"Man schlachtet nicht die Kuh, die die meiste Milch gibt"
Wir sind in der Individualbesteuerung extrem standortschädlich unterwegs“, gesteht Finanzministerin Maria Fekter. Ein Forscher aus St. Gallen in der Schweiz bekomme beim selben Brutto-Gehalt hierzulande um ein Drittel weniger Gage. „Wie wollen wir die Headquarters halten, wenn wir deren Mitarbeitern derart schlecht behandeln?“, fragt Fekter. Und gibt sich gleich selbst die Antwort: „Wir haben hier Handlungsbedarf.“
Anlass des Fekter-Auftritts war am Dienstag Abend das schon traditionelle „Finanzfoyer“ der Großkanzlei Leitner&Leitner. Mit dabei Steuerrechtler aus Deutschland und der Schweiz sowie der frühere RLB-OÖ-Boss Ludwig Scharinger, heute unter anderem Vizepräsident im Aufsichtsrat der ÖBB.
Fekter gab – ganz auf Linie des Fachpublikums und ihrer Partei – einmal mehr die vehemente Gegnerin jeglicher Steuererhöhungen und Vermögenssteuerdebatten. Fekter: „Ich werde mir an der Schweiz ein Beispiel nehmen. Das ist ein Land, das reiche Steuerzahler anlockt und sie nicht vertreibt.“
Milliarden
Die Gut-, Besser- und Bestverdiener würden hierzulande bereits enorme Beiträge leisten, alleine das oberste Prozent 15 Prozent des Lohnsteueraufkommens (siehe Grafik). „Wenn ich also nur das reichste Prozent vertreibe, verliert man 3,2 Milliarden Euro“, warnt Fekter.
Auch in der Spitzensteuerdebatte werde Menschen Sand in die Augen gestreut, so Fekter. Die Länder rund um Österreich hätten alle niedrigere Steuersätze und ein niedrigerer Spitzensteuersatz würde die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs erhöhen, ist Fekter überzeugt.
Fekter würde sich hier die „deutsche Reichensteuer wünschen“.
In Österreich greift der Spitzensteuersatz von 50 Prozent schon ab einem Einkommen von 60.000 Euro („das ist Mittelstand“). In Deutschland greife der Spitzensteuersatz von 48 Prozent erst ab 250.000 Euro im Jahr, in Frankreich (46 Prozent) gar erst ab 500.000 Euro im Jahr.
Konzerne
Auch die Unternehmen können aufatmen, wenn es weiterhin nach Fekter geht („Man schlachtet nicht die Kuh, die die meiste Milch gibt“). Die Körperschaftssteuer von 25 Prozent bzw. die Gruppenbesteuerung will die Ministerin daher nicht antasten. Der Steuerwettbewerb sei schließlich gut für eine kleine Volkswirtschaft, pflichtete ihr auch Fabian Baumer bei, Leiter der Steuerpolitik bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung. Ebenso Ludwig Scharinger, er unterstützt Fekters Position zu „100 Prozent“: In einer Situation mit Rezessions- und Deflationsgefahren dürfe man keine Steuererhöhungsdiskussionen führen. Scharinger: „Das demotiviert Konsumenten und Investoren.“
„Unsere Zahlen sind realistisch.“ SPÖ-Finanzstaatssekretär Andreas verteidigt im KURIER-Gespräch seine Schätzungen zur Erbschaftssteuer, die die SPÖ wieder einführen möchte. Die Darstellung des Finanzministeriums, wonach bei einem Freibetrag von einer Million Euro nur acht Millionen Euro jährlich in die Staatskasse fließen würden, weist er zurück.
Wie will Schieder auf 500 Millionen Euro kommen? Er argumentiert, dass bei der Erbschaftssteuer, die es bis 2008 gab, Finanzvermögen ausgenommen gewesen sei. „Unser Modell geht natürlich von Finanz- und Immobilienvermögen aus. Wir haben in Österreich rund 440 Milliarden Euro an Finanzvermögen, ein Teil davon wird jährlich auch vererbt. Immobilien werden laut einer Studie jährlich im Wert von zehn Milliarden Euro vererbt.“
Bei den Immobilien gehe es außerdem darum, „den Verkehrswert und nicht den Einheitswert“ als Bemessungsgrundlage heranzuziehen. „Der Unterschied ist das 10- bis 15-Fache.“
Eine neue Erhebung der Einheitswerte, die seit vielen Jahren nicht erhöht wurden, sei nicht nötig, meint der Staatssekretär. Es gebe auch jetzt bereits Abgaben, die auf den Verkehrswert abzielen würden.
Schieder verweist überdies auf das deutsche Modell. Daraus könne man ebenfalls ableiten, wie viel eine Erbschaftssteuer bringen könne. In Deutschland gebe es jährlich Einnahmen von 4,3 Milliarden Euro. Wenn man den Betrag durch zehn dividiere, sei man bei dem, was in Österreich lukriert werden könnte, rechnet Schieder vor.
In Deutschland liegen die Freibeträge allerdings bei maximal 756.000 Euro (für Ehepartner) bzw. maximal 452.000 Euro (für Kinder). Für Enkelkinder oder andere Verwandte gelten noch niedrigere Freibeträge.
Große Erbschaften
Schieder glaubt dennoch, dass die österreichischen Einnahmen in etwa jenen in Deutschland entsprechen würden: „In Österreich gibt es eine dynastische Vermögenskonzentration. Das heißt, während die meisten Menschen nur relativ geringe Summen erben, gibt es sehr wenige Reiche, die sehr große Erbschaften erhalten. Genau von diesen großen Erbschaften wollen wir einen gerechten Steuerbeitrag.“
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