Ladenhüter Rot-Weiß-Rot-Karte: Mehr Sportler als Köche
Österreich ist eben nicht Kanada. Nach kanadischem Vorbild sollte die 2011 eingeführte Rot-Weiß-Rot-Karte gut gesuchten Fachkräften außerhalb der EU den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern. Bis zu 8.000 dringend benötigte Schlüssel-Arbeitskräfte sollten damit jährlich angelockt werden. Acht Jahre nach der Einführung ist dieses Ziel noch immer in weiter Ferne, wie aktuelle Daten des AMS zeigen.
Demnach erledigte das AMS in den vergangenen fünf Jahren, konkret vom 1. Jänner 2014 bis 31. Juli 2019, insgesamt 14.620 Anträge auf eine Rot-Weiß-Rot-Karte positiv. 5.772 wurden negativ bewertet, weil die Antragsvoraussetzungen nicht erfüllt waren. Diese Zahlen veröffentlichte das Sozialministerium nach einer parlamentarischen Anfrage der Neos. Von den 14.620 positiven Anträgen entfielen 71 Prozent auf Männer, nur 29 Prozent auf Frauen.
Mehr Sportler als Köche
Die zu Jahresbeginn in Kraft getretenen Reformen – unter anderem Regionalisierung und Ausweitung der so genannten Mangelberufsliste auf Köche sowie Erleichterungen für Bachelor-Absolventen und Start-up-Gründer – wirkten sich bisher kaum aus. Von den knapp 2.000 positiven Anträgen seit Jahresbeginn entfiel etwa die Hälfte auf technische Berufe, dahinter rund 300 Geschäftsführer bzw. Betriebsinhaber.
An dritter Stelle folgen 100 Sportler, darunter etwa der neue Austria-Wien-Verteidiger Erik Palmer-Brown aus den USA (Bild oben). Von den in Westösterreich dringend benötigten Köchen erhielten erst 41 eine Arbeitserlaubnis. „Uns fehlen rund 2.500 Köchinnen und Köche. Das ist ein Tropfen auf dem heißen Stein“, sagt Neos-Arbeitsmarktsprecher Sepp Schellhorn zum KURIER, „die Rot-Weiß-Rot-Karte ist ein Flop“.
Reform in Verzug
Nicht nur die Neos, auch Wirtschaftskammer (WKO) und Industriellenvereinigung (IV) drängen auf weitere Reformschritte, die wegen der Neuwahl liegen geblieben sind. Hauptkritikpunkte: Die Hürden sind mitunter zu hoch, die Verfahren dauern zu lange. Beispiel Köche: Für die Rot-Weiß-Rot-Karte, die unter anderem auch zum Familiennachzug berechtigt, muss ein Bewerber zwölf Monate Beschäftigung in Österreich nachweisen und einige weitere Punkte erfüllen. Auch Alter und Deutschkenntnisse spielen eine Rolle. In Deutschland genügt ein Fachkräfte-Abschluss und ein Dienstvertrag.
Um den Bewerberkreis zu erweitern, sollen die erforderlichen Mindest-Gehaltsgrenzen für unter 30-Jährige Schlüsselkräfte von 2.610 Euro auf 2.088 Euro brutto pro Monat gesenkt werden. Ein Unterkunfts-Nachweis soll nicht mehr nötig sein. In Diskussion ist derzeit auch, jungen Asylwerbern nach Lehrabschluss den Zugang zur Rot-Weiß-Rot-Karte zu ermöglichen.
Qualifikation
Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Ländern erhalten als Schlüsselkräfte, besonders Hochqualifizierte oder Arbeitskräfte in definierten Mangelberufen eine Arbeitserlaubnis. Seit 1.1.2019 fallen auch Uni-Absolventen, selbstständige Schlüsselkräfte und Start-up-Gründer darunter.
Sonstige Voraussetzungen
Für alle Gruppen gelten Kriterien, die mit Punkten bewertet werden, z.B. Qualifikation, Alter, Deutsch-Kenntnisse, Berufserfahrung. Voraussetzung sind Arbeitsplatz bzw. -suche und Wohnsitz. Als Mangelberuf gilt, wenn es für eine offene Stelle beim AMS zu wenige Bewerber aus dem Inland gibt. Sie wird seit 1.1. ein Mal im Jahr für jedes Bundesland ermittelt.
Dauer
Die RWR-Karte wird für 24 Monate ausgestellt, danach kann eine Rot-Weiß-Rot-Karte plus für den unbefristeten Arbeitsmarktzugang beantragt werden. Die plus-Karte können auch Familienangehörige beantragen.
Nähere Infos auf der Migrations-Plattform der Bundesregierung
Das Zulassungsverfahren darf laut Gesetz längstens acht Wochen dauern, wobei das AMS binnen vier Wochen die Voraussetzungen zu prüfen hat. Laut Anfragebeantwortung wird dies auch in allen Bundesländern eingehalten – außer in Wien. Hier dauern die Verfahren „mitunter bis zu zehn Wochen“. Verzögerungen entstehen, wenn Antragsunterlagen fehlen und nachgereicht werden müssen.
In der Anfragebeantwortung nicht angeführt sind die Nationalitäten. Laut früheren Erhebungen gehen die meisten Aufenthaltstitel an Bosnier, Serben, Ukrainer und Russen. Schellhorn hält die bisherigen Regelungen generell für nicht zielführend und fordert ein eigenes Einwanderungsgesetz mit einer umfassenden Einwanderungsstrategie. Dazu soll es auch eine Online-Vermittlungsplattform nach kanadischem Vorbild geben.
Starker Zuzug aus EU
Auch wenn nur relativ wenige Arbeitskräfte über die Rot-Weiß-Rot-Karte kommen: Generell ist der Zuzug auf den österreichischen Arbeitsmarkt ungebrochen stark. In den vergangenen Jahren gingen acht von zehn neuen Jobs an ausländische Arbeitskräfte, vor allem an EU-Bürger.
Am stärksten rekrutiert wurde vor allem mittel- und geringqualifiziertes Personal im Tourismus, der Pflege oder am Bau. Hochqualifizierte waren selten darunter. Aus Drittstaaten sind aktuell 320.000 Menschen beschäftigt
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