Leitzins fällt auf historisches Tief

Leitzins fällt auf historisches Tief
Ein Leitzins von nur noch 0,75 Prozent – so billig konnten sich Banken noch nie bei der EZB mit Geld versorgen.

So billig war es seit dem Start der Währungsunion 1999 noch nie, Geld auszuborgen. Zumindest für Banken. Die Europäische Zentralbank (EZB) senkte bei ihrer Sitzung am Donnerstag den Leitzinssatz auf das Rekordtief von 0,75 Prozent. Diesen Satz verlangt sie den Banken ab, wenn sie diese mit Geld versorgt.

Hauptaufgabe der EZB ist es, für Preisstabilität in der Eurozone zu sorgen, also die Inflation in Zaum zu halten. Stabilität sehen die Notenbanker bei Teuerungsraten von knapp unter zwei Prozent. Im Juni dürfte die Inflation allerdings bei 2,4 Prozent gelegen sein, wie schon im Monat davor. Eigentlich hätte die EZB den Leitzins daher nicht senken dürfen. Dass sie es doch getan hat, zeigt, wie sehr sie mithelfen will, gegen die Krise im Euroraum zu kämpfen. Können sich Banken günstiger refinanzieren, sinken die Spar- und Kreditzinsen. Im Idealfall kurbelt das Konsum und Unternehmensinvestitionen und damit die Konjunktur an. Und Wirtschaftswachstum ist dringend nötig, um Jobs zu schaffen, mehr Steuern einzunehmen und Schulden abzubauen. Mehr Konsum und Investitionen bringen allerdings auch die Gefahr einer steigenden Inflation mit sich.

 

Leitzins fällt auf historisches Tief

"All unsere unorthodoxen, geldpolitischen Maßnahmen sind von vorübergehender Natur und wir behalten unsere volle Fähigkeit bei, mittelfristig Preisstabilität zu gewährleisten durch entschlossenes und rechtzeitiges Handeln", sagte EZB-Boss Mario Draghi im Anschluss an die Zinssitzung.

Die Notenbanker haben neben dem Leitzins auch noch zu einem anderen Instrument gegriffen, um die Banken zu "motivieren", das billigere Geld auch tatsächlich in den Wirtschaftskreislauf zu pumpen. Der sogenannte Einlagezins, den Banken von der EZB bekommen, wenn sie über Nacht Geld bei ihr zwischenparken, wurde von 0,25 auf 0 Prozent gesenkt. Es bringt damit überhaupt nichts mehr, Liquidität bei der EZB zu bunkern.

 

Schwund der Kaufkraft

Für Sparer steht jedenfalls eines fest: Sie werden für ihre Einlagen noch weniger bekommen. Einige heimische Banken haben den EZB-Schritt bereits vorweggenommen und die Sparzinsen leicht nach unten gedrückt. Mini-Erträge für Erspartes bei einer Teuerungsrate von deutlich mehr als zwei Prozent bedeutet: Das Geld auf der hohen Kante verliert noch mehr an Kaufkraft als bisher. Das könnte die Flucht in Sachwerte weiter beschleunigen, so einige Experten.

Am historischen Zinsschritt der EZB war auch die eine oder andere leise Kritik zu hören. An der Misere in den Krisenländern würde sich damit auch nichts ändern. Dort wäre entscheidend, dass die Zinslast für die Staatsschulden leichter wird – was die EZB allerdings nur beeinflussen kann, wenn sie Staatsanleihen aufkauft. Und zudem hätten die Notenbanker mit der Zinssenkung jetzt noch weniger Spielraum nach unten, wenn sich die Krise in der Währungsunion weiter verschärft.

"Keine Schulden anderer mehr übernehmen"

Leitzins fällt auf historisches Tief

Die Lufthansa zahlt für Anleihen vier Prozent Zinsen. Die Air Berlin, mit der ich am Donnerstag nach Hause fliege, zahlt 8,5 Prozent. Das ist keine Katastrophe. Da muss man als Unternehmer beim Investieren eben vorsichtiger sein. Die Lufthansa würde aber niemals einer Not leidenden Air Berlin Geld leihen.“ Mit derartigen Vergleichen würzte Thilo Sarrazin, ehemals einer der Vorstände der Deutschen Bundesbank und jetzt Buchautor, einen Vortrag an der TU Wien. Eines steht für ihn fest: Der permanente Rettungsfonds ESM ist der falsche Weg. „Schluss mit dem fortgesetzten ,bail out‘“, also der Übernahme von Schulden anderer. „Wir helfen dir, weil du Fehler gemacht hast, das geht nicht“, ärgert er sich über die Taktik der Währungsunion. Da würden Länder, die sich nicht bemühen, auch noch belohnt werden.

In Griechenland ortet er nötige Anpassungen der Kosten (Löhne und Preise) nach unten von 40 bis 50 Prozent. In Frankreich seien es 20 Prozent, Italien und Spanien würden irgendwo dazwischenliegen. „Das wird aber nicht passieren“, ist er überzeugt. Für viel wahrscheinlicher hält er, dass die „Nordländer“ hohe Inflationsraten von vier bis sechs Prozent und die „Südländer“ Deflation zulassen. Sparguthaben in Deutschland oder Österreich würden damit massiv an Kaufkraft verlieren.

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