MAN: Standortsicherungsvertrag als Hoffnung auf wackeligen Beinen

MAN: Standortsicherungsvertrag als Hoffnung auf wackeligen Beinen
Experte: Rechtsgültigkeit unklar, keine Judikatur, Gewerkschaft pocht auf Deal mit Gegenleistungen der Belegschaft.

Die Belegschaftsvertretung des von der Schließung bedrohten Lkw-Bauers MAN in Steyr setzt ihre Hoffnungen auf einen Standortsicherungsvertrag, der den Bestand des Unternehmens bis 2030 sichern soll. Laut Elias Felten, Vorstand des Instituts für Arbeits- und Sozialrecht an der Linzer Johannes Kepler Universität, seien derartige Verträge aber generell mit Vorsicht zu betrachten. Die Gefahr sei groß, dass dann im Ernstfall keine Ansprüche daraus ableitbar seien.

Er kenne den konkreten MAN-Vertrag nicht, betonte Felten im Gespräch mit der APA, allerdings sieht er ihn mit Vorbehalt: So müsse erst einmal geklärt werden, ob es sich tatsächlich um einen rechtsgültigen Vertrag handelt. Denn der Betriebsrat könne juristisch gesehen nur bei einer Betriebsvereinbarung bzw. einem Sozialplan mitbestimmen.

Welche Inhalte Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein können, sei im Gesetz genau geregelt. Unternehmerische Entscheidungen wie etwa die Standortfrage gehören - anders als die Arbeitszeit oder die Kündigungsfristen - nicht dazu, erklärte der Experte. Andere Verträge kann der Betriebsrat nicht abschließen, die Gewerkschaft schon. Habe also die Gewerkschaft den Vertrag unterzeichnet, sei er wohl rechtsgültig, habe der Betriebsrat unterschrieben, werde es schwierig, soweit es um die Standortfrage geht, so Felten.

Laut dem oö. Landesvorsitzenden und stellvertretenden Bundesvorsitzenden der Gewerkschaft PRO-GE, Hans-Karl Schaller, sei der Standort- und Beschäftigungssicherungsvertrag allerdings ein Abkommen zwischen der MAN-Unternehmensleitung in Steyr und dem Betriebsrat. Es sei ein Deal gewesen, mit dem im Gegenzug die Arbeitszeiten in der Produktion flexibilisiert worden seien, betonte er.

Neben der prinzipiellen Frage, ob der Vertrag überhaupt rechtsgültig ist, könnten aber auch ganz praktische Unwägbarkeiten auftauchen: Ein Problem sei laut Felten etwa, wie die Gewerkschaft die Einhaltung des Vertrags gerichtlich durchsetzt. Sie könne wohl erst nach den ersten erfolgten Kündigungen klagen. "Die Frage ist worauf klagt man? Auf Unterlassung oder auf Schadenersatz?", ortet er noch einige Unsicherheiten. "Es gibt dazu keine Judikatur. Es ist ein weites, offenes Feld". Für den Einzelnen - gekündigten - Arbeitnehmer habe das Ganze keine rechtlichen Konsequenzen.

Der Vertrag beinhaltet auch eine Wirtschaftlichkeitsklausel, die zum Dreh- und Angelpunkt des Vertrages werden könnte. Das Management dürfte hier beim Vertragsausstieg ansetzen, während die Belegschaftsvertreter mit der Wirtschaftlichkeit des Werks Steyr argumentieren. Diese Klausel sieht der Experte ebenfalls mit großen Fragezeichen behaftet. Es spreche viel dafür, dass das eine Absichtserklärung sei, wenn sie mit der Standortfrage verknüpft wurde, sagte er. Diese würde allerdings die Chancen bei einem Sozialplan verbessern, eventuell würde die Schlichtungsstelle den Vertrag zulasten von MAN berücksichtigen.

Eine Chance, dass dem Vertrag doch rechtliche Verbindlichkeit zukommen könnte, sieht der Arbeitsrechtsexperte darin, dass er quasi stillschweigend von allen Seiten akzeptiert wurde. Er vergleicht das etwa mit Prämien, die jahrelang immer wieder ausbezahlt und dadurch letztlich Bestandteil der Dienstverträge werden, auch wenn sie nicht explizit drinnen stehen. Die Gewerkschaft argumentiert ebenfalls in diese Richtung: Es sei ein Tabubruch, sich an diese Verträge nicht mehr zu halten, bisher habe man sich auch darauf verlassen können, so Schaller. Das MAN-Management hat dem Betriebsrat allerdings bereits mitgeteilt, dass man die vorzeitige Kündigungsmöglichkeit des Vertrags prüfe.

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