MAN-Betriebsrat: "Deripaska-Verbindung ist für uns kritisch“
Betriebsratschef Helmut Emler arbeitet seit 30 Jahren bei MAN Steyr. Dass Siegfried Wolf im zweiten Anlauf die Übernahme schaffte, sieht er positiver als im April.
Kurz vor der Abstimmung Ende April hatte Erich Schwarz, der über 30 Jahre Arbeitergewerkschafter im MAN-Werk Steyr war, seinen letzten Arbeitstag. „Bauchweh“, so sagt er, hatte er im April beim ersten Übernahmeversuch von Sigi Wolf und hat er auch heute noch. Der Grund: Zu oft sei er in den vergangenen Jahren enttäuscht worden – selbst von deutschen Gewerkschaftskollegen wie der IG Metall. Pragmatischer sieht sein Nachfolger Helmut Emler die Übernahme durch Wolf. Im KURIER-Interview erklärt der MAN-Betriebsrat, warum der neue Deal besser ist.
KURIER: Herr Emler, im April hat die MAN-Mannschaft das Angebot von Siegfried Wolf mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit abgelehnt. Jetzt stehen zwar nach wie vor Gehaltskürzungen von 10 bis 15 Prozent im Raum, aber Sie reagieren sehr gelassen. Wo liegt der Unterschied?
Helmut Emler: Es gibt Dinge, die man akzeptieren muss. Jemand verkauft sein Eigentum und nun gibt es einen neuen Eigentümer. Der Unterschied zum April ist: Jetzt hat Sigi Wolf den Betrieb mit allen Rechten und Pflichten übernommen – auch mit der Standortgarantie bis 2030. Damals hätte jeder Mitarbeiter Einzelverträge unterschreiben müssen. Jetzt muss er einen Sozialplan mit der Gewerkschaft ausverhandeln, bis wir einen Kompromiss haben. Die Mannschaft wollte im Frühjahr den neuen Dienstvertrag sehen. Wir haben Sigi Wolf mehrfach gebeten, diesen vorzulegen. Er tat es nicht. Warum er das nicht gemacht hat, das habe ich auch nicht verstanden. Auch blieben viele Fragen im Frühjahr unbeantwortet. Wäre Sigi Wolf den Weg im Frühjahr mit uns gegangen, wäre die Abstimmung damals positiv ausgegangen.
Die Nachricht von der Übernahme kam sehr überraschend. Fühlt sich die Mannschaft jetzt überrumpelt?
Ich habe es selbst erst am Mittwochabend erfahren und war sehr überrascht. Erst vor drei Wochen wurde uns und den Führungskräften in Wien das Konzept der Forschungsabteilung präsentiert, da wurde kein Wort über die Verhandlungen kommuniziert. Die Verhandlungen sind an uns allen vorbeigegangen, auch an den Führungskräften. Donnerstagmittag wurde es in den Medien verkündet, da blieb uns keine Zeit, die Mannschaft vorzuinformieren. Deswegen waren einige Mitarbeiter sehr sauer. Aber Sigi Wolf hat mit dem neuen Angebot an Schrauben gedreht, die viel bewegen.
Welche? Denn Kündigung wird es geben und auch Gehaltskürzungen ...
Beim ersten Gespräch am Donnerstag nach der Übernahme hat er garantiert, dass MAN neue Lehrlinge aufnehmen kann. Das ist wieder der Vorteil, wenn man einen direkten Kontakt zum Eigentümer haben kann. Bei MAN dauerte so eine Bewilligung mehrere Monate und man musste sich gefühlt 15 Freigaben holen. Außerdem war es am Standort Tradition, dass die ausgelernten Lehrlinge einen fixen Arbeitsplatz bei MAN bekommen. Ob 160 Lehrlinge von Sigi Wolf übernommen werden, das war im Frühjahr schon ein Thema. Hier gab es kein klares Bekenntnis dazu. Das gibt es jetzt. Bei rund 80 Prozent dieser Lehrlinge ist die Situation so, dass oft beide Elternteile bei MAN arbeiten. Sie können sich vorstellen, wie viele der Betroffenen angesichts der Unsicherheit im Frühjahr gegen den Deal abgestimmt haben. Außerdem wissen wir jetzt schon, dass die Produktion bis mindestens Mitte 2023 in Steyr bleiben wird und nicht bis Ende 2022. Allein in der LKW-Montage sind 600 Mitarbeiter beschäftigt.
Siegfried Wolf hat im ORF-Interview gesagt, dass er viele Anrufe von Mitarbeitern bekam, die ihm erzählten, sie hätten den Auftrag bekommen gegen sein Angebot zu stimmen. Kam der Auftrag vom Betriebsrat?
Das haben wir nicht notwendig. Ich bin immer neutral gewesen. Die Betriebsräte haben beschlossen, die Mitarbeiter nur zu informieren. Wir haben alle Informationen der WSA-Beteiligungs GmbH 1:1 an die Mitarbeiter weitergegeben. Aber der Prozess ist von allen Fraktionen politisch begleitet worden.
Ihr Vorgänger Erich Schwarz, der über 30 Jahre Arbeiterbetriebsrat war, sagt, er habe immer noch Bauchweh, wenn er an die Zukunft des Werkes denkt, vor allem, weil hinter Wolf der Oligarch Oleg Deripaska steht. Wie schaut Ihr Bauchgefühl aus?
Ich bin ein positiv denkender Mensch. Die Verbindung zu Oleg Deripaska ist kritisch für uns. Denn immerhin steht der Deripaska seit Jahren auf einer schwarzen Liste des US-amerikanischen Amts für die Kontrolle für Auslandvermögen. Dadurch besteht die Gefahr, dass man möglicherweise von Sanktionen bedroht sein könnte. Das ist natürlich eine andere Situation, als wenn man ein Teil des VW-Konzerns ist. Das haben wir in den vergangenen 30 Jahren schätzen gelernt und hat viel Sicherheit geboten.
Allerdings haben die deutschen Manager auch ihr Wort gebrochen und die unterschriebene Standortgarantie für wertlos erklärt ...
Ich war damals furchtbar enttäuscht. Wenn eine Unterschrift keinen Wert mehr hat, was gilt dann noch? Dass so was im VW-Konzern möglich ist, hat mich erstaunt. Unter Ferdinand Piëch wäre das nie passiert, bei ihm haben sogar mündliche Zusagen gehalten.
Siegfried Wolf wird eine Forschungsgesellschaft gründen. Gibt es in Steyr Spezialisten für E-Mobilität und Wasserstoffantrieb?
Wir haben viele exzellente Facharbeiter. Hier muss man schauen, ob man sie in diese Richtung qualifizieren kann.
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