In diese Lücke will Gössl stoßen. Vor 20 Jahren begann das Unternehmen mit eigenen Shops, mittlerweile sind sie neben Österreich auch in Bayern, Südtirol und der Schweiz zu finden. Gössl versteht sich als Premiummarke, wobei Billiganbieter nicht als Konkurrenz gesehen werden, sondern als Einstieg potenzieller Käufer in das Trachtensegment.
KURIER: Wo gibt es Mode aus Ihrer Kollektion zu kaufen?
Max Gössl: Früher wurden 100 Prozent des Umsatzes mit Einzelhändlern gemacht, jetzt sind es mehr als 80 Prozent mit eigenen Geschäften. Wir haben noch einige weiße Flecken, es zahlt sich aber nicht aus, überall zu sein. Da setzen wir alternativ auf Vertriebspartner. Neue Shops gibt es etwa in Altenmarkt, in Obertauern und in Bayern. Zum Teil setzen wir auch auf Shops in Hotels, die laufen sehr gut. Wegen des zunehmenden Onlinehandels werden auch immer mehr Flächen frei und die Mieten geraten unter Druck. Wobei uns viele Vermieter in der Krise mit Stundungen und Nachlässen geholfen haben.
Wie viele Shops gibt es inzwischen?
Knapp 40. Drei Viertel davon werden von uns geführt, der Rest von Franchisenehmern. Wobei es vor Corona nur zwei Drittel waren, aber wir mussten einige Partner auffangen. Wir suchen aber weiterhin Franchisenehmer.Brauchen Sie auch neue Mitarbeiter?
Ja, laufend. Die Pandemie hat etwas ausgelöst in den Köpfen. Langjährige Partner wollen etwas anderes machen, viele Mitarbeiter sich beruflich verändern. Vor allem Frauen haben sich aus dem Arbeitsmarkt zurückgezogen, weil ihre Kinder nicht in Schule oder Kindergarten gegangen sind. Und viele wollen weniger arbeiten, daher bieten wir vermehrt Teilzeit an. Es gibt auch einen Fachkräftemangel, aber wir tun uns mit Ausbilden schwer, weil unsere Geschäfte zu klein dafür sind. Mitarbeiter zu finden, ist derzeit unser größtes Problem.
Mangels Mitarbeitern im Inland lassen Sie ja schon seit vielen Jahren in Ungarn nähen. Wie ist die Situation dort?
Auch dort gab es bereits vor Corona personelle Engpässe, aber durch die Pandemie hat sich die Lage entspannt, mangels Aufträgen gab es auch Kurzarbeit. Bei anderen Auftraggebern sind zudem die Läger voll. Wir haben daher nur unwesentliche Einschränkungen unseres Sortiments.
Was bedeutet das für die Preise Ihrer Produkte?
Nichts, denn unsere Produkte sind zeitlos, nicht zuletzt wegen unseres Baukastensystems. Einen Abverkauf gibt es bei uns nicht. Dazu sind wir viel zu verliebt in unsere Modelle.
Wie groß ist Ihr Sortiment?
Wir haben im Jahr 200 bis 250 neue Entwürfe oder Updates. Man darf dabei keine Scheu haben, manchmal dabei auch Fehler zu machen. Ohne Fehler herrscht Stillstand.
Gäbe es nicht infolge der Lockdowns Grund dazu, um Platz für neue Kollektionen zu schaffen?
Der Einzelhandel war durch die Schließungen enorm betroffen. Tracht ist zum großen Teil Anlasskleidung. Ohne Anlässe wie Taufen, Hochzeiten oder Geburtstage braucht man auch keine entsprechende Kleidung. Wir waren somit auch diesbezüglich ein Kollateralschaden, da die Geschäfte ja dann schon wieder offen hatten. Im Gegensatz zu Mitbewerbern ist die Abhängigkeit von Volksfesten bei uns geringer. Unsere Kunden tragen Tracht auch im Alltag. Wir haben in beiden Pandemie-Sommern gute Umsätze gemacht und etwas wettmachen können, was uns in der übrigen Zeit in den Städten mangels Touristen gefehlt hat.
Gössl hatte ja lange Zeit keinen wirklichen Onlineshop, mittlerweile schon. Wie gut wird er angenommen?
Sie finden dort unsere gesamte Kollektion, das war viel Arbeit, denn es musste alles nur dafür fotografiert werden. Viele Menschen wollen sich im Internet informieren, aber dann im Shop kaufen. Wir haben in der Krise aber auch das Private Shopping forciert. Hier wird für einzelne Kunden abseits der normalen Öffnungszeit geöffnet und unsere Mitarbeiter kümmern sich ausschließlich ohne Aufpreis um diesen einen Kunden oder eine Gruppe. In der Pandemie war das für ängstliche Menschen optimal, jetzt wird es vor allem für Berufstätige genutzt. Für Touristen kommen wir auch ins Hotel.
Wie sind Ihre weiteren Umsatzerwartungen?
Die Umsatzeinbrüche waren heftig, aber nicht so hart wie bei anderen in der Branche. Zu Beginn 2020 waren wir gerade richtig gut in Schwung. Nach dem ersten Lockdown waren wir im Juli 2020 schon fast wieder auf dem Niveau von 2019. Die Absage von Bällen wie der Jägerball trifft uns natürlich, aber schon nächstes Jahr werden wir wieder den Umsatz von 2019 erzielen.
Aber noch immer gibt es viele Reisebeschränkungen, potenzielle internationale Kunden können nicht nach Österreich reisen ...
Wir sind nicht abhängig von diesen Kunden, die Mehrzahl unserer Kunden kam schon vor der Pandemie aus dem deutschsprachigen Raum. Am ehesten fehlen Russen. Teilweise schicken wir die Bestellungen in ihre Heimat. Aber Fachberatung wird gerne vor Ort in Anspruch genommen. Die Käufer wollen, dass die Teile perfekt sitzen. Wir ändern sehr viel, aber das ist ohne Anprobe nicht so einfach.
Wie sehr hat Sie die Krise persönlich betroffen?
Natürlich hatte ich auch Existenzängste, schließlich lebt die ganze Familie von dem Business. Die Krise hat anfangs viele Ressourcen gefressen, wir mussten aber keine Kündigungen aussprechen, nur natürliche Abgänge wurden nicht nachbesetzt. Die staatlichen Hilfen waren zwar prinzipiell gut, brauchten aber sehr lange, bis sie ankamen. Die Buchhaltung ist noch immer mehr mit den Förderungen als dem Controlling beschäftigt.
Haben Sie Lehren aus der Situation gezogen?
Sie war lehrreich und spannend. Ich denke viel flexibler und stelle auch mehr infrage, vor allem alte Strukturen. Liebgewonnenes, aber überflüssiges, wollen wir nicht mehr machen. Es geht ans Ausmisten.
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