Mehrwertsteuersenkung: Fraglich, wer sich das Steuerzuckerl holt
Keine Mehrwertsteuer auf Lebensmittel oder zumindest Grundnahrungsmittel, um Haushalte zu entlasten? Die Rufe danach werden laut. Doch das Ganze klingt einfacher als es in der Praxis ist. Das Problem beginnt schon bei der Frage, was genau ein Grundnahrungsmittel ist. Wenn Teigwaren in diese Kategorie fallen, sind dann auch Trüffel-Tagliatelle ein Grundnahrungsmittel? Aus Sicht von Simon Loretz, Ökonom beim Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO), sind Abgrenzungsfragen programmiert.
Wenn Chips Brot sein wollen
Dazu ein Praxisbeispiel aus Großbritannien, das ein paar Jahre zurückliegt. Der Konsumgüterriese Procter & Gamble (P & G) wollte seine Pringles-Chips als "Backwaren" deklarieren. Auf diese gilt in Großbritannien nämlich ein Steuersatz von 0 Prozent. Im Gegensatz zu den 17,5 Prozent auf Chips. Argumentiert hat der Konzern damit, dass er Kartoffel zu einem Teig vermahlt, der dann gebacken wird. Klassische Backware, erklärten P-&-G-Juristen. Damit kamen sie allerdings nicht durch. Pringles sind Chips, entschied letztlich ein Gericht. Auf ähnliche Diskussionen wird man sich auch einstellen müssen, wenn in die heimische Handelslandschaft eine Mehrwertsteuersenkung einzieht, sagt Loretz.
Er bezweifelt überhaupt, dass eine solche Mehrwertsteuersenkung an der richtigen Stelle ankommen würde. "Am ehesten bleibt sie dort hängen, wo die Marktmacht konzentriert ist – und das ist nicht beim Konsumenten."
In Österreich ist der Lebensmittelhandel nämlich so konzentriert wie in kaum einem anderen Land Europas. Drei große Handelshäuser (Hofer, Spar und Rewe mit seinen Vertriebslinien Billa, Billa Plus, Penny und Adeg) teilen sich rund 85 Prozent des Marktes untereinander auf. In ihre Kalkulation lassen sie sich naturgemäß nicht gerne schauen. Schon gar nicht vom Staat. Müssen sie auch nicht. Schließlich ist Österreich keine Planwirtschaft, in der sich die Politik in die Preisgestaltung der Unternehmen einmischt. Wie die Kontrolle der Weitergabe der Steuererleichterung an den Konsumenten in der Praxis funktionieren soll, bleibt also offen. Argumentieren kann ein Supermarktmanager schließlich vieles. Etwa, dass Teigwaren wegen der hohen Hartweizenpreise teurer geworden sind und so die Mehrwertsteuersenkung aufgefressen hat.
Aus Sicht von Loretz müsste die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) jedenfalls personell besser ausgestattet werden, um solche Kontrollen stemmen zu können. Doch diese Forderung ist in etwa so alt wie die Behörde selbst.
Loretz fürchtet zudem, dass die Steuersenkung schwer rückgängig gemacht werden kann. "Dafür wird nie ein netter Zeitpunkt kommen." So gesehen wird das Problem steigender Preise zeitlich nach hinten geschoben – was politisch gewollt sein kann. Allerdings kommt irgendwann der Tag der Wahrheit, an dem die Steuer wieder eingehoben wird und so die Inflation wieder steigt.
Und was sagen Supermarktmanager? Rewe-Boss Marcel Haraszti hat bereits Anfang April im KURIER für "eine Halbierung der Mehrwertsteuer" plädiert. Aus der Branche ist zu hören, dass das umstritten ist. Auch wegen Abgrenzungsfragen. Sogar der Fokus auf Lebensmittel wird heftig diskutiert. Warum nicht auch Hygieneartikel, die ebenso die Budgets einkommensschwacher Haushalte belasten? Ein Gegenvorschlag sind Gutscheine für Bedürftige. Diese wären treffsicherer und würden weniger Steuergeld verbrennen. Und was noch hinter vorgehaltener Hand gesagt wird: Die Mehrwertsteuersenkung wäre ein enormer Kraftakt für den Handel, da die Preise Tausender Artikel neu ausgeschildert werden müssten.
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