Nach Kurssturz: Chinas Börsen erholen sich

Die beiden Börsen in Shanghai und Schenzhen erholten sich, Behörden griffen ein.
Große Staatsunternehmen kauften im großen Stil eigene Aktien auf.

Nach dem drastischen Kursverfall der vergangenen Tage haben sich Chinas Finanzmärkte deutlich erholt. Die Börse in Shanghai schloss am Donnerstag mit einem Plus von 5,76 Prozent, nachdem sie direkt zu Handelsbeginn noch mehr als drei Prozent abgesackt war. Ähnlich erholte sich der Component Index in Shenzhen, der mit 4,25 Prozent im Plus schloss. Detail am Rande: An beiden Börsen spekulieren laut Finanzexperten hauptsächlich reiche Chinesen und das auf Pump.

Dem Anstieg vorausgegangen waren neue drastische Maßnahmen der Behörden, um die seit einem Monat um mehr als ein Drittel gefallene Märkte zu stützen. So dürfen Anteilseigner, die Beteiligungen von mehr als fünf Prozent an einem Unternehmen halten, ihre Aktien in den nächsten sechs Monaten nicht mehr veräußern. Um den Markt weiter zu stabilisieren, kauften große Staatsunternehmen wie der Ölkonzern Sinopec oder der Kohlekonzern Shenhua außerdem im großen Stil eigene Aktien auf. Rund die Hälfte aller gelisteten Papiere ist allerdings schon vom Handel ausgenommen. Die Zahl der chinesischen Unternehmen, die angesichts der starken Kursrückgänge nicht mehr gehandelt werden wollen oder sollen, stieg bis Donnerstag um 194 auf 1439, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtete.

Abkühlung der Nachfrage bei Autos

Der Kursrutsch ist für die Autobauer ein weiterer Rückschlag auf dem boomenden weltgrößten Pkw-Markt. Schon länger treibt die Abkühlung der Nachfrage den Herstellern Sorgenfalten auf die Stirn, doch der jüngste Crash verschärft die Lage. Da in China sehr viel mehr Privatanleger an der Börse spekulieren als etwa in Deutschland, haben viele Verbraucher gerade jede Menge Geld verloren. Das fehlt nun, um es in größere Anschaffungen wie einen teuren Wagen von Audi, BMW oder Mercedes-Benz zu stecken. Autoexperte Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler erwartet eine Berg- und Talfahrt auf dem chinesischen Automarkt: „Ich rechne mit bis zu zwölf Monaten, in denen der Pkw-Markt zwischen einem leichten Plus und minus fünf Prozent hin- und herpendeln wird.“

Autobauer werden Investitionen prüfen

Die Verunsicherung der Kundschaft hat massive Folgen für die Autobauer: Sie können sich nicht mehr darauf verlassen, dass die Nachfrage nach glitzernden Karossen in den großen Städten an Chinas Ostküste weiter nur eine Richtung kennt - nach oben. Noch hält der deutsche Branchenverband VDA an seiner Prognose fest, wonach der Pkw-Absatz in diesem Jahr um sechs Prozent auf knapp 19,5 Millionen Neuwagen klettern soll. Die Ziele könnten sich jedoch schon bald als Makulatur erweisen.

„Die Autobauer werden sicher an der ein oder anderen Stelle innehalten und Investitionen überprüfen“, glaubt Peter Fuß von der Unternehmensberatung EY (vormals Ernst & Young). Die Pläne seien jedoch in der Regel langfristig angelegt und könnten nicht schnell gestoppt werden. „Das trifft viele Hersteller kalt, die sich auf weiteres Wachstum eingestellt haben“, sagt der Autoexperte. Vor allem Volkswagen setzt stark auf China. Europas größter Autobauer hat in der Volksrepublik in den vergangenen Jahren zahlreiche Fabriken hochgezogen und schlägt mehr als ein Drittel seiner Fahrzeuge dort los. Einen großen Teil des Gewinns fahren die Wolfsburger in China ein. Experten warnen schon seit längerem, der Wolfsburger Autobauer sei zu abhängig vom chinesischen Markt geworden. Das könnte sich nun rächen, wenn das Wachstum nachlässt.

Vor allem regionales Problem

Die Regierung und Notenbank versuchen seit einiger Zeit verzweifelt, den Kursverfall von rund einem Drittel seit Mitte Juni zu bremsen. Der Marktwert der an den chinesischen Börsen notierten Unternehmen sank dabei um rund 3,9 Billionen Dollar (3,5 Billionen Euro). Während der Kursrutsch in China bisher von Experten größtenteils als regionales Problem und Korrektur der vor allem im April und Mai stattgefundenen Überhitzung angesehen wurde, griff die Verunsicherung in den vergangenen Tagen verstärkt auf andere Märkte über.

Die Sorgen über die Auswirkungen auf Chinas Wirtschaft und damit die Konjunktur weltweit sind zuletzt gestiegen. Kopfzerbrechen bereitet den Experten auch die Tatsache, dass die staatlichen Eingriffe bisher kaum wirkten. So sind die am Wochenende und Mittwoch verkündeten Schritte wie der Stopp von Börsengängen oder Geldspritzen der Notenbank schnell verpufft. Im Jahr vor dem jetzigen Kursverfall war der Aktienmarkt meist durch spekulative Aktienkäufe auf Pump um weit mehr als 100 Prozent in die Höhe getrieben worden. Und auch heuer liegen die meisten Indizes trotz des Minus der vergangenen Wochen noch leicht im Plus.

Kritik von Finanzdienstleister

Nach dem Kurssturz in China hat erstmals ein ausländischer Investor das Verhalten der Finanzaufseher offen kritisiert. Der australische Finanzdienstleister AMP warf den Regulierungsbehörden der Volksrepublik amDonnerstag vor, für die Panik-Verkäufe mitverantwortlich zu sein. Die eingeleiteten Maßnahmen seien kontraproduktiv gewesen und hätten die Lage nur verschlimmert, bemängelte Fondsmanager Patrick Ho vom AMP Capital China Growth Fund.

Der Marktwert des größten australischen Fonds, der ausschließlich in chinesische Aktien investiert, hat sich seit Beginn des Kurseinbruchs vor sechs Wochen um fast 40 Prozent auf umgerechnet rund 300 Millionen Euro reduziert. Die chinesischen Börsen büßten in dieser Zeit rund ein Drittel ein.

Zuvor hatten sich die Kurse seit dem Spätherbst bis in den Juni 2015 hinein mehr als verdoppelt. Das habe auch zahlreiche chinesische Anleger angelockt, schrieb Ho in einer E-Mail an die Nachrichtenagentur Reuters. Die Rally sei aber negativ beeinflusst worden, als die Behörden versuchten, diese Entwicklung zu bremsen. „Danach verfielen viele Anleger in Panik-Verkäufe.“

Der Börsen-Crash schürte auch Sorgen um das Wirtschaftswachstumin China, wo der Konjunkturmotor ohnehin ins Stottern geraten ist. In Australien wird dasmit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt. Denn die dortige Wirtschaft mit ihrer großen Bergbauindustrie ist stark vom Rohstoffhunger Chinas abhängig.

Über die Börsen Schanghai und Schenzhen finden Sie hier weitere KURIER-Informationen.

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