Nach der Pleite: Detroit auf dem Zifferblatt

Neues Leben blüht in den Ruinen: Die Autostadt Detroit lockt Investoren an.
Die heruntergekommene Autostadt etabliert sich als Standort für Luxusartikel.

Es war einmal das stolze Zentrum der US-Autoindustrie, litt seit Jahren unter Geldmangel und ist seit Dezember 2013 offiziell pleite. Der Schuldenberg von 18 Milliarden Dollar scheint die Investoren aber nicht abzuschrecken. Ganz im Gegenteil: Einige sehen in der jetzigen Lage Potenzial für ein gutes Geschäft und übersiedeln nach Detroit.

Die US-Softwarefirma GalaxE ist bereits seit 2010 vor Ort. In Detroit hat sie ihre zweite US-Filiale angesiedelt. Die Zentrale ist im Bundesstaat New Jersey, nahe New York, wo das 1990 gegründete Unternehmen sich auf Software für das Gesundheitswesen, den Finanzsektor und den Einzelhandel spezialisierte. Es hat 2000 Mitarbeiter in den USA, Großbritannien, Indien und China. 150 davon arbeiten in der früheren Auto-Metropole.

"Als internationales Unternehmen hätten wir überall auf der Welt unseren nächsten Entwicklungsstandort aufmachen können. Wir haben uns aber für die USA, und insbesondere für Detroit entschieden, weil wir überzeugt waren, dass wir hier ein gutes Geschäft machen können", erklärte GalaxE-Geschäftsführer Tim Bryan dem KURIER. Detroit habe ihn mit gut ausgebildeten Arbeitskräften, guten Hochschulen und günstigen Kosten, wie etwa niedrigen Büromieten, überzeugt. "Obendrein konnten wir so zum Aufschwung der Stadt beitragen", sagt Bryan.

Qualität und Design

Er hat dafür eine eigene Initiative ("Outsource to Detroit") gestartet, die die Stadt in ein IT-Zentrum verwandeln soll. Anstatt Software in Entwicklungsländern billig produzieren zu lassen, sollen die IT-Unternehmen ihre Produkte in Detroit herstellen. "Heutzutage ist es nicht mehr so wichtig, die niedrigsten Kosten zu haben. Uns war es wichtig, dass wir die Besten sind", argumentiert er.

Detroit bietet aber mehr als günstige Produktionskosten. Die Stadt ist eine trendige Eigenmarke, die sich gut verkaufen lässt – das hat die Firma Shinola erkannt. Shinola gab es schon einmal: 1907 startete das Unternehmen als Schuhcreme-Hersteller, 1960 ging es in Konkurs. "Der Firmenname wurde also frei, wir haben ihn 2011 gekauft und neu positioniert", erklärt Geschäftsführer Steve Bock. Die neue Shinola produziert Lederwaren, Fahrräder und Luxusuhren. "Was die Produkte von Shinola verbindet, sind Qualität und Design", meint Bock.

Der Stempel "Made in Detroit" sei ein anderes wichtiges Element, das zum Markterfolg beiträgt. Die Shinola-Fabrik ist im historischen Argonaut-Gebäude eingezogen – einst das erste Forschungs- und Entwicklungsatelier des Autoherstellers General Motors. Die Produktion begann 2012, das Leder kommt ausschließlich aus den USA. Uhren baut man seit 2013 zusammen – bisher insgesamt 50.000 Stück. Einige Teile werden aus der Schweiz importiert, das Ziel aber ist es, eines Tages alle Materialien vom heimischen Markt zu beziehen.

Mittlerweile läuft der Verkauf gut. Die Uhren um durchschnittlich 600 Dollar (430 Euro) sind seit Juni 2013 auf dem Markt – in den firmeneigenen Läden in Detroit und New York, in Boutiquen in Paris oder Singapur und natürlich im Internet. Ab Mai kann man sie EU-weit online bestellen. Der Verkaufserfolg komme auch von der Herkunftsbezeichnung. "Detroit ist eine Eigenmarke – genauso wie New York oder San Francisco. Es gibt einen Stolz in Detroit – die Menschen unterstützen das gern. Eine Uhr mit Detroit auf dem Zifferblatt zu haben, ist ein starkes positives Symbol", sagt Bock.
Nach der Pleite: Detroit auf dem Zifferblatt
A Shinola three-speed bicycle, assembled in Detroit, is displayed at the recently opened luxury Shinola watch and bike store in midtown Detroit, Michigan July 22, 2013. For nearly six decades Detroit's story has been one of relentless erosion of its once mighty manufacturing base, but even as the Motor City faces a long bankruptcy a clutch of small producers has moved in to rekindle the "Made in Detroit" brand. The largest of the city's small newcomers is a watch maker called Shinola, a Depression-era brand name purchased in 2011 when the company set up shop. Dallas-based Bedrock Manufacturing, a venture capital firm backed by Tom Kartsotis, founder of accessory firm Fossil Inc., decided to take advantage of Detroit's underutilized workforce and resonant Made-in-America mystique. Photo taken July 22, 2013. To match Feature USA-DETROIT/MANUFACTURING REUTERS/Rebecca Cook (UNITED STATES - Tags: BUSINESS EMPLOYMENT SPORT CYCLING LOGO)
Detroit gibt es jetzt auch als Jeans. "Man fragt mich manchmal: Wurde das wirklich hier hergestellt? Und das ist normal, denn fast keine Kleidungsstücke werden mehr in den USA produziert", sagt Eric Yelsma, der Gründer des Labels Detroit Denim. Als Yelsma seinen Job in der Chemieindustrie verlor, stürzte er sich vor drei Jahren in ein neues Abenteuer – Jeans herzustellen. "Ich trage sehr gern Jeans, es ist aber schwer, das perfekte Paar zu finden" erzählt Yelsma. Er beschloss, die "perfekten" Jeans eben selbst zu machen, und da er aus der Gegend um Detroit stammt, lag es nahe, die neue Jeansfabrik in der alten Autostadt anzusiedeln. "Ich habe drei Vollzeitmitarbeiter, – einer davon bin ich – und drei Teilzeitarbeiter", sagt er.

Aufpreis

Nach der Pleite: Detroit auf dem Zifferblatt
Eric Yelsma, founder of Detroit Denim Co., holds some of his handmade jeans he produces in his rented space in the Ponyride building in Detroit, Michigan July 18, 2013. For nearly six decades Detroit's story has been one of relentless erosion of its once mighty manufacturing base, but even as the Motor City faces a long bankruptcy a clutch of small producers has moved in to rekindle the "Made in Detroit" brand. "Our customers come from all walks of life and are looking for a little bit of soul and something that is authentically Detroit," said Eric Yelsma, founder of Detroit Denim Co., which produces hand-made jeans. Yelsma wants to expand Detroit Denim's four-person payroll, but few Americans know how to make jeans anymore. "We can't make them fast enough." To match Feature USA-DETROIT/MANUFACTURING Photo taken July 18, 2013.REUTERS Rebecca Cook (UNITED STATES - Tags: BUSINESS)
Die Materialien kommen ausschließlich aus den USA – der Baumwollstoff aus North Carolina, die Knöpfe aus Georgia und das Leder aus Chicago oder Ohio. Zurzeit bietet Detroit Denim nur Herrenhosen an, die man im eigenen Detroiter Laden oder über Internet erhält – um den stolzen Preis von 250 Dollar. Was die Kunden aber nicht störe: "Es ist wirklich eine gute Erfahrung für die Kunden, wenn sie wissen, wer ihre Kleidung produziert", meint Yelsma.

Das bestätigen auch Fachleute. Laut einer Umfrage der US-Beratungsfirma Boston Consulting Group seien 80 Prozent der Amerikaner bereit, einen Aufpreis für "Made in the USA" zu zahlen.

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