Krim-Krise: Deutsche skeptisch zu Sanktionen

Ex-Minister Ramsauer (CSU) ist gegen Sanktionsdrohungen.
Deutsche Wirtschaft riskiert am meisten und fürchtet ein Eigentor ohne politischen Nutzen.

6200 deutsche Firmen sind im Russland-Geschäft tätig, 350.000 deutsche Arbeitsplätze hängen davon ab. Waren im Wert von 80 Milliarden Euro exportiert Deutschland nach Russland, das Vierfache der USA. Im Gegenzug deckt es ein Drittel seines Öl- und Gasbedarfs in Russland.

Deshalb warnt die Wirtschaft nun vehement vor Sanktionen gegen den langjährigen Partner. Dabei hat sie die breite Zustimmung der Bevölkerung. Auch in der Koalition werden prominente Skeptiker lauter.

Eckhard Cordes, Vorsitzender des einflussreichen Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft: "Bei harten Wirtschaftssanktionen entstünde eine Spirale, bei der ich nicht sehe, wie wir da wieder herauskommen". Im Handelsblatt sagte er, Russland zu ächten sei "ein großer Fehler: Es ist die achtgrößte Volkswirtschaft der Welt, selbst im tiefsten Kalten Krieg war es ein verlässlicher Partner. Wenn es sich als Reaktion stärker nach China orientiert, liegt das nicht in unserem Interesse."

Neben Cordes warnte eine wachsende Reihe von Spitzenmanagern Merkel nicht öffentlich. Manche erinnern daran, dass die Ukraine bisher nur von korrupten Politikern regiert wurde. "Die korrupteste war Timoschenko", so ein Landwirtschaftsmaschinen-Exporteur in Berlin.

"Untaugliches Mittel"

Der Chef des Außenhandelsverbandes Anton Börner: "Sanktionen wären für Deutschland schmerzlich, für Russland aber existenzbedrohend." Trotzdem würden sie die Haltung Präsident Putins "nur verhärten: Nicht ohne oder gar gegen, sondern nur mit Russland ist die Krise zu lösen." Die EU dürfe ihn nicht in eine Ecke drängen, sondern müsse "größtmögliches Verständnis" zeigen.

Inzwischen kommt auch prominenter Gegenwind aus der Koalition: Der Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Wirtschaft und Energie, Ex-Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) sieht "die Sanktionsdrohungen von Kanzlerin Merkel mit allergrößter Besorgnis, weil die eigene Wirtschaft, eigene Arbeitsplätze und eigener Wohlstand massiv Schaden leiden." Nie hätten Wirtschaftssanktionen nachhaltig etwas bewirkt: "Sie wurden immer umgangen, und deshalb halte ich sie für ein völlig untaugliches Mittel der Außenpolitik".

Das ist auch die Stimmung in der Bevölkerung. Die Umfragen zeigen überwiegend Skepsis: Nur ein Viertel der Befragten befürwortete im ZDF-Politbarometer Sanktionen, 44 Prozent waren dagegen. Forsa-Chef Manfred Güllner maß "kaum Empörung bei den Deutschen, die oft nicht mal realisierten, dass die Krim nicht zu Russland gehörte". Strafmaßnahmen würden oft für wirkungslos gehalten. Zwei Drittel befürchten laut Emnid mehr negative Folgen für Deutschland als Russland.

Trotzdem beschloss die Regierung auf Initiative von SPD-Chef Sigmar Gabriel die Blockade eines Rüstungsdeals: Ein Gefechtsstand um 1,1 Milliarden Euro wird nun nicht an die russischen Streitkräfte ausgeliefert.

Anders die Verbündeten: Frankreich baut weiter zwei Raketenkreuzer für Russland. Es würde sie nur stoppen, wenn auch Großbritannien die in London konzentrierten gigantischen Fluchtgelder und Immobilien russischer Oligarchen blockiert. Das aber winkte sofort ab.

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