EU muss Mercosur-Deal erneut verschieben: Unterzeichnung im neuen Jahr?
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Brasiliens Staatschef Lula und Italiens Premierministerin Giorgia Meloni
Die EU hat die Unterzeichnung des Mercosur-Freihandelsabkommens wegen des Widerstands Frankreichs und Italiens erneut verschoben. Man peilt nun eine Unterzeichnung am 12. Jänner in Paraguay an.
Ein Rückschlag für EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und den deutschen Bundeskanzler Friedrich Merz, die sich bis zuletzt für die endgültige Unterzeichnung des Abkommens stark gemacht haben, der seit mehr als 25 Jahren verhandelt wird. Österreichs Bundeskanzler Christian Stocker blieb bei seinem "Nein", an das er ja durch einen Beschluss des Parlaments in Wien gebunden ist.
Von der Leyen muss Flug absagen
Von der Leyen sagte den 27 EU-Staats- und Regierungschefs am Donnerstagabend in den Beratungen beim EU-Gipfel in Brüssel, dass sie ihre geplante Reise zur Unterzeichnung nach Brasilien am Samstag verschieben werde.
Grund ist, dass die nötige Zweidrittelmehrheit für eine Unterzeichnung unter den 27 Staaten nicht zustande kam. „Das Abkommen wird zwar jetzt nicht mehr in diesem Jahr abgeschlossen. Aber dafür scheint es ziemlich sicher zu sein, dass es kommt, und zwar jetzt Mitte Januar“, hieß es in deutschen Regierungskreisen.
Erste Reaktionen, aus dem Lager der Befürworter des Deals in Brüssel sind skeptisch und enttäuscht. So spricht etwa der Handelsexperte der SPD in der EU, Bernd Lange, von einer "Hängepartie" und einer "verpassten Chance". Vor allem Frankreich gibt sich mit den zuletzt noch verstärkten Absicherungen für die Landwirtschaft nicht zufrieden. Auch Italien will diese Absicherungen jetzt überprüfen, ob die jetzt einmal angepeilte Verzögerung von einem Monat ausreicht, ist vorerst unklar.
Kritik und Warnungen kommen bereits aus der Wirtschaft. So fordert die Wirtschaftskammer "die letzte Chance" auf einen Deal zu nützen. Umweltschützer wie "Greenpeace" zeigen sich dagegen erleichtert.
Brasilien gibt Entwarnung: Deal bleibt auf dem Tisch
Bereits am Abend kam Kritik aus der deutschen Chemieindustrie und von den europäischen Grünen. Der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva sagte nach einem Gespräch mit der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, diese habe ihm versichert, dass sie nicht gegen das Abkommen sei, aber mehr Zeit brauche, um ihre Bauern zu überzeugen. Er deutete an, dass die Mercosur-Staaten dies mittragen würden.
Meloni gab Zusicherung für ein Ja
Die Zusicherung für ein „Ja“ gab Meloni nach Teilnehmerangaben auch den EU-Regierungschefs in den Beratungen. Italien kommt eine besondere Rolle zu, weil in der EU für die finale Abstimmung eine qualifizierte Mehrheit und keine Einstimmigkeit nötig ist. Da nicht mehr mit einer Zustimmung Frankreichs wegen der traditionellen Rücksichtnahme auf die eigenen Landwirte gerechnet wird und auch Länder wie Ungarn das Freihandelsabkommen ablehnen, ist die Zustimmung Italiens für das Erreichen der Zweidrittelmehrheit nötig.
In deutschen Regierungskreisen hieß es, dass man vereinbart habe, dass die Unterzeichnung nun vor dem 20. Januar kommen müsse, an dem das Europäische Parlament wieder zusammentritt. Denn es sei möglich, dass dort eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof beschlossen wird. Die Prüfung durch das Gericht würde aber wahrscheinlich länger als ein Jahr dauern, was das Abkommen endgültig scheitern lassen würde, so die Befürchtung.
Ernüchterung über Verschiebung
Die Überwindung der Hürden für die Unterzeichnung des EU-Handelsabkommens mit der südamerikanischen Staatengruppe Mercosur galt neben der Finanzierung der Ukraine als eines der beiden Hauptthemen auf dem EU-Gipfel in Brüssel. Kanzler Friedrich Merz hatte zu Beginn des EU-Gipfels nochmals zu einem Beschluss gedrängt. „Darüber wird jetzt seit 25 Jahren verhandelt. Jetzt ist es Zeit, zu einer Entscheidung zu kommen“, sagte Merz in Brüssel. „Wenn die Europäische Union in der Handelspolitik auf der Welt glaubwürdig bleiben will, dann müssen jetzt Entscheidungen getroffen werden.“
Widerstand blieb hartnäckig, vor allem aus Frankreich
Um den Widerstand gerade der großen Mitgliedstaaten Frankreich und Italien zu überwinden, hatten sich die Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten am Mittwoch im Streit über Agrarimporte aus den Mercosur-Ländern auf einen Kompromiss verständigt. Demnach soll eine Untersuchung eingeleitet werden, wenn die Einfuhrmengen aus Südamerika um mehr als acht Prozent pro Jahr steigen. Zudem einigten sie sich auf eine Erklärung, die EU-Maßnahmen zur Kontrolle auch in den Mercosur-Ländern, zur Unterstützung der Landwirte und zur Einhaltung von Produktionsstandards bei Pestiziden und Tiergesundheit festlegt.
Mit dem Freihandelsabkommen zwischen der EU mit Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay sowie mit dem zu dem Block dazustoßenden Bolivien würde die größte Handelszone der Welt mit mehr als 720 Millionen Menschen entstehen. Sie würde fast 20 Prozent der Weltwirtschaft und mehr als 31 Prozent der globalen Warenexporte abdecken.
Der Chemie-Verband VCI äußerte sich enttäuscht über die Verschiebung. „Die Frustration wächst. Dass sich die scheinbar endlose Hängepartie fortsetzt, ist kein gutes Zeichen“, teilte Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie, mit. „Ein Scheitern des Abkommens kurz vor Weihnachten wurde zwar abgewendet. Die EU hat aber erneut die Chance verpasst, international als kraftvoller Akteur aufzutreten.“
Kritik kommt auch von den Grünen
Kritik kam von den europäischen Grünen: „Die Verschiebung ist eine deutliche Schlappe für Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Es ist ihr nicht gelungen, die berechtigten Bedenken von Ländern wie Frankreich auszuräumen“, sagte Anna Cavazzini, handelspolitische Sprecherin der Grünen im Europaparlament.
Auch eine Zustimmung des Europaparlaments sei keineswegs sicher, denn das Abkommen berge erhebliche Risiken für die Umwelt und die hiesige Landwirtschaft. Es zeige sich, dass „veraltete Mega-Handelsabkommen“ kaum noch mehrheitsfähig seien.
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