Arm trotz Arbeit: Wenn sich die Arbeit kaum lohnt

Arm trotz Arbeit: Wenn sich die Arbeit kaum lohnt
Strenge Zuverdienstgrenzen erschweren die Jobintegration von Geringqualifizierten, warnen Ökonomen.

Wer arbeitet, sollte auch etwas davon haben. Anders als bei Arbeitslosengeld und Notstandshilfe, wo geringfügig (438 Euro) dazuverdient werden kann, sind die Verdienstmöglichkeiten bei der Bedarfsorientierten Mindestsicherung (BMS) aber beschränkt. Laut Gesetz dürfen BMS-Bezieher nur maximal 140 Euro im Monat dazuverdienen. Jeder Euro, der darüber liegt, wird von der Mindestsicherung abgezogen. Dieser Freibetrag sei viel zu niedrig angesetzt und behindere die Jobintegration von Geringqualifizierten, meint der deutsche Ökonom Ronnie von der Freien Universität Berlin. Schöb analysierte im Auftrag des Wirtschaftspolitischen Zentrums (WPZ) St. Gallen Mindestsicherung und Arbeitsmarktpolitik in Österreich und Deutschland.

Sein Fazit: Zuverdienstmöglichkeiten zur Sozialleistung erhöhen nicht nur die Chancen vieler Langzeitarbeitslosen, im Arbeitsmarkt wieder Fuß zu fassen, sondern steigern auch deren Lebenszufriedenheit. „Es geht darum, dass man einen fließenden Übergang zwischen Mindestsicherung und Erwerbsarbeit schafft“, erläutert dem KURIER. Dafür müsse aber der finanzielle Anreiz, eine Arbeit aufzunehmen, verbessert werden.

Der Ökonom verweist auf das deutsche Hartz-IV-System, wo es zum Arbeitslosengeld II (Pendant zur BMS) höhere Zuverdienstmöglichkeiten gibt. 1,2 Millionen Bezieher würden inzwischen dazuverdienen, häufig mit Minijobs. Das Problem dort: Wer mehr arbeitet und verdient, erhält mitunter nicht mehr Geld, sondern wegen Kürzung von Wohngeld etc. netto sogar weniger. Mehrarbeit zahlt sich also oft nur mit einem Riesensprung beim Zuverdienst aus, was Geringqualifizierten im Niedriglohnsektor aber kaum gelingt. „Arm trotz Arbeit“ ist der bittere Beigeschmack von Hartz-IV.

Arm trotz Arbeit: Wenn sich die Arbeit kaum lohnt

Demonstration von Hartz-IV-Kritikern in Deutschland

Bessere Abstimmung

Experten vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) empfehlen daher, Steuern, Sozialabgaben und Sozialleistungen so aufeinander abzustimmen, dass sich zusätzliche Erwerbsarbeit in jedem Fall lohnt. „Das wird ein ganzes heißes Thema in Deutschland“, sagt Schöb. Zwar würden Geringverdiener keine Lohnsteuer zahlen, die Sozialabgaben schlugen aber voll zu.

Um Langzeitarbeitslose wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren, müsste der Staat einen Teil der Sozialabgaben übernehmen. Und zwar nicht nur für ein paar Monate, wie jetzt schon in Form der so genannten „Eingliederungsbeihilfe“, sondern dauerhaft. Einen solchen Zuschuss gibt es etwa in Frankreich, wo der Staat teilweise die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung übernimmt. „Wir müssen es für Unternehmen günstiger machen, Arbeitnehmer einzustellen und zugleich die Nettolöhne so hoch gestalten, dass die Menschen von dieser Arbeit allein auch leben können“, fasst Schöb zusammen. Wenn es nicht gelinge, auch Geringqualifizierte in Erwerbsarbeit zu bringen, seien diese dauerhaft auf Sozialleistungen angewiesen.

Einige Bundesländer haben das Problem fehlender Arbeitsanreize bei der Mindestsicherung inzwischen erkannt. In Niederösterreich darf mit dem „Wiedereinsteigerbonus“ bis zu einem Drittel des monatlichen Nettoeinkommens dazuverdient werden, so lange 1208 Euro (Alleinverdiener) nicht überschritten werden. In Wien wird seit heuer ein kleiner Bonus gewährt. Die Regierung will bekanntlich österreichweit einheitliche Regeln durchsetzen.

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