedsstaaten werden voraussichtlich im dritten Quartal darüber abstimmen. Die Zulassung von Glyphosat in der EU läuft noch bis zum 15. Dezember dieses Jahres.
Glyphosat zählt zu den weltweit am meisten eingesetzten Herbiziden und wurde vom US-Konzern Monsanto entwickelt, den der deutsche Pharma- und Agrarchemiekonzern Bayer übernahm. Mit dem Zukauf holte sich Bayer auch eine Klagewelle wegen der angeblich krebserregenden Wirkung von Glyphosat ins Haus, die das Unternehmen schwer belastete. Mehr als zehn Milliarden US-Dollar hat inzwischen außergerichtliche Beilegung von über 100.000 Klagen wegen Krebsfällen in den USA gekostet. Diese berufen sich auch die Einschätzung der Krebsforschungsagentur IARC. Diese bewertete den Wirkstoff 2015 als "wahrscheinlich krebserregend".
Herbizid als nicht krebserregend eingestuft
Damit ist sie allerdings alleine. Mit der Neubewertung durch die EFSA stufen nun alle wichtigen staatlichen Behörden den Stoff als unbedenklich ein. Auch die US-Umweltbehörde EPA und die Europäische Chemikalienagentur, haben das Herbizid als nicht krebserregend eingestuft.
Entsprechend hat Bayer in letzter Zeit auch viel mehr Prozesse gewonnen. „Wir sind überzeugt, dass die Einstufung der EFSA auch unsere Rechtsposition in den USA stärken wird“, sagte Bayer-Cheflobbyist Matthias Berninger gegenüber dem Handelsblatt. Auch andere Konzerne produzieren das sogenannte Breitbandherbizid, das gegen jegliche Grünpflanzen wirkt.
Kritik an der Entscheidung kam von den Umwelt-NGOs: "Anstatt Landwirtinnen und Landwirte und die Bevölkerung vor dem Pflanzengift zu schützen und Glyphosat eine Absage zu erteilen, empfiehlt die EFSA eine Verlängerung der Zulassung. Dabei hat bereits die internationale Krebsforschungsagentur (IARC) der WHO Glyphosat als 'wahrscheinlich krebserregend beim Menschen' eingestuft", hieß es in einer Aussendung von Greenpeace.
Greenpeace gegen eine Wiederzulassung
Mit Ende des Jahres läuft die Zulassung aus - "bis spätestens dann wird die EU-Kommission auf Basis der Risikoeinschätzung der EFSA den Mitgliedstaaten den Verordnungsentwurf zur Abstimmung vorlegen". Greenpeace forderte von Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP), gegen eine Wiederzulassung von Glyphosat zu stimmen.
Global 2000 sprach von einer "schockierenden Empfehlung". "Die Zulassung für Glyphosat endet am 16. Dezember 2023, nun droht eine Verlängerung bis 2038. Einmal mehr stützen EFSA und nationale Zulassungsbehörden ihr Urteil überwiegend auf die von den Glyphosat-Herstellern beauftragten und eingereichten Studien, die dem weltweit meistverkauften Pestizid naturgemäß in Umwelt- und Gesundheitsfragen einen Persilschein ausstellen", kritisierte Helmut Burtscher-Schaden, Biochemiker bei Global 2000.
Politischer Zündstoff
Auch politisch ist der Stoff umstritten. Luxemburg ist vor kurzem mit dem Versuch, Glyphosat zu verbieten, gescheitert. Bayer hatte dagegen geklagt. Der französische Vorstoß von 2017, Glyphosat innerhalb von drei Jahren zu verbieten, ist gescheitert - auch am Widerstand der eigenen Bauern. In Österreich hat 2019 das Land Kärnten versucht, den Unkrautvernichter zu verbieten. Seitdem ist es in privaten Gärten nicht mehr zugelassen, die Landwirtschaft verwendet es aber weiter.
Die ÖBB hat ihr Versprechen, glyphosatfrei zu werden, inzwischen laut eigenen Angaben umgesetzt. Sie war einer der größten Kunden für das Mittel in Österreich, weil damit die Gleisbetten frei von Bewuchs gehalten wurden. Inzwischen werden jedoch andere Mittel eingesetzt.
Alternativen in Sicht
Weil Glyphosat so effektiv und günstig ist, wurde in den letzten Jahrzehnten wenig an neuen Unkrautvernichtern geforscht. Dennoch hat Bayer sich 2019 dazu bekannt, eine alternatives Herbizid zu entwickeln. Aktuell hat der Konzern einen aussichtsreichen Wirkstoffkandidaten in der letzten Phase der Prüfung. „Wir erwarten noch in diesem Jahrzehnt die Marktzulassung“, sagt Bayer-Manager Berninger zum Handelsblatt. Vielleicht könnte das umstrittene Mittel also bald auch einfach obsolet werden.
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