Meinl am Graben: Der Graben- Kampf

Meinl am Graben: Der Graben- Kampf
Immobilien-Magnat Benko und Meinl liefern einander ein Gefecht um Österreichs exklusivstes Gourmet-Imperium.

Mehr als 30.000 Artikel im Sortiment, darunter 400 verschiedene Käse und 300 Wurst- und Schinkensorten, einer der bestsortierten Weinkeller des Landes, 200 erstklassig geschulte Mitarbeiter, ein perfektes Service, vom Einpacken an der Kasse in die orangen Kult-Sackerln bis zum Transport vor die Wohnungstüre, und ein Zwei-Hauben-Restaurant mit Blick über den gesamten Graben. Der „Meinl am Graben“, Überbleibsel der ehemaligen Filialkette der Familie, darf ohne Übertreibung als Österreichs exklusivstes und traditionsreichstes Delikatessen-Imperium bezeichnet werden.

Der Konkurrenz der großen Handelsketten hat der Gourmet-Tempel bis jetzt Paroli bieten können. Auch wenn Rewe mit dem Billa-Corso am Neuen Markt und dem Merkur am Hohen Markt in der Wiener Innenstadt immer näher heranrückt. Der „Einzelkämpfer“ Meinl ist mindestens eine Qualitätsstufe über der Luxus-Schiene der Handelsriesen, die Kundschaft weiß das zu schätzen.

„Froh und stolz“ sei er, tönte der Tiroler Immobilieninvestor René Benko und schwärmte vom „Traditionshaus Meinl“, als er Ende 2009 von der Bank Austria das klassizistische Gebäude mit der Adresse „Graben 19“ um kolportierte 40 Millionen Euro übernahm. Im Erdgeschoß und ersten Stock erstreckt sich der Großteil des 2500 Quadratmeter umfassenden Delikatessen-Reichs, der Rest ist im Nachbargebäude von Wüstenrot eingemietet.

Wenn’s um die Rendite geht, ist’s bei Benko mit dem Traditionsbewusstsein aber schnell wieder vorbei. Schließlich muss der erst 36-jährige Immobilien-Zampano seinen zahlreichen Investoren, vom griechischen Reeder George Economou bis zum Bau-Industriellen Hans Peter Haselsteiner, ordentliche Erträge abliefern. Der Julius Meinl am Graben GmbH flatterte daher bald eine neue Mietvorschreibung ins noble Haus. Von der zu Benkos Signa Prime Selektion gehörenden „Graben 19 Immobilien GmbH“.

War zu erwarten, dass sich der neue Hausherr, der sich reihenweise die besten Wiener City-Lagen einverleibt, mit der Miete nicht zufrieden gibt. Schon seit den 50er-Jahren am Graben domiziliert, zahlt das Delikatessen-Imperium einen entsprechend niedrigen Obolus. Benko wolle die Miete um „ein Vielfaches“ erhöhen, wissen Insider. Immo-Experten schätzen den Marktpreis am Graben 19 „vorsichtig“ samt Nebenflächen auf rund 150 Euro pro Quadratmeter. Zusatz: „Eine solche Miete muss aber erst einmal verdient werden.“ Wären für Meinl 375.000 Euro im Monat.

Bei solchen Dimensionen würde sich der Standort nicht mehr rechnen. Und Benko könnte einen lukrativeren Neumieter suchen. Wozu er wild entschlossen scheint. Den Investoren der Signa Prime Selection wird beim Objekt „Meinl am Graben“ jedenfalls „aufgrund der derzeit sehr niedrigen Durchschnittsmieten ein hohes Mietsteigerungspotenzial für die Zukunft“ in Aussicht gestellt. Bis jetzt allerdings ist die Rechnung nicht aufgegangen.

Meinl brachte umgehend beim Bezirksgericht Innere Stadt eine Feststellungsklage ein, dass die Mietzinserhöhung nicht zulässig sei. Die Bezirksrichterin verwies an die Berufungsinstanz, das Landesgericht für Zivilrechtssachen. Dieses entschied am 8. Jänner (Geschäftszahl 40R327-12), dass eine Mieterhöhung tatsächlich nicht zulässig ist. Benko hat noch eine letzte Chance vor dem Obersten Gerichtshof, wo er eine außerordentliche Revision einbringen ließ. Das Höchstgericht wird sich jedoch überhaupt nur dann mit der Causa beschäftigen, wenn der Streit kein Einzelfall, sondern eine Rechtsfrage von allgemeinem Interesse sein sollte.Juristisch ist das Match durchaus interessant. Da das Mietrecht Altmieter wasserdicht vor Zinsbegehrlichkeiten schützt, setzte Benko bei einer Änderung im Eigentümerkreis der Meinls an. Das Landesgericht freilich begründete sein Urteil damit, dass sich lediglich innerhalb der Unternehmensgruppe Meinl Anteile änderten – und das sei durch eine Klausel im Mietvertrag gedeckt. Der Vertrag wurde ein gutes Jahr vor dem Verkauf an Benko entsprechend adaptiert. Die Graben-Gesellschaft gehört der Julius Meinl Aktiengesellschaft, mit Aufsichtsratsvorsitzendem Julius V. an der Spitze. „Zum laufenden Verfahren geben wir keinen Kommentar ab“, will der Sprecher der Signa-Holding lieber nichts dazu sagen. Auch Herbert Vlasaty, Geschäftsführer am Graben, äußert sich über den delikaten Rechtsstreit nicht. Viel lieber spricht Vlasaty über die Expansionspläne. Um den Jahreswechsel 2014 wird Meinl im Zentrum von Prag, ebenfalls Am Graben (Na Příkopě), ein ähnlich großes Geschäft wie in Wien eröffnen. An betuchter Klientel mangelt’s in der tschechischen Hauptstadt nicht, 50.000 Russen und etliche Tausend US-Amerikaner leben derzeit dort. „In Prag gibt’s viel gute Gastronomie, aber im Handel ist noch Potenzial nach oben“, ist Vlasaty zuversichtlich. Überlegt wird auch Moskau. In Österreich käme, wenn überhaupt, nur Salzburg infrage. „Wobei, wir haben schon eine kleine Filiale in Wien.“ Auf knapp 40 Quadratmeter im neuen Hotel „Kempinski“ werden kleine, feine Mitbringsel der Marke Meinl feilgeboten. Mit Finanzinvestments verdienen die Meinls vermutlich besser. In der Graben-Bilanz 2011 hat sich ein Verlust von knapp 25 Millionen Euro summiert. Was Vlasaty mit den rund 20 Millionen Euro an Investitionen und der unüblich kurzen Abschreibungsdauer erklärt. Operativ wirft der Graben bei rund 20 Umsatzmillionen 1,5 Millionen Gewinn ab. Nachsatz: „Ich gehe nicht davon aus, dass die Familie Meinl dieses Geschäft als Hobby betrachtet.“

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