Lukrative Glücksspiel-Beteiligung: Der Jackpot des ORF
Dass der ORF ein Finanzproblem der gröberen Art hat, ist noch freundlich formuliert. Generaldirektor Roland Weißmann warnte vor einer der „größten Finanzierungskrisen“ in der Geschichte des öffentlich-rechtlichen Medienhauses. Gibt es keinen Ersatz für das GIS-Programmentgelt, fehlen 2024 um die 740 Millionen Euro. Selbst wenn man die GIS-Einnahmen fortschreiben würde, weist die mittelfristige ORF-Planung für 2024 einen Verlust von 70 Millionen aus, Tendenz stark steigend. Für 2026 werden schon 130 Millionen Minus kalkuliert.
Wenn Unternehmen wirtschaftlich mit dem Rücken zur Wand stehen, wird – neben der Sanierung – auch nicht betriebsnotwendiges Vermögen ein Thema. Beteiligungen, die für die Fortführung der Firma nicht essenziell sind und deren Verkauf frisches Geld in die knappen Kassen spült.
Auf einem solchen Asset sitzt der ORF. Der Staatsrundfunk hält eine kleine, aber äußerst lukrative Beteiligung an den Österreichischen Lotterien, die zum teilstaatlichen Casinos-Austria-Konzern gehören.
Im Krisenjahr 2021 spielten die Lotterien 119,5 Millionen Euro Bilanzgewinn ein, der zur Gänze an die Eigentümer ausgeschüttet wurde. Für den ORF fielen 4,47 Millionen Euro ab.
Glücksspielexperten schätzen den Wert des ORF-Anteils auf aktuell rund 100 Millionen Euro. Der Anteil wird in den nächsten Jahren sicher nicht weniger wert. 2027 läuft die exklusive Lotto-Konzession aus, die auch für Online-Gaming notwendig ist. Da sich ÖVP und Grüne nicht auf ein neues Glücksspielgesetz einigen können, will Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) nach den bestehenden Regeln neu ausschreiben lassen. Heißt, wieder nur eine Konzession und keine legale Konkurrenz, ein Jackpot für die Lotterien. Was im Verkaufspreis selbstredend berücksichtigt würde.
Interessenten wären in der Glücksspielbranche wohl vorhanden. Größter Aktionär ist die tschechische Allwyn (vormals Sazka) des Milliardärs Karel Komarek, Mehrheitseigentümerin des Casag-Konzerns. Zweitgrößter Aktionär ist der heimische Novomatic-Konzern mit rund neun Prozent. Beide Unternehmen wollten dazu gegenüber dem KURIER aber keinen Kommentar abgeben. Für einen Verkauf, egal an wen, bräuchte der ORF die Zustimmung aller Miteigentümer.
Am Küniglberg allerdings denkt man nicht an eine Veräußerung. Man sieht die Beteiligung als „ein strategisches Investment, das für den ORF neben den jährlichen Ausschüttungen auch in Zusammenhang mit diversen Kooperationen und medialer Zusammenarbeit sinnvoll ist“, erklärt dazu ORF-Sprecher Martin Biedermann. Also lieber laufende Erträge statt ein Einmal-Erlös, der die Finanzprobleme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu einem maßgeblichen Teil lösen würde.
Rechnungshof
Im Stiftungsrat war der Lotto-Anteil bis dato kein Diskussionsthema. Bemerkenswert ist auch, dass Ex-ORF-Chef Alexander Wrabetz nach wie vor im Lotto-Aufsichtsrat sitzen darf. Die Vergütung ist mit 20.000 Euro Jahrespauschale ein nettes Zuverdienst, es dürfte für den Rapid-Präsidenten aber mehr ums Prestige gehen.
Der Rechnungshof empfahl dem ORF längst, sich vom Lotterien-Anteil zu trennen. Schon 2009 stuften die Prüfer die Beteiligung als „kein betriebsnotwendiges Vermögen“ ein und rieten zu deren Veräußerung: „Mit dem Erlös sollten insbesondere strukturelle Einsparungsmaßnahmen finanziert werden.“ Diese Feststellung ist heute aktueller denn je. Der ORF konterte, die Lotterien seien ein „überaus wichtiger Partner“, eine darüber hinausgehende Einflussmöglichkeit bringe dem ORF „auch finanzielle Vorteile“.
Die Lotterien sind einer der größten, wenn nicht der größte Werbekunde des ORF. Genaue Zahlen wurden nie verraten, es war immer nur von einem mittleren zweistelligen Millionenbetrag die Rede.
Dividende trotz Staatshilfen
Für 2021 übrigens schüttete die Muttergesellschaft Casinos Austria AG heuer vom Bilanzgewinn von 80 Millionen eine Dividende von 45 Millionen Euro aus. Obwohl seit 2020 mehr als 15 Millionen an staatlichen Förderungen kassiert wurden. Wie man aus dem Unternehmen hört, soll Allwyn, den knallhart rendite-orientierten US-Fonds Apollo an Bord, Druck auf Ausschüttungen machen.
Cash-Cow Lotterien - Fakten
Der ORF ist seit der Gründung 1986 mit 5 Prozent beteiligt. Idee war, für das werbe-intensive Lottogeschäft das größte Medienunternehmen als Partner zu haben und die Ziehungen im ORF zu übertragen. Die Lotterien sind innerhalb des Casinos-Konzerns (ein Drittel Staatsbeteiligung, gehalten von der ÖBAG) der lukrativste Teil und haben wiederum einige Tochtergesellschaften. Die Lotterien subventionieren quasi die Casinos, von denen nur wenige Gewinne einspielen. 2021 Bilanzgewinn der Lotterien 119,5 Millionen, Bruttospielertrag 900 Millionen. Neben Allwyn bzw. Casinos und Novomatic halten Schellhammer Capital Bank und Privatstiftung Melchart Anteile
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Lotto 6 aus 45, Euromillionen, win2day (Online-Gaming), Rubellos, Toto, Klassenlos, winwin (Automatensalons). Online-Gaming ist der größte Wachstumsbereich im Glücksspiel, die Lotterien-Tochter hat aber nicht einmal 50 Prozent Marktanteil, da etliche ausländische Anbieter ohne Konzession nach Österreich hereinspielen. Eine Lotto-Konzession ist nicht nur für Online, sondern auch für den Betrieb von VLTs notwendig (Video Lottery Terminals), das sind miteinander vernetzte Spielautomaten (winwin).
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