Mark Mobius: "Nicht warten, bis alles gut ausschaut"

Mark Mobius: "Nicht warten, bis alles gut ausschaut"
Interview. Auch in Krisenländern gibt es Unternehmen, wo sich investieren lohnt.

Mark Mobius gilt als der Pionier bei Aktieninvestments in Schwellenländern, Emerging Markets genannt. Am Montag war er für eine Veranstaltung in Wien. Im KURIER-Interview erzählt der durchtrainierte 77-Jährige, wo er gute Investmentchancen sieht – auch an europäischen Börsen.

KURIER: Europäische Aktienmärkte bieten Kaufchancen, wie es sie in jeder Generation nur ein Mal gibt, lautet eine Analyse aus Ihrem Haus. Wo sehen Sie diese Chancen?

Mark Mobius: Ich sage schon seit zwei Jahren, dass sich Europa erholen wird. Die Fundamentaldaten verbessern sich zusehends. Der Staatssektor muss noch schrumpfen, da sind noch Reformen nötig. Aus der Sicht des Emerging-Markets-Investors sind Polen und Rumänien die Hot Spots in Europa. Der rumänische Restitutionssfonds, den Franklin Templeton managt, hat heuer bereits 40 Prozent zugelegt. Wir selber dürfen keine Anteile davon kaufen, das ist bitter (lacht).

Und die Aktien aus anderen europäischen Ländern?

Auf längere Sicht sind Griechenland und Portugal interessant. Griechenland und Portugal werden den Euro verlassen, hat es geheißen. Nichts davon ist passiert und wird auch nicht passieren. Und Aktien aus Russland sehe ich als sehr unterbewertet an.

Welche Branchen finden Sie besonders interessant?

Ich glaube an Öl. Der Bedarf steigt und auch die Kosten, weil man immer tiefer und tiefer bohren muss. Interessant sind daher integrierte Konzerne mit Exploration und Distribution. Außerdem investieren wir auch in Konsumgüter, wenn die jeweiligen Konzerne mehr als fünfzig Prozent ihrer Erträge in den wachsenden Emerging Markets erwirtschaften.

Haben Sie Beispiele dafür?

Ja, etwa Unilever, aber auch Luxusgüter wie Richemont. Vielleicht wird auch bald BMW dabei sein. Die machen schon 20 Prozent ihrer Erträge in China. Europäische Unternehmen haben große Chancen in Asien.

Sie gelten als Altmeister der asiatischen Aktie, weil Sie diese Märkte schon seit mehr als 30 Jahren analysieren. Ist das jetzt schwächere Wachstum in China ein Warnsignal?

Nein. China hatte früher höhere Wachstumsraten, ist aber mittlerweile zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt geworden. Ein Wachstum von 7,0 bis 7,5 Prozent pro Jahr wie heuer ist noch immer hoch, weil die Basis eine viel höhere geworden ist. Außerdem sieht man, dass das Wachstum jetzt mehr Konsum-getrieben ist als früher. Davon profitieren Aktien aus den Bereichen Handel, Konsum und Luxusgüter.

Sehen Sie in China eine Immobilienblase, die – wie in den USA – mit katastrophalen Folgen platzen könnte?

Anders als in den USA ist die Sparquote in China sehr hoch. Und anders als in den USA gibt es in China keine CDS (Credit Default Swaps, die als gefährliche Zockerwaffen gelten, Anm.). Außerdem werden die Großbanken alle vom Staat kontrolliert. Wenn man durch chinesische Städte fährt, sieht man viele leere Appartements. Aber die gehören wem, das sind Anlageobjekte. In den Städten steigt das jährliche Durchschnittseinkommen um 20 Prozent.

Was hat sich seit Ihren Anfängen in den Emerging Markets bis jetzt am meisten verändert?

Abgesehen davon, dass wir mit fünf Staaten begonnen haben und jetzt 60 Staaten analysieren und mittlerweile 18 Büros haben. Die größte Veränderung war, dass diese Länder den langsamen technischen Fortschritt der Industrieländer nicht mitgemacht haben, sondern gleich einen großen Sprung in die jüngste Technologie gemacht haben. Dadurch steigt die Produktivität sehr rasch. Und daher kommt auch ein Wirtschaftswachstum von durchschnittlich fünf Prozent pro Jahr.

Sie sagen immer wieder, Afrika ist der kommende Kontinent. Wo investieren Sie da?

Da gibt es viele interessante Länder wie Nigeria, Kenia, Ghana, Botswana, Südafrika oder Ägypten. Zu den interessanten Branchen zählen wir Telekom und Banken.

In Ägypten investieren Sie trotz der Unruhen?

Man kann nicht warten, bis alles gut ausschaut. In Ägypten gibt es viele gute Unternehmen, etwa in den Bereichen Pharmazeutika, Zigaretten, Banken oder Telekom.

Die Aktienkurse und Währungen vieler Emerging Markets haben in letzter Zeit darunter gelitten, dass die US-Notenbank ihre Liquiditätsschwemme reduzieren will. Ist das nicht auch weiterhin eine Gefahr?

Ich sehe das nicht so. Stellen Sie sich vor, meine Kaffeetasse ist voll und der Kellner schenkt nicht mehr nach. Die Kaffeetasse bleibt voll. Es wird nicht an Liquidität fehlen, die ist ja da. Man sieht, dass die Banken nach höheren Renditen suchen, weil bei Staatsanleihen die Margen klein sind. Die Emerging Markets bieten hohe Renditen und geringere Verschuldung.

Wird die US-Notenbank schon im Oktober ihr Anleihen-Kaufprogramm reduzieren?

Das glaube ich nicht. Sie wird auf das Ende des Budgetstreits in den USA warten und dafür sorgen, dass die Märkte das Vertrauen nicht verlieren. Die USA werden nicht pleitegehen.

Ein ganz anderes Thema: Nach der Finanzkrise haben die USA und Europa dem Bankensystem viel Regulierung verordnet. Ist diese gut genug, um weitere Krisen zu vermeiden?

Die Regulierung ist nicht weit genug gegangen. Nötig wäre eine strikte Trennung zwischen Sparbanken und Investmentbanken. Viele Banken sind jetzt größer als vor der Krise. Wenn man gesagt hat, die Citibank ist too big to fail, dann wäre sie es jetzt erst recht.

Pionier

Geboren wurde Mark Mobius 1936 in Hempstead, New York. Schon in der Studienzeit (Ökonomie und politische Wissenschaften) war er nicht nur in den USA, sondern auch in Asien unterwegs. In Hongkong startete er auch seine Karriere in der Wertpapierwelt.

Franklin Templeton

1987 übernahm er bei Franklin Templeton Investments die Verantwortung für die Aktivitäten in Schwellenländern. Heute verwaltet er 48 Mrd. Dollar an Anlegergeldern. Der 77-Jährige ist nahezu ständig auf Reisen, um Unternehmen vor Ort zu besuchen.

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