MAN setzt voll auf Elektro-Lkw
Der Niederländer Alexander Vlaskamp ist seit Ende 2021 Vorstandsvorsitzender der MAN Truck & Bus SE (36.000 Mitarbeiter weltweit, rund 11 Milliarden Euro Umsatz) in München und sitzt im Vorstand des Mutterkonzerns Traton.
KURIER: Sie haben zuletzt neun von zehn Ausschreibungen für die kommunale Versorgung im Volumen von bis zu 1.750 Fahrzeugen in Österreich gewonnen. Sie sind hier offenbar gut im Geschäft.
Alexander Vlaskamp: Nicht nur in Österreich – uns gelingt insgesamt gerade der Turnaround bei MAN. Wir drehen den Tanker und haben im ersten Quartal 5,8 Prozent Umsatzrendite erwirtschaftet – so viel wie lange Jahre nicht mehr. In Österreich sind wir erfolgreich beim Verkauf an die Kommunen – liefern zum Beispiel Fahrzeuge für die Müllabfuhr oder die Straßenreinigung, aber auch an das Transportgewerbe. Wir haben in Österreich insgesamt einen Marktanteil von rund 35 Prozent – der höchste in Europa. Darauf sind wir stolz.
Bei den gewonnenen Ausschreibungen geht es aber um Verbrenner. Bei MAN wird doch E-Mobilität schon länger großgeschrieben?
Das stimmt. 2020 haben wir unsere E-Busse für den Stadtverkehr eingeführt. Es sind mittlerweile 450 MAN-Elektrobusse in verschiedenen Städten Europas unterwegs. Auch hier in Österreich sind sie zum Beispiel im Tourismusgebiet Hintertux Elektrobusse im Einsatz. Und der Elektrobus-Anteil in Europa nimmt jetzt richtig Fahrt auf. Dieses Jahr wollen wir um die 900 Elektrobusse produzieren. Wir liefern u. a. auch Busse für Salzburg und Linz.
Welche Reichweite haben die Stadtbusse?
Wir reden von rund 350 Kilometern Reichweite. Diese hängt aber vor allem davon ab, welche Topografie und welche klimatischen Bedingungen gegeben sind. Allerdings sind 90 Prozent der elektrischen Stadtbusse pro Schicht ohnehin nur zwischen 150 und 200 Kilometern unterwegs.
Wann kommen Elektro-Reisebusse?
Der nächste Schritt ist der elektrifizierte Überlandverkehr. Auch hier sehen wir in Österreich großes Potenzial. Überlandbusse werden ab 2025 kommen. Eine erste Testflotte elektrischer MAN-Reisebusse ist ebenfalls ab Mitte des Jahrzehnts geplant.
Wie stark ist die Nachfrage nach E-Bussen?
Im Moment betreffen bis zu 70 Prozent der Ausschreibungen batterieelektrische Busse im städtischen Verkehr und wir erwarten eine ähnliche Hochlauf-Kurve beim Lkw.
Sie nehmen für die E-Lkw viel Geld in die Hand?
Das kann man so sagen. Um Traton – unseren Mehrmarken-Lkw-Verbund – hier in eine führende Marktposition zu bringen, fließen seit 2021 bis zum Jahr 2026 insgesamt 2,6 Milliarden Euro gezielt in die Forschung und Entwicklung der E-Mobilität. Parallel sind wir dabei, unsere Produktion zu transformieren. Das bedeutet etwa für unser Werk in Nürnberg, dass hier demnächst Batterie-Packs produziert werden. Nächstes Jahr im Sommer ist der Umbau unseres Werks in München abgeschlossen, wo wir dann auf einem Montage-Band Diesel- und E-Trucks produzieren können. Je nach Nachfrage. Im Jahr werden wir hier bis zu 25.000 E-Lkw bauen können. Mehr als 3.000 sollen es schon 2025 werden.
2024 kommt der E-Truck auf die Straße, ist dann die nötige Ladeinfrastruktur schon aufgebaut?
Noch nicht an der Straße oder entlang der Autobahn. Was wir allerdings sehen ist, dass sehr viele Kunden Interesse am Aufbau einer eigenen Lade-Infrastruktur auf ihrem Lkw-Hof bekunden. Wir verkaufen nicht nur elektrische Lkw, sondern liefern auch Ladelösungen für den Hof. Es gibt viele Verkehre, in denen der Lkw jeden Tag wieder dasselbe Depot ansteuert – denken Sie an die Supermarkt-Belieferung.
Für die E-Lkw benötigt man den Megawatt-Charging-Standard zum schnellen Laden.
Genau, vor allem im Fernverkehr. Hier spielt schnelles Aufladen eine große Rolle. Dazu braucht man aber die passende Ladeinfrastruktur und das entsprechende Netz. Vor allem die Stromnetze müssen nun schnell ausgebaut werden. Man braucht für den Lkw das Sechs- bis Achtfache an Energie an Bord, die normalerweise für einen heutigen Mittelklasse E-Pkw benötigt wird.
Wie lange dauert das Laden eines E-Lkw?
In 45 Minuten können Sie mit dem Megawatt-Schnellladesystem die Batterie eines E-Lkw auf 80 Prozent laden. Da ein Lkw-Lenker laut Gesetz alle 4,5 Stunden 45 Minuten Pause einlegen muss, und in dieser Zeit den E-Lkw laden kann, schafft er dann Tagesreichweiten von bis zu 800 Kilometern.
Und die Kosten…
Wir gehen davon aus, dass sich die Gesamtbetriebskosten von Diesel- und E-Lkw gegen Mitte des Jahrzehnts angleichen werden. Wichtig ist aber dabei, dass der Strom im Vergleich zum Diesel auch bezahlbar ist. Jetzt ist aber auch die Politik gefordert, die schnell für die passende Ladeinfrastruktur sorgen muss.
Wie steht es um die Infrastruktur in Österreich?
Wir haben in Österreich eine wunderbare Infrastruktur über die Asfinag mit einem sehr gut ausgebauten Autobahnnetz, auch was die Lkw-Rastplätze betrifft. Und wir würden es sehr gerne sehen, wenn in Österreich auch entlang der Autobahnen die Rastplätze mit Ladeparks für Nutzfahrzeuge ausgestattet werden. Die Ladeparks benötigen dann die entsprechende Megawatt-Leistung, um jeden Tag um die 80 Lkw aufladen zu können. Wir sind ja sogar als Hersteller daran interessiert, da zu investieren.
MAN will also Ladeparks mitfinanzieren?
In der Traton-Gruppe haben wir gemeinsam mit der Volvo Group und Daimler Truck in ein Lade-Joint-Venture investiert und planen in Europa mindestens 1.700 Ladesäulen entlang der Hauptverkehrsachsen zu errichten. Wir wollen dort investieren, um die Parks aufzubauen. Auch als Public Private Partnerships, zum Beispiel mit der Asfinag. Einfach weil wir sehen, dass das zur Elektrifizierung des Straßengüterverkehrs unverzichtbar ist. Trotzdem brauchen wir für einen Flächenausbau die Politik.
Wie viele Vorbestellungen haben Sie bei den E-Trucks?
2024 planen wir, bis zu 200 Fahrzeuge auf die Straße zu bringen, der Hochlauf wird dann ab 2025 erfolgen, auch weil es dann erst Ladesäulen mit Megawatt-Charging-Standard geben wird. Jetzt ist alles noch in Erprobung.
E-Lkw sind aber deutlich teurer als herkömmliche Verbrenner.
Ein batterieelektrischer Lkw kostet das Zweieinhalb- bis Dreifache eines Verbrenners. Daher werden hier Förderungen benötigt. Für unsere Kunden wären zum Beispiel veränderte Leasinggesetze und längere Abschreibungsperioden nötig.
Da ist die Politik ebenfalls gefordert…
In der Industriepolitik braucht man ein klares Bekenntnis zur Elektromobilität mit dem Ziel, in Europa mehr Batterie-Werke zu errichten, Know-how zu halten und auch Rohstoffe in Europa zu fördern. Es ist Lithium auf unserem Kontinent verfügbar, man muss es nicht um die ganze Welt reisen lassen.
Was halten Sie von E-Fuels?
E-Fuels sind eine gute Lösung für die Verbrenner-Fahrzeuge, die derzeit auf den Straßen unterwegs sind. Die EU will ja den Dieselmotor noch mal stärker regulieren, was die Abgase anbelangt, obwohl die heutige Abgasnorm Euro 6 schon sehr sauber ist. Es fahren in Europa nahezu drei Millionen Lkw herum, von sechs Tonnern bis zum Schwerlastverkehr, und die Hälfte davon ist eigentlich zu alt. Mit einem Austauschprogramm könnte die EU diese alten Lkw von der Straße zu holen und durch moderne Lkw mit der Abgasnorm Euro 6 ersetzen. Das würde unmittelbar bei der CO2-Reduktion helfen und gleichzeitig die Elektromobilität fördern: Statt in Euro 7-Dieseltechnologie wollen wir unser Geld lieber in Zero-Emission-Antriebe stecken und so effektiv etwas gegen den Klimawandel tun.
Wie schaut es eigentlich mit Wasserstoff bei Ihnen aus?
Unser Fokus liegt klar auf batterieelektrischen Antrieben. Wasserstoff kann aber in gewissen Regionen und bei bestimmten Anwendungen ebenfalls eine Alternative sein. Momentan ist es aber noch eine teure Alternative. Der Wasserstoff-Preis liegt heute bei um die 13 bis 14 Euro pro Kilo in Europa – stark schwankend. Auch sehen wir, dass der heutige Wasserstoff noch nicht grün ist. Der wird ja de facto aus Methan gewonnen und das anfallende CO2 im schlimmsten Fall in die Luft geblasen, im besten Fall wird es wieder zurück unter die Erde gepumpt.
Aber Wasserstoff ist doch ein Thema bei MAN?
Wir forschen sowohl am Wasserstoff-Verbrenner als auch an der Brennstoffzelle. Denn wir sehen einige Anwendungsbereiche, in denen der Einsatz von Wasserstoff sinnvoll sein kann – u. a. beim Schwerlastverkehr wie dem Transport von Windrädern oder in Regionen ohne ausreichender E-Ladeinfrastruktur. Wirklich geholfen ist dem Klima aber nur, wenn der Wasserstoff nachhaltig erzeugt wird.
Zur Person
Alexander Vlaskamp wurde 1971 geboren. Er schloss 1995 mit einem Bachelor in Fahrzeugtechnik ab, bevor er 1997 als Manager Pre-Sales bei der Scania Deutschland GmbH anfing. Von 2002 bis 2007 war Alexander Vlaskamp Director After-Sales Deutschland-Österreich im selben Unternehmen.
Nach seiner Tätigkeit als Managing Director bei Scania Polska S.A. von 2008 bis 2012, kehrte er nach Deutschland zurück: Von 2012 bis 2017 war Alexander Vlaskamp Managing Director der Business Unit Germany Austria bei Scania Deutschland Österreich.
2017 wechselte er nach Schweden und übernahm die Position des Senior Vice President, Sales and Marketing, Trucks, 2020 wurde er zum Executive Vice President, Head of Sales and Marketing, ernannt.
Seit November 2021 hat Alexander Vlaskamp den Vorsitz des Vorstands der MAN Truck & Bus SE übernommen. Zusätzlich wurde Alexander Vlaskamp in den Vorstand der TRATON SE berufen.
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