Minister Stöger trauert staatlicher Voest nach

Der Oberösterreicher Alois Stöger ist seit September 2014 Minister für Verkehr, Innovation und Technologie. Er ist einer der längstdienenden Minister der Regierung, davor kümmerte er sich um die Gesundheitsagenden.
Alois Stöger ist eindeutig kein Freund von Privatisierung und erklärt, was ihn an TTIP stört.

KURIER: Wie lange braucht’s, bis man – nach den Gesundheitsagenden – im Ministerium für Infrastruktur "angekommen" ist?

Alois Stöger: Ich habe es gut getroffen, weil ich gleich in den ersten 100 Tagen drei große Bahnhöfe eröffnen durfte. Der Wechsel war nicht so schwer, weil auch die Gesundheit ein Infrastrukturthema ist. Und bei Innovation und Technologie bin ich zu meinen Wurzeln zurückgekehrt. Ich komme aus der Industrie.

Sie haben in der Voest Maschinenschlosser gelernt. Tun Ihnen die Abwanderungsbewegung der Voest, aber auch anderer Firmen wie Henkel oder Baxter weh?

Ja, das ist ein Riesenproblem, war aber leider politisch gewollt. Der Voest-Verkauf ist ein Schaden für die Republik.

Die verstaatlichte Voest war aber auch ein Schaden für die Republik.

Nein. Ich hätte gerne die Dividende der Voest für eine Steuerreform.

Minister Stöger trauert staatlicher Voest nach
Stöger im KURIER-Gespräch: Österreich nicht krankjammern
Die Dividende gibt es ja erst seit der Privatisierung.

Das war nicht so.

Staatliche Firmen in Österreich waren selten Erfolgsgeschichten, siehe Hypo Alpe-Adria.

Die Unternehmen, die wir führen, sind gute Firmen, die jetzt auch positive Beiträge liefern, etwa die ÖBB.

Sie behaupten doch nicht ernsthaft, dass die ÖBB schwarze Zahlen schreiben?

Doch, freilich! Sehen Sie sich die Bilanz an, sie ist veröffentlicht und von Wirtschaftsprüfern bestätigt.

Da wird aber alles rausgerechnet, etwa die Pensionslast.

Sie verwechseln Unternehmensbilanz mit Pensionszahlungen, das ist in jedem Unternehmen so. Das Jahresergebnis der ÖBB ist positiv. Das, was der Staat an Verkehrsleistung und Infrastruktur kauft, kann man nicht als Verlust beschreiben. Da geht es um Dienstleistung und Daseinsvorsorge.

Hat nicht das Hineinrechnen der ÖBB gerade unsere Staatsschuld erhöht?

Den Investitionen stehen reale Werte über Generationen gegenüber.

Ist es in Ordnung, dass die ÖBB versucht, den Konkurrenten Westbahn mit Kampfpreisen aus dem Markt zu drängen?

In die Preisgestaltung mische ich mich nicht ein. Die wahre Konkurrenz sind Auto und Lkw. Man fährt mit den ÖBB mittlerweile in 2 Stunden, 22 Minuten von Salzburg nach Wien. Österreich ist in der EU jetzt Bahnfahrerland Nummer eins geworden.

Wann wird man auch so schnell von Wien nach Graz kommen?

In ungefähr zehn Jahren.

Was halten Sie von ÖBB-Chef Kern? Kann er Politik?

Er führt das Unternehmen sehr gut, und ich bin sehr froh, dass er mir gesagt hat, das gerne weiter tun zu wollen. Ich werde sicher nichts sagen, nur damit einige Medien eine Gaudi haben.

Sind Sie froh, dass Österreich nicht mehr Telekom-Eigentümer ist?

Minister Stöger trauert staatlicher Voest nach
Interview mit dem Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Alois Stöger in seinem Büro am 22.12.2014.
Ganz im Gegenteil.

Aber jetzt müssten wir den Verlust schlucken.

Die Telekom ist eine Infrastruktur, die die Österreicher finanziert haben. Sie wurde aus Unfähigkeit der ÖIAG hergegeben. Die Zukunft des Standortes hängt auch davon ab, ob wir in der Lage sind, den Datentransport zu organisieren.

Zurück zur Firmen-Abwanderung. Was tun Sie als Infrastrukturminister dagegen?

Entscheidend ist, in der Technologiepolitik ganz vorne dabei zu sein, und das sind wir. Etwa bei Eisenbahninfrastruktur, und Maschinenbauindustrie. Wir sind außerdem eine Weltraumnation. Und in der Tunnelsicherheit sind wir sogar Weltmarktführer. Wir brauchen eine Industriepolitik, die dafür sorgt, dass Produktion wieder in Österreich stattfindet.

Haben wir denn die Fachkräfte dafür?

Die haben wir. Die Technischen Universitäten, die HTLs und die technische Lehrlingsausbildung sind vorbildlich, obwohl man die Rolle der dualen Ausbildung sicher stärken muss.

Aber gibt’s nicht insgesamt eine Industrie- und Technikfeindlichkeit? Auch die SPÖ spricht ja gerne von ausbeuterischen Konzernen.

Nein, im Gegenteil. Die Sozialdemokratie hat den Industriestandort immer gestärkt. Bruno Kreisky hat sich bemüht, dass BMW mit der Motorenproduktion nach Österreich kommt. Wir wollen auch bei Industrie 4.0 vorne dabei sein. Noch in diesem Halbjahr werden wir die erste Pilotfabrik mit der Technischen Universität Wien umsetzen. Da geht es darum, das "Internet der Dinge" (digital unterstützte Fertigung: eine Schraube "weiß", wo sie hingehört) – in praktikable Verfahren umzusetzen.

Die Technikfeindlichkeit halten Sie nicht für ein Problem?

Es schadet nicht, einen kritischen Umgang mit der Machbarkeit der Welt zu haben. Dass Österreich bei erneuerbarer Energie so gut ist, hat auch damit zu tun, dass wir die Atomindustrie kritisch hinterfragt haben.

Studieren nicht zu viele Publizistik und zu wenige Technik?

Ich will das eine nicht gegen das andere aufrechnen. Man muss die Akademikerquote insgesamt erhöhen.

Wie stehen Sie zum Freihandelsabkommen mit den USA?

Entscheidend ist, dass der Rechtsstaat Rechtsstaat bleibt. Sondergerichte kann es nicht geben.

Es gibt doch weltweit schon jetzt viele Schiedsgerichte.

Aber es kann nicht sein, dass Unternehmen aus Investitionsschutz Regeln, die demokratisch legitimiert sind, aushebeln.

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