Die Adresse ist nobel: Am Belvedere 1 ist der Firmensitz der Erste Bank, auch wenn zwischen dem Schloss von Prinz Eugen und der Zentrale des Bankimperiums der sechsspurige Gürtel liegt. Doch große Visionen und nobles Ambiente waren unter Andreas Treichl quasi DNA des Konzerns. Ganz so nobel scheint es hinter der Glasfassade der an der Börse mit 12 Milliarden Euro bewerteten Bank derzeit nicht zuzugehen. Es geht um die hitzig diskutierte Frage, wer der nächste Chef werden soll.
Vor wenigen Wochen hat CEO Bernhard Spalt überraschend mitgeteilt, dass er die Bank verlassen wird. Er wurde nach Langzeit-General Andreas Treichl für viele überraschend zur neuen Nummer eins gekürt. Seither haben vier Vorstände die Bank verlassen: Peter Bosek Richtung Luminor-Bank nach Estland, Thomas Schaufler zur Commerzbank nach Frankfurt, Ara Abrahamyan und Gernot Mittendorfer. Auch auf den Management-Ebenen darunter herrscht Kommen und Gehen. Spalt wurde den bisherigen Herrschern in der Erste bald zu eigenständig. Ihm wurde trotz guter Ergebnisse signalisiert, dass seine Zeit abläuft. Dass er diesen Schritt selbst bekannt gab – und das noch vor der Hauptversammlung – war der endgültige Bruch.
Spalts Abgang hat daher den langjährigen Aufsichtsratschef der Erste Group, Friedrich Rödler, unter Druck gebracht. Er muss rasch einen Nachfolger finden, und der scheint gefunden: Willibald Cernko, Top-Banker und früherer CEO der Bank Austria und seit 2017 im Vorstand der Erste Bank Österreich, soll schon Mitte kommender Woche der neue Chef werden. Und dazu gibt es zwei Lesarten: Für die einen gilt Cernko als Übergangskandidat, bevor spätestens 2025 Peter Bosek als neuer starker Mann nach Wien zurückkehrt. Bosek war (nicht ganz im Guten) ausgeschieden, weil er eben schon 2017 nicht Chef wurde und heuerte in Estland an. Er gilt intern für viele als beste Wahl, ist aber aufgrund vertraglicher Verpflichtungen derzeit eben nicht verfügbar. Bosek soll die Luminor Bank bis 2024 verkaufen und würde im Fall eines erfolgreichen Abschlusses von Eigentümer Blackstone fürstlich entlohnt.
Die andere Seite: In Zeiten der großen Transformation am Finanzsektor (die Erste hat sich gerade selbst eine Strategie 2030 verpasst) sei ein Übergangskandidat für zwei Jahre keine gute Entscheidung. Und wenn Bosek eben nicht frei ist, so solle doch Finanzvorstand Stefan Dörfler das Ruder übernehmen. Er scheint im Klüngelsystem der Bank aber zu wenig Hausmacht hinter sich zu vereinen und gilt als knallharter Analytiker und weniger als Motivator.
Und so schien der Coup mit Cernko zuletzt an einer Person zu scheitern, die vieles in sich vereinen würde: Langzeit-Vorstand Andreas Treichl war plötzlich selbst wieder im Spiel. Mit einer Rückkehr für zwei Jahre schien sich der bald 70-Jährige selbst anfreunden zu können, doch dabei gab es ein großes Hindernis: die Statuten der Bank. Diese hätten für Treichls Comeback geändert werden müssen, weil sie eine Altersobergrenze von 65 Jahren vorsehen. Und das war selbst dem sonst Treichl-Intimus Aufsichtsratschef Friedrich Rödler zu viel. Er wollte nach der missglückten letzten Vorstandsbesetzung kein weiteres Risiko eingehen. Brisant: Auch Cernko wird im Juli schon 66 Jahre alt, daher muss die Entscheidung rasch getroffen werden.
Intern spricht man in der Erste von einer gespannten bis frustrierten Stimmung. „Das Online-Banking George war unsere letzte große Innovation, und das ist schon einige Jahre her“, kritisieren Kenner des Systems. Cernko wird auch wenig Modernisierungskraft zugetraut, weder im Banking-Bereich noch bei den internen Schwächen im modernen Management. Viele in der Erste Group können sich auch nicht damit anfreunden, dass ein ehemaliger Bank Austria-Chef Nummer eins der Erste Bank werden soll.
Mit Spannung wird in der Erste Bank auch ein Prestigeprojekt Treichls beobachtet: Die frühere Zentrale in der Innenstadt wird ein Hotel der noblen Rosewood-Gruppe, der vielleicht derzeit exklusivsten Hotelkette der Welt, und soll demnächst eröffnet werden. Das Geschäftsmodell sorgt bei risikobewussten Bankern für Stirnrunzeln: Rosewood wird das Hotel zwar managen, das Risiko liegt aber fast zur Gänze bei der Bank: „Jeder Mitarbeiter, jedes Handtuch gehört zur Erste“. Das wollte Andreas Treichl so. Und der ist trotz allem noch immer der Mächtigste am Belvedere Nummer 1.
Kommentare