Langzeitarbeitslosigkeit: Betriebe mehr in die Pflicht nehmen

Langzeitarbeitslosigkeit: Betriebe mehr in die Pflicht nehmen
Wifo-Ökonom sieht die aktuelle Debatte zu einseitig auf die Arbeitslosen ausgerichtet und plädiert für mehr Anreize.

In der aktuellen Debatte um eine Reform des Arbeitslosengeldes und Maßnahmen im Kampf gegen die Langzeitarbeitslosigkeit werde der Fokus zu sehr auf die Arbeitslosen und zu wenig auf die Betriebe gerichtet, meint WIFO-Ökonom Rainer Eppel. "Die Rolle der Unternehmen bei der Arbeitslosigkeit ist ein blinder Fleck", sagte Eppel am Dienstag bei einem Online-Gespräch gemeinsam mit Oxford-Arbeitsmarktforscher Lukas Lehner.

In Österreich kreist die Reformdiskussion derzeit vor allem um die Höhe des Arbeitslosengeldes, mögliche Einschränkungen der Zuverdienstmöglichkeit für Arbeitslose und Zumutbarkeitsbestimmungen. Die Unternehmen würden aber viele arbeitsmarktrelevante Entscheidungen treffen, etwa ob Firmen offene Stellen dem Arbeitsmarktservice (AMS) melden, viele ältere Mitarbeiter beschäftigen, Langzeitbeschäftigungslosen "eine Chance" geben oder auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglichen, sagte Eppel.

Langzeitarbeitslosigkeit: Betriebe mehr in die Pflicht nehmen

Angesichts eines sehr dynamischen Arbeitsmarktes sollte man sich das Einstellverhalten der Betriebe genauer unter die Lupe nehmen, so der Experte. Denn trotz Arbeitskräftemangels stellt nur jeder zweite Betrieb Arbeitslose ein, gar nur nur 16 Prozent nehmen Langzeitbeschäftigungslose auf. 

Problem "Zwischenparken" 

Problematisch sieht der Wifo-Ökonom das in Österreich weitverbreitete "Zwischenparken" von Mitarbeitern in der Arbeitslosenversicherung. Laut einer Wifo-Analyse aus dem Jahr 2017 waren 13,7 Prozent aller Arbeitsaufnahmen Wiedereinstellungen nach zwischenzeitlicher Arbeitslosigkeit ("Recalls"). 

Mehr Anreize

Laut dem Wifo-Ökonomen könnte die Regierung die Einstellung von Langzeitarbeitslosen noch stärker mit finanziellen Anreizen für Unternehmen steuern. Derzeit setzt man vor allem auf Qualifizierung, Kurzarbeit und Eingliederungsbeihilfen. Denkbar seien präventive Anreize unter anderem im Hinblick auf stabile Beschäftigung, mehr ältere Beschäftigte im Unternehmen und Gesundheitsförderung. "Mit Ausnahme der Kurzarbeit gibt es relativ wenige Anreize auf betrieblicher Seite. Hier schlummert noch ein relativ großes Potenzial", sagte Eppel. Als Beispiel nennt er etwa ein Bonus-Malus-System. 

Vorbild Skandinavien

Von über 341.000 Arbeitslosen und AMS-Schulungsteilnehmern waren Ende Oktober knapp 115.000 Personen langzeitbeschäftigungslos. Der Anteil an Langzeitarbeitslosen in Österreich sei im Vergleich zur "Peer Gruppe" - etwa den skandinavischen Ländern - "relativ hoch", so Oxford-Arbeitsmarktforscher Lehner. "Skandinavien ist erfolgreich, weil sie Langzeitarbeitslosigkeit nicht entstehen lassen".

Auch die Ausgaben für aktive Arbeitsmarktpolitik - u.a. Qualifizierungen, Eingliederungsbeihilfen - seien in Dänemark, Schweden und Finnland deutlich höher als in Österreich. Die aktive Arbeitsmarktpolitik in Österreich ist laut dem Oxford-Forscher "häufig internationales Vorbild", etwa im Bereich der Kurzarbeit, bei Lehrwerkstätten oder mit dem Modellprojekt Arbeitsplatzgarantie Marienthal. Aufholbedarf gebe es hierzulande bei den finanziellen Ressourcen für den Arbeitsmarkt.

Arbeitsmarkt-Analyse

Bei der Arbeitsmarkt-Analyse empfiehlt Lehner eine ganzheitliche Sicht und stellt drei Fragen in den Raum: "Sind genügend Jobs vorhanden? Wo sind Jobs vorhanden? Halten individuelle Faktoren davon ab Arbeit anzunehmen?" Bei den individuellen Faktoren gehe es um gesundheitliche Einschränkungen, Betreuungspflichten, Arbeitsbedingungen und Entlohnung. Die Höhe des Arbeitslosengeldes sei nur Teilaspekt, so der Arbeitsmarktforscher.

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