Leine für Finanzkeiler etwas kürzer

Wertpapiervermittlung: Berater müssen jetzt eine Ausbildung vorweisen. Um Provisionen oder Fixhonorare wird noch heftig gestritten.
Wertpapierberatung ist jetzt ein reglementiertes Gewerbe. Angehende Berater müssen pauken und eine Prüfung ablegen. Gut, aber nicht gut genug, meinen Konsumentenschützer.

Da kann überhaupt nichts passieren, das ist genau so sicher wie ein Bausparer." Diesen und ähnliche Sätze bekamen viele Anleger zu hören, denen ihre "Berater" Wertpapiere von Immobilien-Unternehmen verkauften. Statt der erhofften Sicherheit fürs Ersparte gab es Kursstürze. Prozesse wegen systematischer Fehlberatung laufen noch immer. Mancher Berater gab an, selbst nicht gewusst zu haben, was er da eigentlich verkauft. Zumindest mit diesem Unwissen sollte es jetzt vorbei sein. Seit 1. September ist die Vermittlung von Wertpapieren ein reglementiertes Gewerbe.

Bei der Finanzmarktaufsicht (FMA) sind derzeit rund 3300 sogenannte Finanzdienstleistungsassistenten registriert. Sie konnten bisher, als freies Gewerbe, auch ohne Fachwissen Finanzprodukte verkaufen. Nun sind Prüfung und Weiterbildung obligatorisch, um als neuer Wertpapiervermittler unterwegs sein zu dürfen. Durch Übergangsfristen ist dann Ende August 2014 Schluss mit den viel kritisierten "Finanzkeilern". Dann darf es nur noch geprüfte Wertpapiervermittler geben.

Wissen

Umfangreiches Wertpapierwissen, aber auch Verbraucher- und Unternehmensrecht – all das ist Bestandteil der mündlichen und schriftlichen Prüfung, die nun abzulegen ist. "Der schriftliche Teil dauert 3 3/4 Stunden", erzählt Philipp Bohrn, Geschäftsführer des Fachverbandes der Finanzdienstleister in der Wirtschaftskammer. In der Kammer finden die Prüfungen auch statt. "Die Qualifizierung ist eine zusätzliche Professionalisierung des Berufsstandes", meint Bohrn.

Die ersten Absolventen gibt es bereits, etwa beim AWD. Laut Unternehmenssprecher Hansjörg Nagelschmidt forciert der AWD, dass seine Vermittler auch die gewerbliche Vermögensberater-Prüfung machen. Diese weitergehende Qualifizierung hat auch einen ökonomischen Hintergrund: Wertpapiervermittler dürfen keine Versicherungen verkaufen, Vermögensberater aber sehr wohl.

Provisionen

"Das Ausbildungspaket ist sicher zu begrüßen", meint Peter Kolba, Leiter des Bereiches Recht im Verein für Konsumenteninformation (VKI). "Aber das ist nicht der Punkt, bei den tausenden Fällen von Fehlberatung hat die schlechte Ausbildung nur eine Nebenrolle gespielt." In der Hauptrolle sieht Kolba das Provisionssystem, das zu ständigen Interessenskonflikten führe.

Das Motto: Verkaufe ich als Berater ein Produkt, das der Kunde wirklich braucht, oder eines, bei dem ich das meiste verdienen kann. Dieser Konflikt sei auch durch die neue obligatorische Ausbildung und Prüfung völlig ungelöst geblieben. Studien aus Deutschland zeigten, dass derartige Interessenskonflikte 30 bis 40 Milliarden Euro Schaden pro Jahr anrichten. Zahlenmaterial für Österreich gibt es nicht.

"Gesteigert wird das Ganze durch den Strukturvertrieb, der pyramidenartig aufgebaut ist und wo die Oberen mitverdienen", poltert Kolba.

Statt Produkt-abhängigen Provisionen plädiert der Konsumentenschützer für Fixhonorare bei Beratungen. Seriöse Vermögensberatung sei eine Dienstleistung, die am Markt wirklich nachgefragt wäre. Dürfen Anleger dieselbe Seriosität erwarten wie bei einem Rechtsanwalt- oder Notar-Besuch, wären sie auch bereit, ein Stundenhonorar zu zahlen.

Genau dem widerspricht allerdings Fachverbands-Geschäftsführer Bohrn. Auch bei Nicht-Abschluss ein Honorar zu zahlen, würde zu einer Zwei-Klassen-Gesellschaft führen. Anleger mit kleineren Einkommen könnten es sich nicht leisten, eine zweite oder dritte Beratermeinung einzuholen.

Anleger: Was tun, ehe der Berater kommt

Checklisten Welchen Ertrag kann ich erwarten? Wie hoch ist das Risiko, wie hoch sind die Gesamtkosten eines Produkts? Die Finanzdienstleister in der Kammer haben verschiedene Checklisten ins Netz gestellt, mit denen sich Anleger auf eine Beratung vorbereiten können. Berater sollten alles beantworten können. www.wko.at/finanzdienstleister/checklisten

Abfrage Ob Finanzdienstleistungsassistenten, die es nach einer Übergangsfrist ab 1. April 2013 gar nicht mehr geben wird, oder geprüfte Wertpapiervermittler: Anleger können auf der FMA-Homepage überprüfen, ob ihr beratendes Gegenüber auch tatsächlich dort registriert ist. http://www.fma.gv.at/de/unternehmen/wertpapierdienstleister/abfrage-vgv-fdla.html

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