Kontroverse um EZB-Kurs nach "idealer" Inflation

Europäische Zentralbank in Frankfurt am Main.
Die Inflation stieg auf 2 Prozent, die magische Marke der Währungshüter ist damit leicht überschritten. Für eine Expertin ist die "EZB-Mission noch nicht erfüllt".

Die Preise im Euroraum steigen stärker als der EZB lieb ist und befeuern die Debatte über einen baldigen Ausstieg aus der extrem laxen Geldpolitik. Im Februar überschritt die Inflationsrate erstmals seit gut vier Jahren die magische Marke der Währungshüter von knapp unter zwei Prozent. Ein solcher Wert gilt als ideal für die Wirtschaft. Seit längerem sorgt EZB-Chef Mario Draghi mit dem Ankauf von Staatsanleihen in großem Stil dafür, dass die Inflation angeheizt wird.

Nun scheint er mit der Inflationsrate von exakt 2,0 Prozent am Ziel: Die Gefahr eines konjunkturschädigenden Preisverfalls auf breiter Front ist gebannt - auch in Deutschland, wo die Inflationsrate auf 2,2 Prozent hochgeschnellt ist und die Bundesbank bereits wegen Übertreibungen bei Immobilienpreisen Alarm schlägt.

Uneinigkeit über Konsequenzen

Experten streiten aber darüber, wie die Europäische Zentralbank nun reagieren sollte: "Die EZB-Mission ist noch nicht erfüllt", sagte BayernLB-Ökonomin Christiane von Berg.

Das sieht Bayerns Finanzminister Markus Söder ganz anders: "Die Nullzinspolitik bei steigender Inflation ist verheerend für den deutschen Sparer. Die EZB muss schnellstmöglich beginnen, die Zinsen wieder Schritt für Schritt anzuheben", forderte der CSU-Politiker von der unabhängigen Notenbank.

Auch für den Wirtschaftsweisen Volker Wieland ist die Zeit zu Handeln gekommen: "Die EZB sollte darauf reagieren, in dem sie Anleihekäufe verlangsamt und früher beendet." Seit 2014 habe sie die Geldpolitik massiv gelockert und dies unter anderem mit einer Inflation nahe null Prozent begründet. "Nun steigt die Verbraucherpreisinflation, und sie sollte das Ankaufprogramm zurückfahren." Auch Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise ist für ein Umsteuern: "Wir brauchen keine Krisenpolitik mehr", sagte er dem "Münchner Merkur".

Der EZB-Rat kommt am Donnerstag nächster Woche zusammen, um über den weiteren Kurs zu beraten. Seit rund zwei Jahren werden monatlich über Staatsanleihenkäufe Milliarden in das Finanzsystem gepumpt. Zudem liegen die Leitzinsen seit März 2016 auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent. Banken müssen sogar eine Strafgebühr berappen, wenn sie Geld bei der EZB parken. All dies soll dazu führen, dass die Wirtschaft wieder Tritt fasst, die Preise steigen und die Geldhäuser mehr Kredite vergeben.

Wenige Treiber

Bundesbank-Chef Jens Weidmann betonte jüngst, die EZB dürfe nicht davor zurückschrecken, ihre Geldpolitik zu straffen, sobald die Zeit dafür gekommen sei. Befürworter der lockeren EZB-Linie verweisen darauf, dass die Inflation maßgeblich vom starken Ölpreisanstieg angetrieben wird. Für Nahrungsmittel, Alkohol und Tabak mussten die Verbraucher 2,5 Prozent mehr bezahlen als im Vorjahresmonat. Klammert man diese beiden Treiber aus, schrumpft die Inflationsrate auf vergleichsweise niedrige 0,9 Prozent zusammen.

Der Chef des Berliner Forschungsinstituts DIW, Marcel Fratzscher, ist auch deshalb der Meinung, die EZB solle Kurs halten: "Forderungen aus Deutschland an die EZB, ihre Geldpolitik zu ändern, sind verfehlt und verfrüht". Die Wirtschaft im Euroraum sei noch immer in einer schwierigen Lage.

EZB-Chefvolkswirt Peter Praet hatte jüngst deutlich gemacht, dass die Währungshüter auch politische Risiken ins Kalkül ziehen müssen: Mit Blick auf den möglichen Aufstieg rechter Kräfte bei den Wahlen in den Niederlanden und Frankreich treibe die EZB die Sorge vor "politischen Unfällen" um. Zudem geißelte er die Pläne des US-Präsidenten Donald Trump, hohe Zölle auf importierte Waren aus Billiglohnländern zu erheben. Wenn dies Schule mache, könne die Weltwirtschaft in einen Teufelkreis hineingeraten.

Inflation dürfte wieder sinken

Angesichts solcher Risiken dürfte die EZB vorerst auf Sicht fahren, vermuten manche Fachleute - auch, weil die Inflationsrate womöglich schon bald wieder sinken wird. Ökonomin Gizem Kara von der französischen Großbank BNP Paribas glaubt, dass der Februar der Monat mit dem stärksten Ölpreisanstieg gewesen sein wird. Der Preis für das Fass der Nordseesorte Brent war Anfang 2016 bis auf 27,10 Dollar (25,73 Euro) abgestürzt - danach ging es wieder aufwärts. Aktuell liegt er bei 55 Dollar. Kara erwartet, dass deshalb bei der Inflation der Höhepunkt nun erreicht ist. Ab April werde die Teuerung wieder zurückgehen und im Dezember dann nur noch bei 1,6 Prozent liegen, so ihre Prognose.

"Die EZB wird den Schub ihrer Politik nicht überdenken müssen", meint auch Florian Hense, Volkswirt bei der Berenberg Bank in London. Sie werde sehr vorsichtig sein, um nicht den gleichen Fehler zu machen wie im Jahr 2011. Damals, noch unter der Präsidentschaft von Jean-Claude Trichet, hatte die Euro-Notenbank die Zinsen im April und Juni angehoben - nur wenige Monate danach brach die Euro-Krise aus.

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