Lehman-Opfer klagen erneut vor Wiener Gericht

Die Pleite von Lehman Brothers jährt sich zum sechsten Mal.
Frühere Constantia Privatbank wehrt sich gegen Vorwürfe in Sachen Lehman-Papiere.

Heute, genau vor sechs Jahren, ist die US-Investment-Bank Lehman Brothers (28.600 Mitarbeiter) in die Pleite geschlittert. Der Schaden wird auf 50 bis 75 Milliarden US-Dollar geschätzt. Der Bankrott hat nicht nur den weltweiten Banksektor massiv erschüttert. Auch österreichische Anleger waren direkt von dem Finanz-Desaster betroffen. Sie hatten in das Währungszertifikat „Dragon FX Garant“ investiert, das an der irischen Börse notierte. Das Papier garantierte 100 Prozent Sicherheit – diese „Sicherheit“ sowie die investierten 60 Millionen Dollar lösten sich mit der Lehman-Bankrott in Luft auf.

Jetzt wittern die österreichischen Dragon-Anleger doch noch eine Chance an ihr Geld zu kommen – nämlich mit Hilfe des Europäischen Gerichtshofs. Bisher waren Klagen vor österreichischen Gerichten gegen die frühere Constantia Privatbank, heute Aviso Zeta, über die das Papier vertrieben wurde, völlig ins Leere gegangen.

Entscheidung des EuGH

Doch im Mai 2014 hat der Wiener Anlegeranwalt Wolfgang Haslinger vor dem Europäischen Gerichtshof eine neue Entscheidung in Sachen Veröffentlichung von Kapitalmarktprospekten erstritten, die jetzt eine neue Klagewelle gegen die Aviso Zeta auslöst. Anhand des EuGH-Urteils hat Haslinger die Fortsetzung von knapp hundert Zivilprozessen beantragt. Es geht dabei um insgesamt rund zwei Millionen Euro. Die Anleger klagen auf Rückabwicklung des Kaufs der Lehman-Zertifikate.

„Der EuGH hat entschieden, dass nicht nur der Kapitalmarkt-Basisprospekt, sondern auch Nachträge und die sogenannten endgültigen Bedingungen zu veröffentlichen und von den Finanzmarktaufsichtsbehörden zu genehmigen sind“, behauptet Anlegeranwalt Haslinger im Gespräch mit dem KURIER. „Der Basisprospekt musste laut EuGH dem Publikum sowohl am Sitz der Emittentin Lehman als auch bei den Finanzvermittlern, sprich der Constantia Privatbank, zur Verfügung gestellt werden.“ Nachsatz: „Das ist bei diesem Wertpapier nicht erfolgt, daher haben die Anleger ein Rücktrittsrecht.“

Wesentliche Angaben

Detail am Rande: Die endgültigen Bedingungen eines Wertpapiers beinhalten die spezifische Ausgestaltung eines Wertpapiers, also wesentliche Informationen. Im Fall des Dragon FX Garant waren das laut Anlegeranwalt die Wertpapier-Identifikationsnummer ISIN, die „Beschreibung der zu Grunde liegenden Währungen samt Wertentwicklung und die Renditeberechnungen“. Weder seien der Prospekt und die Nachträge am Sitz der Emittentin Lehman Brothers Treasury Co. B.V in Amsterdam aufgelegen noch bei der Constantia Privatbank (Aviso Zeta) noch auf der Homepage der FMA, so Haslinger. Lediglich auf der Homepage der Börse Luxemburg seien Prospekteile beschränkt zugänglich gewesen, wo das Papier anscheinend auch auf dem Markt war.

Alles war korrekt

Am 17. November soll der erste dieser Lehman-Prozesse auf Grundlage des neuen EuGH-Urteils am Handelsgericht Wien fortgesetzt werden. “Der Prospekt bzw. die Bedingungen waren kostenfrei, dauerhaft und leicht zugänglich“, behauptet Stefan Frömmel, Vorstand der Aviso Zeta. Schützenhilfe holte sich Frömmel für seine Argumentation bei der Irischen Zentralbank, die im Jahr 2010 die Irische Finanzmarktaufsicht IFSRA übernommen hat.

„Die Irische Zentralbank hat uns schriftlich bestätigt, dass der Prospekt und die endgültigen Bedingungen damals wie heute genau diesen Voraussetzungen genügen“, sagt Frömmel zum KURIER. „Der Basisprospekt, die Nachträge zum Basisprospekt sowie die unter diesem eingereichten endgültigen Bestimmungen wurden auf der Webseite der IFSRA veröffentlicht.“ Die Unterlagen konnten von der Homepage der Irischen Zentralbank heruntergeladen werden. Frömmel: „Dadurch fällt die Argumentation der Kläger in sich zusammen.“

Rechtliche Feinheiten

Anlegeranwalt Haslinger sieht trotzdem eine wesentliche „rechtliche Feinheit“ nicht erfüllt. „Selbst wenn der Prospekt und die Nachträge in Irland veröffentlicht wurden, sind die endgültigen Bedingungen, die wesentliche Angaben enthalten, von der irischen Finanzmarktaufsicht nicht genehmigt worden“, kontert Haslinger. „Damit liegt der Ball jetzt wieder beim Handelsgericht Wien.“

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