BMW will Platz 1 von Mercedes zurück

The headquarters of German car maker BMW is pictured prior to the company's annual press conference in Munich, southern Germany, on March 21, 2017. / AFP PHOTO / Christof STACHE
BMW fuhr zwar zum siebenten Mal in Folge ein Rekordergebnis ein, dennoch will man auf den Verlust der Spitzenposition mit einem Gegenangriff antworten.

BMW-Chef Harald Krüger könnte eigentlich zufrieden sein. Zum siebten Mal in Folge hat der Autokonzern Absatz und Gewinn gesteigert, und das soll auch im laufenden Jahr so weitergehen. Aber Krüger ärgert sich. Denn Mercedes hat im vergangenen Jahr 80.000 Autos mehr verkauft als BMW und die Münchner damit als Nummer eins in der Oberklasse abgelöst.

Das mag wie ein kleiner Kratzer im Lack der BMW-Strategie "Number One" erscheinen - aber: Der Spitzenreiter zieht zusätzliche Kunden an und darf auch etwas teurer sein. Oliver Heil, Professor für Marketing an der Universität Mainz, vergleicht das mit dem Fußball: "Es gibt treue St. Pauli-Fans, und es gibt Sieger-Fans. Barcelona ist Spitze, ich bin Barca-Fan, ich bin auch ein Siegertyp." Marktführer zu sein bedeute zusätzliche Verkäufe und ermögliche höhere Preise. Das gelte nicht nur für teure Autos: "Die Uhr, die die Erfolgreichsten tragen, darf ruhig ein bisschen mehr kosten." Und auch als Arbeitgeber ist ein führendes Unternehmen für die Besten eine Top-Adresse.

"Erfolg macht sexy", sagt Frank Biller, Auto-Analyst der Landesbank Baden-Württemberg, und verweist auf den Werbeslogan von Mercedes: "Das Beste oder nichts." Mehr Autos zu verkaufen bringt auch Kostenvorteile: Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung, für Fabriken und Verwaltung verteilen sich auf mehr Autos, und beim Einkauf gibt der Zulieferer Mengenrabatt.

BMW schaltet auf Angriff

Daher will BMW Mercedes die Spitzenposition in der Oberklasse so schnell wie möglich wieder abjagen. "Wir schalten jetzt auf Angriff. Wir starten die größte Modelloffensive unserer Geschichte", sagte BMW-Vorstandschef Harald Krüger am Dienstag auf der Bilanzpressekonferenz in München. Für das laufende Jahr stellte er einen leichten Zuwachs bei Absatz, Umsatz und Gewinn in Aussicht. Das wäre das achte Rekordergebnis in Folge.

Der BMW-Konzern verkaufte im vergangenen Jahr 2,4 Millionen Autos der Marken BMW, Mini und Rolls-Royce. Der Gewinn stieg um 8 Prozent auf 6,9 Mrd. Euro. Ein Drittel davon soll als Dividende an die Aktionäre ausgeschüttet werden.

Produktoffensive

Krüger kündigte höhere Investitionen und bis Ende nächsten Jahres über 40 neue und überarbeitete Automodelle an: "Wir verjüngen unser gesamtes Portfolio." Für einen erfolgreichen Auftakt habe im Februar der neue 5er gesorgt - nach Stückzahl und Rendite mit das wichtigste BMW-Modell. Im Laufe des Jahres sollen X3, Mini Countryman und Rolls Royce Phantom folgen, nächstes Jahr ein X2 und der neue Luxus-SUV X7. Im besonders rentablen oberen Luxussegment wolle er die Verkaufszahlen in den nächsten Jahren deutlich steigern, sagte Krüger.

Eine konkrete Jahreszahl, wann BMW mit seiner Stammmarke den Stuttgarter Rivalen wieder überholen kann, wollten die BMW-Manager nicht nennen. Im vergangenen Jahr sank die Umsatzrendite vor Zinsen und Steuern im Kerngeschäft Autobau von 9,2 auf 8,9 Prozent. Seit mehreren Jahren geht die vielbeachtete Rendite zurück, die Modelle werden im Schnitt zunehmend älter.

Angebot an Elektro-Autos

Zugleich will BMW sein Angebot an reinen Elektro-Autos und Plug-in-Hybriden rasch vergrößern. Krüger will dieses Jahr mindestens 100.000 elektrifizierte Autos verkaufen - rund fünf Prozent des gesamten Absatzes - und diesen Anteil bis 2025 auf mindestens 15 Prozent steigern. Der Batterieantrieb komme in allen wichtigen Baureihen. Der Elektro-Mini 2019 und der Elektro-SUV X3 im Jahr darauf "geben den Startschuss für unsere zweite Welle der Elektrifizierung", sagte Krüger. Kein Wettbewerber habe auf diesem Gebiet eine höhere Eigenleistung. 2025 werde BMW auch Fahrzeuge mit Brennstoffzelle anbieten. Ob die E-Autos am Markt zum Erfolg werden, entschieden aber die Kunden und auch die Gesetzgeber.

BMW wandle sich auch zunehmend vom Autobauer zum umfassenden Mobilitätsdienstleister. "Für uns beginnt 2017 eine neue Zeitrechnung", sagte Krüger. Der von BMW und dem Autovermieter Sixt zusammen betriebene Leihwagen-Anbieter DriveNow habe 800.000 Kunden. Man spreche aber auch mit anderen Partnern, sagte BMW-Vorstand Peter Schwarzenbauer. Mit Autoverkäufen habe BMW heute 30 Millionen Kunden erreicht, mit Dienstleistungen strebe der Konzern bis 2025 Kontakt zu 100 Millionen Kunden an.

In den USA erwartet BMW nach einem deutlichen Einbruch im laufenden Jahr wieder einen leichten Zuwachs. Der neue Finanzvorstand Nicolas Peter warnte aber vor Rabattschlachten: "Profitabilität ist wichtiger als ein reines Volumenrennen."

Technologieführerschaft

Krüger sagte, BMW wolle die Nummer eins im Premiumsegment sein. Dazu gehörten neben Absatzzahlen auch Innovationsführerschaft, Markenwert und Profitabilität. "Wer das Rennen um die Technologieführerschaft gewinnt, ist für mich ganz wichtig", sagte er.

Großbritannien bleibe ein wichtiger Standort, der Mini werde auch in den Niederlanden gefertigt, die Produktion sei flexibel, sagte Krüger. Bis mehr Klarheit über den Brexit herrsche, werde es noch lange dauern, sagte Vertriebschef Ian Robertson.

Den monatlichen Vergleich der Absatzzahlen gibt es einzig und allein in der Autoindustrie. Professor Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen nennt zwei Gründe: "Sie ist sehr transparent, die amtlichen Zulassungszahlen sind öffentlich", sagt er. Außerdem interessieren Autos die Menschen mehr als die Verkaufszahlen von Kühlschränken oder Windeln."Das Rennen um Platz eins kann hier so spannend sein wie die Bundesliga-Tabelle. Es zeigt schnell, wer stärker und wer schwächer wird."

Angefangen hat der Größenvergleich in den 1950er-Jahren in den USA. General Motors warb mit Blick auf die Konkurrenten Ford und Chrysler mit dem Spruch "We are the greatest". Das war GM auch, bis 2008, als Toyota sie überholte. Ein Jahr später war GM insolvent. "Pure Größe sagt gar nichts. Der Größte beim Absatz zu sein, das kann auch ein Pyrrhus-Sieg sein", sagt Dudenhöffer. "Rendite ohne Größe ist Nische. Größe ohne Rendite ist Schwachsinn."

Mercedes hat heute sowohl beim Absatz als auch bei der Gewinnmarge die Nase vor BMW; Audi folgt inzwischen mit einigem Abstand. Jahrzehntelang hatten die Schwaben in der Oberklasse den Ton angegeben - 2005 war dann BMW vorbeigezogen, 2011 wurden sie auch noch von Audi überholt. Aber mit neuem Design, neuen Modellen und neuem Vertriebsnetz in China holte Daimler-Chef Dieter Zetsche die Krone jetzt zurück. "Mercedes steht an der Spitze des Premiumsegments", sagte er stolz: "Number one."

BMW-Aufsichtsratschef Reithofer hat seinen Managern deshalb die Leviten gelesen: Sie sollten sich gar nicht erst ans Verlieren gewöhnen. "Wir müssen als BMW die Nummer eins sein", zitierte ihn die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung". Krüger, seit knapp zwei Jahren Nachfolger Reithofers als Vorstandschef, muss nun angreifen.

Im Rennen um die Krone in der Oberklasse holen Jaguar-Land Rover und Volvo auf - und die Tesla-Elektroautos mit Autopilot mischen die ganze Branche kräftig auf. Neue Technologien, die Vernetzung, Shared Mobility und andere neue Dienstleistungen und Geschäftsmodelle ändern die Spielregeln grundlegend. "Wer hat die meisten Kunden? Das ist vielleicht bald interessanter als die Zahl der verkauften Autos", sagt Biller. Der Titel des Absatzkönigs verliert an Bedeutung. "In Zukunft gewinnen wird, wer die Kunden besser versteht, wer ihnen mehr Spaß, Emotionen, Komfort bieten kann, sagt Dudenhöffer. "Wer nur an Stahl und Reifen denkt, dem wird es gehen wie Nokia mit seinen Handys."

Gerade die globale Spitzenposition von Mercedes, BMW und Audi könnte zum Nachteil werden, befürchtet Heil: "Wer das heutige Spiel am perfektesten und erfolgreichsten beherrscht , tut sich schwer, wenn alles anders wird", sagt der Wirtschaftsprofessor. "IBM hat die besten Schreibmaschinen gemacht, Kodak die besten Filme, Nokia die besten Handys. Wo sind sie heute?"

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