Zwischen Küche, Krieg und Karriere

Zwischen Küche, Krieg und Karriere
Cora Weiss hat mit dem Frieden Karriere gemacht. Ihr Appell an Frauen: „Steht für das ein, das ihr wollt.“

Sie hat den Schalk in den Augen. Und den Witz auf den Lippen. Ihr Alter verrät sie nicht, aber mit ihrer großmütterlich-amerikanischen Art umarmt sie einen mit "You’re such a sweetheart!"  An Herzenswärme und Courage hat Cora Weiss nach jahrzehntelanger Friedensarbeit nichts eingebüßt. Hierzulande ist die passionierte Friedensaktivistin kaum bekannt, in den USA hat sie eine ganze Generation geprägt. In den frühen 1960ern begründete sie mit "Women Strike for Peace" eine Friedensbewegung gegen die Atomtests der US-Regierung mit.  Organisierte den Briefverkehr zwischen US-Kriegsgefangenen in Vietnam und ihren Familien. Fuhr als junge Mutter nach Vietnam: "Ich war mittendrin, Bomben ringsum". Seit 1996 ist Weiss Präsidentin des "Hague Appeal for Peace" der Vereinten Nationen, der sich für die Abschaffung von Krieg einsetzt. Auf Einladung des NPO-Frauennetzwerks sprach sie im Interview mit dem KURIER in der Zentrale der Bank Austria über ihren Lebensweg.

KURIER: Bertha von Suttner, Ihre Ikone, hat in einer Rede 1912 vor der  Federation of Women of Amerika gesagt: "Vielleicht ist die universelle Schwesternschaft notwendig, um die universelle Bruderschaft wahr werden zu lassen." Ist Frieden ein Job der Frauen?

Cora Weiss: Wow,  gute Frage. Frieden ist ein Job für jeden. Jede Frau sollte eine Sache dafür  tun.

Es sieht ja mehr danach aus: Männer machen Krieg, Frauen sorgen für Frieden.

Wäre mein Ehemann gefragt, gäbe es schon seit gestern Frieden auf der Welt. Und es gibt Frauen in den Parlamenten, die sind die Testosteron-Leiter des Erfolgs raufgeklettert. Aber es braucht mehr als Eierstöcke. Wir brauchen Frauen, die Gerechtigkeit lieben, Frieden, Gleichstellung zwischen den Geschlechtern. Die eine  friedvolle Welt für ihre Kinder sehen wollen. Ich will die Welt nicht in Frauen und Männer teilen.

Sie haben Ihre "Karriere" als Friedensaktivistin 1961 in der Küche begonnen.

Gibt es einen besseren Raum im Haus? (lacht).  1961 hat die US-Regierung in Tests Atombomben aus Flugzeugen geworfen. Die Wiesen wurden verstrahlt, die Kühe fraßen das Gras – und wir gaben unseren Babys Kuhmilch. Also gründeten wir Mütter eine Bewegung: Women Strike for Peace. Tausende Frauen machten mit, ganz ohne Hierarchie. Wir informierten die  Medien über das radioaktive Strontium 90. 1963 unterzeichneten John F. Kennedy und der sowjetische Präsident Chruschtschow den Partial Nuclear Test Ban Treaty. Wir standen beim Weißen Haus  am Zaun.

Die Rolle der Frauen war zu der Zeit  beschränkt auf ...

... Hausfrauen, klar. Aber wir waren offensichtlich nicht eingesperrt, wenn wir es nach Washington geschafft haben. Wir haben uns die Männer erzogen.

Wie haben Sie Ihre Arbeit damals mit den Kindern vereinbart?

Ich  habe sie zu den Demonstrationen mitgenommen, sie bei einer Mutter gelassen, Babysitter geholt. Irgendwie haben wir es gemanagt. Irgendwie kann man es immer managen – man braucht nur Leidenschaft für das, was man tut.

Woraus haben Sie Ihre Motivation geschöpft?

Meine Motivation waren meine Kinder – ich wollte nicht, dass sie in den Krieg ziehen. Heute sind meine Motivation meine fünf Enkel. Veränderung passiert –  die Apartheid, das Wahlverbot für Frauen sind wir auch losgeworden. Eleanor Roosevelt, die Mutter der Menschenrechte, hat gesagt: "Wenn du entschieden hast, woran du glaubst,  hab’ den Mut, allein dafür einzustehen."

Wie sind Sie zu  Leadership gekommen? Ihr Charakter?

Sie sagen, dass ich führe, ich sage, dass ich folge – und zwar Bertha von Suttner (lacht).

Hatten Sie immer diesen Sinn für Gerechtigkeit?

Als ich sieben Jahre alt war, – es war Zweiter Weltkrieg – habe ich mit meiner Mutter für das Rote Kreuz den jungen Männern auf dem Weg in den Krieg Kaffee und Kuchen gebracht, um sie zu verabschieden. Das hat mich geprägt.

Sie sind gegen Krieg, aber sehen sich nicht als Pazifistin.

Das Einzige, was ich mit  Gandhi gemein habe, ist unser Geburtstag. Gandhi wollte nie kämpfen – das kann ich nicht.

 Sie haben  eine wichtige Rolle  bei der Umsetzung der UN-Resolution 1325 im Jahr 2000 gespielt, die Frauen bei Friedensverhandlungen fordert. Sind Frauen der Schlüssel für Frieden?

Bis zum damaligen Zeitpunkt  war keine einzige Frau  bei Friedensverhandlungen dabei gewesen. Wir brauchen eine kritische Masse an Frauen. Erst sie machen den Unterschied.

Was sagen Sie zur Situation von Frauen im Westen?

Die Frage ist: Könnt ihr Frauen Beruf und Familie vereinbaren? Habt ihr einen Mann oder Großeltern, die eure Kinder versorgen – oder Krabbelstuben? Es gibt viel zu tun. Das Erste ist, miteinander zu reden, zusammenzukommen – in der Küche, im Wohnzimmer, und für das einzustehen was ihr wollt. Ihr habt eMails, ich hatte das nicht. Und wenn ihr es nicht tut – es wird niemand anderes für euc

Großmutter Courage: Cora Weiss

In den frühen 1960ern begründete die Juristin Cora Weiss mit „Women Strike for Peace“ eine Protestbewegung gegen die Atomtests der US-Regierung mit.  Von 1969 bis 1973 organisierte sie  als Direktorin des „Committee of Liaison with Families of Prisoners detained in Vietnam“   den Briefverkehr der US-Kriegsgefangenen in Vietnam.  Seit 1996 ist Weiss Präsidentin des „Hague Appeal for Peace“, der sich für die Abschaffung von Krieg einsetzt und mit den Vereinten Nationen zusammenarbeitet. Weiss hat drei Kinder und lebt mit ihrem Ehemann, dem gebürtigen Wiener Menschenrechtsanwalt Peter Weiss, in New York.

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