Mietzins: Zurück in die Zukunft

Mietzins: Zurück in die Zukunft
Immobilienwirtschaft kritisiert das Zuschlagsverbot für guten Lagen bei bestimmten Gründerzeit-Wohnungen als absurd.

Die Monarchie lässt grüßen. Das österreichische Mietrecht untersagt Vermietern, für Wohnungen in "Gründerzeitvierteln" einen Zuschlag für die gute Lage auf den Richtwert-Mietzins zu verlangen. Unter Gründerzeitvierteln versteht der Gesetzgeber Bauten, die zwischen 1870 und 1917 errichtet wurden. Diese Häuser waren ursprünglich schlecht ausgestattet. Die Toiletten und das Wasserbecken befanden sich in der Regel auf dem Gang.

Auch wenn diese Häuser heute modernisiert sind, ändert das nichts am Zuschlagsverbot. Erst kürzlich hat der Verfassungsgerichtshof die Beschränkung einzementiert. Das führt zu absurden Beispielen. Die Wiener Blechturmgasse zieht die Grenze zwischen dem vierten und dem fünften Bezirk. Für die Wohnungen auf der linken Straßenseite, also im vierten Bezirk, darf ein Lagezuschlag verrechnet werden, auf der rechten Seite der Gasse, also im fünften Bezirk, nicht.

Mietzins: Zurück in die Zukunft
"Die zuständige Magistratsabteilung hat vor Jahren festgelegt, dass es im vierten Bezirk keine Gründerzeitviertel mit schlechter Ausstattung gibt, im fünften Bezirk aber schon", klagt Anton Holzapfel, Geschäftsführer des Österreichischen Verbandes der Immobilienwirtschaft (ÖVI). "Was wir kritisieren, ist, dass der Gesetzgeber die Mietzinsbeschränkung auf den Ausstattungszustand der Wohnungen zur Zeit der Monarchie und nicht auf die heutige Ausstattung bezieht. Die Mietzinsbeschränkung hängt nämlich vom Datum der Baubewilligung des Hauses ab." Nachsatz: "Die Blechturmgasse zeigt, dass das System nicht passt und auch nicht gerecht ist."

Schildbürgerstreich

Betroffen von dieser Beschränkung sind zahlreiche Wohnungsviertel in diversen Wiener Bezirken. In Wien gibt es rund 141.000 Richtwert-Mietverträge, aber nicht alle betreffen tatsächlich Gründerzeitviertel.

Mietzins: Zurück in die Zukunft
Dr. Wolfgang Louzek, Präsident des Verbandes der institutionellen Immobilieninvestoren (VII) Foto: Richard Tanzer, honorarfrei
"Gründerzeitviertel heute noch als notwendig zu erachten, zeigt, woran es in Österreich krankt", sagt Wolfgang Louzek vom Verband der institutionellen Immobilieninvestoren (VII). "Wenn auf der einen Straßenhälfte eine Wohnung mit Lagezuschlag vermietet werden kann und auf der anderen Straßenseite nicht, dann ist das ein Schildbürgerstreich." Es kommt noch besser. "Würde man das eine oder andere Gründerzeithaus abreißen und neue Wohnbauten errichten, dann darf man unter Umständen im Viertel den Lagezuschlag verrechnen", sagt Louzek. "Es verwundert auch nicht, dass Hausbesitzer heute lieber die Wohnungen verkaufen anstatt sie zu vermieten." Nachsatz: "Die Jungen zahlen dafür die Rechnung."

Politischer Zankapfel

Indes kritisiert Immobilien-Experte Christoph Kothbauer, dass der Richtwertzins für Altbauwohnungen in Wien um mehr als zwei Euro pro Quadratmeter niedriger sei als in Graz, aber die Miete zum Marktpreis um drei Euro teurer. Diese Abweichung lässt sich weder rechtlich noch ökonomisch erklären. Kothbauer: "Der Richtwert-Mietzins hat sich damit als ideologisch aufgeheizter und tagespolitischer Zankapfel etabliert."

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