Musk räumt auf
Für viele ist er mittlerweile ein Feindbild geworden, das personifierte Böse des ungezügelten Neoliberalismus. Die Rede ist von Elon Musk, ein Selfmade-Milliardär und Grenzgänger. Jüngstes Beispiel seines Tuns: Der Kauf von Twitter. Freund und Feind hat er irritiert, indem er zunächst kaufen und dann doch nicht kaufen wollte, um es zuletzt doch zu tun. Dass hinter seinem erratischen Handeln bei dem Deal ein toller Masterplan steht, ist eher zu bezweifeln. Schon in der Vergangenheit war Musk unberechenbar, so wie seine eigenen Tweets. Und doch sind seine ersten Handlungen als neuer Twitter-Chef großteils nachvollziehbar.
Der Konzern schrieb seit seiner Gründung 2006 nur zwei Jahre Gewinne, in den vergangenen beiden Jahren gab es operativ wieder teils hohe Verluste. Musk muss also tiefgreifende Reformen setzen, um das Schiff wieder auf Vordermann zu bringen. Dazu gehört eben auch der Abbau von Personal. Rund 3.700 Mitarbeiter - die Hälfte der Belegschaft - müssen über Nacht gehen. Gekündigt via eMail. Klar, das sind Umgangsformen, die in Europa undenkbar wären. Doch die Erregung ist eine europäische, in den USA sind solche rauen Sitten gang und gebe, wenn auch vielleicht nicht im Silicon Valley mit seiner bemühten Wohlfühl-Atmosphäre.
Doch zum Wohlfühlen ist keine Zeit mehr bei Twitter. Das hat auch der frühere Chef Jack Dorsey erkannt und sich bei den Mitarbeitern entschuldigt. "Mir ist klar, dass viele sauer auf mich sind", schrieb Dorsey am Samstag auf Twitter. Er sei dafür verantwortlich, dass die Twitter-Angestellten sich jetzt in dieser Lage befänden: "Ich habe das Unternehmen zu schnell wachsen lassen. Dafür entschuldige ich mich." Musk gab er hingegen keine Schuld an den Kündigungen. Das sagt schon vieles.
Um die Mitarbeiter muss man sich auch keine großen Sorgen machen. Sie sind gut ausgebildet und jung. Obendrein hat die Arbeitslosigkeit in den Staaten ein Rekordtief erreicht. Sie werden sich ihren neuen Arbeitgeber aussuchen können.
Musk möchte die Plattform breiter aufstellen (auch ein tiefgehender Relaunch würde ihr gut tun). Mit rund 440 Millionen Mitgliedern ist sie weitaus kleiner als die Rivalen Facebook oder Instagram. Es ist von Musk völlig richtig, neue Zielgruppen anzusprechen. Nur so kann Wachstum möglich sein. Und infolge auch neue Jobs.
Die bisherigen Nutzer - viele aus dem linken Spektrum - fürchten um ihre politische Deutungshoheit auf der Plattform und üben heftige Kritik an Musks Plänen. Doch inwiefern schadet es einem Nachrichtendienst, auch vermehrt anderen Meinungen Raum zu geben (Hasssprache ausgenommen)? Wenn dies aufgeht (und die Aufregung sich legt), werden auch nun verschreckte Werbekunden rasch wieder zurückfinden.
Die Sorge, dass die Twitter-Meinungsblase am Platzen ist, scheint bei bisherigen Nutzern aber in der Tat groß zu sein. Viele wechseln bereits zur Plattform Mastodon. Woran zu sehen ist, dass es schon bisher kein Meinungsmonopol gab und auch künftig nicht. Trotz Musk.
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