Mieten treiben Preise in die Höhe

Mieten treiben Preise in die Höhe
Ökonom Bruckbauer: Steigende Einwohnerzahlen und rückläufiger Wohnbau lassen die Mieten explodieren.

Hartnäckig wie Unkraut, das sich immer wieder ausbreitet, erweist sich in Österreich die Teuerungsrate. In Deutschland ist die Inflation mittlerweile auf 1,2 Prozent zurückgegangen. In Österreich dagegen, wo die Konjunkturentwicklung ähnlich schwach wie in Deutschland läuft und der Privatkonsum nur mager wächst, machte die Teuerung im März noch immer hohe 2,3 Prozent aus (die Werte für April sind noch nicht veröffentlicht). Stefan Bruckbauer, Chefökonom der Bank Austria, erklärt im Interview, was die Teuerung besonders antreibt, warum Mieten so viel stärker stiegen als in Deutschland und was Österreich tun sollte.

KURIER: Viele klagen, dass die Wohnungsmieten so stark gestiegen sind und Wohnen fast nicht mehr leistbar ist. Trügt das Gefühl?

Stefan Bruckbauer: Die Mieten in Deutschland sind zwar noch immer höher als in Österreich, aber wir haben stark aufgeholt. Seit Anfang 2009 sind die Mieten in Österreich um rund zwanzig Prozent gestiegen, in Deutschland nur um fünf Prozent.

Wo sehen Sie die Gründe für diese eklatante Teuerung?

Zum Teil ist es der Verbraucherpreisindex selbst, weil viele Mieten an diesen gebunden sind. Zum Teil sind die höheren Mieten auch mit Qualitätsverbesserungen zu erklären. Der Nachfrageeffekt ist aber sicher der größte.

Wohnraum wird stärker nachgefragt als früher?

Ja, weil wir mehr geworden sind. In den vergangenen zehn Jahren hatten wir in Österreich ein Bevölkerungsplus von fünf Prozent, die Bevölkerung in Deutschland ist um 0,5 Prozent geschrumpft. Zum Teil sind die Deutschen auch nach Österreich gezogen. Warum ziehen Leute nach Österreich? Weil’s günstiger ist, hier zu leben. Mit dieser Entwicklung hat der heimische Wohnbau nicht Schritt gehalten.

Mehr Wohnbau ist also nicht nur ein Wahlkampfthema ...

Wir müssen im Wohnbau dem Bevölkerungswachstum nachziehen. Und weil es länger braucht, bis die Wohnungen fertig sind, muss man sofort damit anfangen. Wann, wenn nicht jetzt, schließlich sind die Kreditzinsen so tief wie nie. Gibt es mehr Angebot an Wohnraum, werden auch die Mieten nicht so stark steigen.

Mieten treiben Preise in die Höhe
Das heißt, dass jetzt ein viel höherer Anteil des Einkommens für Mieten draufgeht als früher?

Ja, weil bei vielen die Realeinkommen, also die Einkommen abzüglich der Inflation, in den vergangenen zehn Jahren nicht gestiegen sind. Viele hatten in den vergangenen Jahren real sogar Einkommensverluste. Und die schwache Konjunktur lässt keine höheren Realeinkommen zu.

Sollten Großvermieter wie beispielsweise Gemeinden als Signal darauf verzichten, die Mieten zu erhöhen?

Davon halte ich gar nichts. Damit würde sich nur die Wohnqualität verschlechtern, weil Geld für Sanierungen fehlt. Wir haben ja die Förderung auf Subjektebene und damit Hilfe für jene, die mit den Mieten nicht mehr zurechtkommen.

Verdienen sich die Vermieter jetzt eine goldene Nase?

Anders als in Deutschland gibt es in Österreich doch einen spürbaren Anteil an befristeten Mietverträgen. Da ergibt sich für Vermieter in Österreich öfter ein Spielraum für Erhöhungen.

Die Mieten sind aber nicht allein schuld an der hartnäckigen Inflation. Wo sehen Sie noch Unterschiede zu Deutschland?

Ein Beispiel ist die Preisentwicklung bei Haushaltsgeräten. In Deutschland scheint hier der Konkurrenzkampf zu funktionieren, die Gerätepreise sind in den vergangenen Jahren sogar leicht gesunken. In Österreich sind sie um rund sieben Prozent gestiegen. Bei Autos ist es nicht so. Da gibt es auch in Österreich starken Wettbewerb, jeder kämpft um Marktanteile. Das scheint bei Elektrogeräten nicht ausgeprägt zu sein.

Gibt es noch Beispiele dafür, wo es in Österreich offenbar an Wettbewerb mangelt?

Produkte für Körperpflege wiegen zwar nicht schwer, wenn es um die Berechnung der Inflation geht. Aber da gab es auch sehr unterschiedliche Preisentwicklungen. In Deutschland hat sich der Bereich Körperpflege in den vergangenen Jahren kaum verteuert, in Österreich aber um rund zehn Prozent. Schuhe, Einrichtungsgegenstände – es gibt etliche Bereiche, in denen die Teuerung viel höher war als im Nachbarland.

Bei Nahrungsmitteln auch?

Nein, da liegen wir bei den Preisanstiegen gleichauf mit Deutschland. Aber einen deutlichen Unterschied gibt es, wenn man essen geht. Im Bereich Bewirtung steigen die Preise in der Regel schneller als die allgemeine Inflation. Das hat damit zu tun, dass Wirte höhere Kosten nicht mit höherer Produktivität ausgleichen können, sondern nur mit höheren Preisen. Aber die Preisanstiege in Österreich waren deutlich über der Inflationsrate, in Deutschland dagegen kaum. Bei uns haben die Wirte kräftiger zugelangt.

Wenn Computer oder Handys billiger werden, hilft das jenen, die viel von ihrem Einkommen für den täglichen Einkauf ausgeben müssen, wenig. Ist die tatsächliche Inflation für viele Bevölkerungsgruppen denn nicht eigentlich höher als vom errechneten Index abgebildet?

Bei der Berechnung der allgemeinen Teuerungsrate berücksichtigt die Statistik Austria kurze Aktionen oder die Vorteile durch Kundenkarten nicht. Die Statistik reagiert auf solche Dinge nicht, die Konsumenten in ihrem Einkaufsverhalten aber schon. Das heißt, dass die individuelle Inflation für jene, die scharf kalkulieren müssen, sogar tiefer sein kann.

Kritiker werfen Mario Draghi, dem Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), vor, dass er mit seiner lockeren Geldpolitik die Geldentwertung sogar forciert. Müssen wir daher Angst vor einer Hyperinflation haben?

Die Angst vor Hyperinflation ist völlig ungerechtfertigt. Nicht nur historisch betrachtet. Es stimmt, dass die EZB die Geschäftsbanken mit viel Geld versorgt. Aber dieses Geld gelangt ja nicht in die Realwirtschaft. Solange es keine Nachfrage nach Krediten gibt, wird auch keine Inflation entstehen.

Die Angst vor den Schattenseiten der Geldflut ist also unbegründet?

Die Banken haben das meiste von dem Geld, das sie von der EZB bekommen haben, auch wieder bei der Zentralbank angelegt. Die Geldflut gibt es daher also gar nicht. Die Angst vor einer galoppierenden Inflation kommt eher von der Angst der Leute vor dem Verlust von Realeinkommen.

Was sagen Sie dazu, dass die Sparer Kaufkraft verlieren, weil Inflation und Steuer viel mehr wegfressen als nur die Zinsen?

Vor allem die unteren und mittleren Einkommen haben mehr davon, wenn es dem Staat gut geht als von höheren Zinsen. Ginge es dem Staat schlechter, müsste er bei den Sozialausgaben sparen. Bei niedrigen Zinsen wird mehr Geld in die Realwirtschaft fließen, das ist positiv.

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