Viel Kritik am weltweit größten Airline-Bonusprogramm, Kunden können ihre Meilen kaum abfliegen, AUA kündigt jetzt an, die Zahl der Meilensitze zu erhöhen
Seit drei Jahren versucht der Unternehmer Hans P. Flugmeilen für Wien-Bangkok bei der AUA in der Business-Class im Winter einzulösen. Keine Chance, beschieden ihm jedes Mal die Mitarbeiter im Call-Center von Miles & More. Auch wenn es der Vielflieger ein halbes bis ein dreiviertel Jahr vorher versuchte. Erst als er heuer mit einem Jahr Vorlaufzeit buchte, schaffte er es. Zwar mit Umsteigen, mehrmaligen Hin- und Herbuchungen, Mehrkosten und nicht zum gewünschten Termin, „aber ich werde endlich einen Teil meiner Flugmeilen los und muss nicht wieder 4000 bis 5000 Euro für ein Ticket hinlegen“.
Der Wiener Geschäftsmann ist in guter Gesellschaft. Der Frust unter den Meilensammlern ist enorm, das Internet voll von Beschwerden. Der Hauptvorwurf:
Die Konditionen werden permanent verschlechtert, es ist kaum möglich, die mühselig gesammelten Meilen für einen Prämienflug einzusetzen, für den ohnehin noch zusätzliche Gebühren anfallen, oder für Upgrades in komfortablere Sitzklassen.
Man müsse unterscheiden zwischen Status- und Prämienmeilen, erklärt der internationale Luftfahrt-Experte Gerald Wissel, Gründer von Airborne Consulting. Erstere seien hoch begehrt bei Vielfliegern, für die Aufbesserung ihres Status (etwa zum Senator) samt Privilegien gegenüber dem Normalpassagier.
Das Problem sind die Prämienmeilen. „Die Kapazitäten sind noch wesentlich knapper als vor Corona, die Kunden haben kaum die Möglichkeit, ihre Prämienmeilen für Freiflüge oder Upgrades einzulösen. Das ist nicht gänzlich unmöglich, aber sehr, sehr schwierig“, beobachtet Wissel.
36,6 Millionen Kunden
Miles & More ist das Kundenbindungsprogramm der Lufthansa-Gruppe und umfasst auch die Fluglinien der Star Alliance. Mit 36,6 Millionen Mitgliedern ist das Bonussystem weltweit die Nummer eins. 200 Firmenpartner sind derzeit an Bord und können ihre Leistungen anbieten, vom Autovermieter bis zu Hotels, Händlern und Kreditkarten-Gesellschaften.
„Unsere Teilnehmenden setzen ihre Meilenguthaben gern für Flugprämien und Upgrades ein“, teilt die Miles & More GmbH mit, eine Tochter der Lufthansa. No na, dafür sammeln die Kunden ja schließlich.
Aber warum gibt es kaum verfügbare Flugsessel? Das Angebot zu beliebten Zielen in Saison- und Ferienzeiten mit hoher Nachfrage könne schnell vergeben sein. Auf die Zahl der bereitgestellten Sitzplätze habe man keinen Einfluss, das sei Sache der Airlines, Miles & More agiere nur als Vermittler.
Die Verfügbarkeit richtet sich nach der jeweils aktuellen Flugnachfrage, bestätigt die AUA. Ist die Nachfrage hoch, sinkt die Verfügbarkeit von Meilentickets im Verhältnis zum Gesamtangebot und umgekehrt. Zwischen Miles & More ist ein fester Preis pro Flugmeile vereinbart. Wie viele Meilen pro Flug im Schnitt angeboten werden, wird bei allen Airlines gehütet wie ein Staatsgeheimnis.
Besserung in Sicht
Man habe das Feedback über die letzten Monate sehr ernst genommen und habe „gezielt an Maßnahmen gearbeitet, um die Verfügbarkeit zu erhöhen“, sagt AUA-Vorstand Michael Trestl (COO) gegenüber dem KURIER. Durch Kapazitätsausweitungen im Streckennetz und zielgerichtete Steuerungsmaßnahmen. Auf dieser Basis „gehen wir aktuell davon aus, dass wir im kommenden Winterflugplan ab Oktober etwa 15 bis 20 Prozent mehr Fluggäste mit ihren Meilen an ihre Wunschdestinationen fliegen als im Vergleichszeitraum des Vorjahres“, kündigt Trestl an.
Kunden bemängeln auch die sehr unterschiedliche fachliche Kompetenz im Call-Center. Miles & More verspricht Abhilfe. In den letzten Monaten habe man Ressourcen und Kapazität des Service-Teams bereits erhöht, um „Verfügbarkeit und Reaktionsfähigkeit zu verbessern“ und arbeite kontinuierlich am Qualitätsmanagement“.
Gutes Geschäft
„Flugmeilen rechnen sich für jede Airline. Auch für die Lufthansa“, meint Wissel. Die Kunden würden weniger zu anderen Airlines abwandern, „Vielflieger sind eine attraktive Klientel“.
Miles & More flog seit 2021 in Summe 142 Millionen Euro Gewinn ein. Die Partner-Unternehmen müssen für ihre Teilnahme am Bonusprogramm stattliche Gebühren zahlen.
Besonders beliebt bei den Kunden sind die Meilen-Kreditkarten, die in Österreich von Card Complete angeboten werden. Gegen einen Aufschlag auf die Kartengebühr werden für jeden Umsatz Meilen verrechnet, die Verfallsfrist ist deutlich länger. Der Kreditkartenanbieter muss dafür einige Millionen Euro an Miles & More überweisen. Card Complete wollte dazu keinen Kommentar abgeben.
In Deutschland entbrannte im Vorjahr unter den Banken ein heftiger Wettbewerb um die Miles-&-More-Kreditkarte der Lufthansa, das Rennen gewann die Deutsche Bank. Meilen-Kunden sind spendabler. Während andere Kreditkarten einen Monatsumsatz von rund 300 Euro machen, schätzen Branchenexperten die Meilen-Karten auf 1500 bis 3000 Euro.
Überteuerte Angebote
Wer nicht abfliegen kann, der darf sein Guthaben für Produkte einlösen. Der Worldshop ist allerdings für die Kunden meist ein schlechtes Geschäft. Das Angebot ist enorm – Urlaubsnächte, Schmuck, Kosmetika, Gepäck, Haushaltsgeräte, Elektronik etc. Zahlbar mit Meilen oder Geld. Oft sind die Produkte überteuert und im Einzelhandel wesentlich günstiger.
Zum Beispiel: Das TV-Gerät Samsung Crystal UHD, im Worldshop um 620.000 Meilen oder 2100 Euro angeboten, ist bei Amazon um 1522 Euro erhältlich. Oder man fliegt rund um die Welt – mit 335.000 Meilen in der Business-Class und 500.000 als First-Class-Passagier.
Oder der Kaffeevollautomat Philips Series, 449 Euro bzw. 124.000 Meilen im Worldshop. 399 Euro bei Amazon, mit 142.000 Meilen sitzt man in der Business-Class von Wien nach Bangkok - soferne man ein Ticket ergattert.
Man orientiere sich an den unverbindlichen Preisempfehlungen der Hersteller und passe online auch kontinuierlich an die Marktentwicklung an, heißt es von Miles & More dazu. Besonders beliebt seien bei Aviation-Fans Limited Editions und exklusive Branded Items der Airlines.
Besteuerung
Wäre noch die steuerliche Frage. Seit einem Höchsturteil vor etlichen Jahren hat der Fiskus die Hand auch auf den Meilen. Sammelt ein Mitarbeiter auf einer Dienstreise Meilen und fliegt sie privat ab, ist der Ticket-Wert bei der Arbeitnehmer-Veranlagung zu versteuern (abzüglich 730 Euro). Damit’s noch bürokratischer wird, muss der Arbeitgeber dafür Sozialversicherung bezahlen.
„Die meisten Unternehmen sagen ihren Mitarbeitern, dass sie die Meilen nicht mehr privat abfliegen dürfen, sondern nur noch beruflich einsetzen“, beobachtet Yasmin Wagner, Steuer-Expertin bei TPA. Kontrolliert wird freilich kaum.
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