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Harry Gatterer verrät, welche Schritte Unternehmen jetzt einschlagen müssen, um auch in Zukunft zu bestehen
Er erklärt, welche Fähigkeiten Führungskräfte der Zukunft mitbringen müssen. Und warum manche deshalb eine Therapie aufsuchen
Der Zukunftsforscher ist sicher: In der Zusammenarbeit liegt die größte Zukunftskraft von Unternehmen
Gatterer kritisiert die Überregulierung und sieht deshalb die Vielfalt der Unternehmen in Europa gefährdet
Als Zukunftsforscher bezeichnen sich viele. Harry Gatterer ist wirklich einer. Seine Prognosen basieren auf empirischen Daten, aus denen er sogenannte „Megatrends“ abliest. Also Trends, die Jahrzehnte prägen und im aktuellen „Zukunftsreport 2025“ nachzulesen sind.
Der KURIER besuchte ihn in der Wiener Zweigstelle des Zukunftsinstituts und blickte mit ihm auf die nächsten fünf Jahre. „Da lässt sich schon valide in der Aussage sein“, sagt er. Schließlich stünden die Zeichen auf Veränderung – insbesondere in der Wirtschaft. Woran Unternehmen jetzt schrauben müssen, weiß Gatterer genau: An klaren Zukunftsbildern, ihren Organigrammen, die nichts mit öden Personal-Stammbäumen zu tun haben und Führungskräften, die erst einmal in Therapie gehen sollten.
KURIER: Müssen wir uns vor der Zukunft fürchten?
Harry Gatterer: Nein. Aber ...! (lacht). Natürlich müssen wir uns nicht fürchten, die Zukunft ist, was wir Menschen gestalten. Aber wir haben eine höhere Gestaltungsnotwendigkeit, müssen mehr tun, als wir es Jahrzehnte lang gewohnt waren.
Lässt sich auch gestalten, wenn man sich ohnmächtig fühlt? Glaubt, Dinge wie die großen Krisen oder den technologischen Fortschritt nicht beeinflussen zu können?
Das Wichtigste ist, dass wir aufhören, es zu bewerten. Etwas als negativ oder positiv zu betrachten. Es ist, was es ist. Wir leben in einer Welt, die so vernetzt, so komplex und vielschichtig ist, also brauchen wir Technologie, um mit ihr umzugehen.
Und Krisen?
Das Wesen des Menschen ist, auf Situationen reagieren zu können. Aus einer ungewollten Situation wieder etwas Neues zu gestalten. Diese Qualität werden wir viel mehr brauchen.
Sie sagen, Organisationen müssen ein Bild von der Zukunft haben, um bestehen zu können. Wie bekommen sie ein realistisches Bild, um nicht die falsche Richtung einzuschlagen?
Zukunftsbilder sind realistisch, wenn sich eine Gruppe von Menschen darauf verständigt. Will sich eine Region zum Beispiel auf Pioniertourismus einstellen, ist das ein Zukunftsbild, das extrem stark ist. Es bedeutet, jene Menschen in der Region zu fördern, die Innovation vorantreiben. Das ist ein Zukunftsbild, das eine innere Haltung repräsentiert und das ist, was wir brauchen.
Inwiefern?
Wir können davon ausgehen, dass die Welt um uns herum instabil ist und auch bleibt. In der Instabilität nutzen uns Zukunftsbilder, die im Außen liegen, nichts. So etwas wie Kennzahlen, die man erreichen will. Im Zweifel hat man die nämlich gar nicht im Griff. Aber die Idee von uns selbst: Was sind wir, was für einen Beitrag leisten wir, das wird für Unternehmen elementar.
Dafür braucht es den Weitblick über zehn, zwanzig, fünfzig Jahre, der fehlt, wenn Manager nur für wenige Jahre bestellt und dann ausgetauscht werden.
In den Familienunternehmen ist das anders. Deswegen glaube ich, dass sie für die Zukunft relevanter sind als die rein Management-geführten und Shareholder-gesteuerten Unternehmen, die auf Kurzfristigkeit ausgelegt sind. Auch wenn Kurzfristigkeit nicht immer falsch ist, sie bedeutet, adaptiv sein zu können. Man darf es also nicht gegeneinander ausspielen.
Wie sehr braucht die Wirtschaft das Disruptive, die völligen Erschütterungen, um sich neu zu erfinden?
Es ist unvermeidbar. Nehmen wir die Regulatorik her, die in Europa gerade völlig absurde, bisschen zu gefährliche Züge annimmt. Regulatorik reagiert immer auf Vergangenes. Sie versucht, mit dem Wissen der Vergangenheit die Zukunft zu gestalten. In der Regulatorik ist kein Platz für Zukunftsentwicklung, also wird sie sich nur durch eine grobe Erschütterung der Wirtschaft auch wieder verändern.
Deswegen sagen Sie auch: Die Vielfalt der Unternehmen in Europa ist gefährdet.
Total, weil die Regulatorik so fortgeschritten ist, dass sie sich nicht mehr kontrollieren lässt. Das erzeugt das Gegenteil von dem, was gewollt war, nämlich eine Rechtsunsicherheit. Man will alles geregelt haben, bis ins kleinste Detail, kann es aber nicht kontrollieren. Die, die es einhalten wollen, haben einen absurden Aufwand. Und die, denen es wurscht ist, haben eine unfassbare Spielwiese. Weil die Wahrscheinlichkeit, aufzufliegen, relativ klein ist. Das ist wirtschaftsschädlich für den Standort Europa. Nicht falsch verstehen – ich bin nicht gegen Regulatorik per se, aber das bürokratische System hat überhandgenommen.
Was raten Sie Unternehmen? Zusätzlich zum Entwickeln von Zukunftsbildern.
In der Kooperation liegt die unfassbare Zukunftskraft. Heute ist unser System immer noch auf Wettbewerb getrimmt, das ist historisch verankert. Selbst Menschenaffen haben schon vom Wettbewerb gelebt. Die Kooperation aber ist eine Errungenschaft des Menschen, nur hat sie keine lange Tradition.
Was verstehen Sie darunter?
Keine Organisation der Welt kann heute alles alleine machen. Diese Abhängigkeiten machen uns zu schaffen und hindern daran, dass etwas weiter geht. Bisher ist man davon ausgegangen, Lieferanten zu haben und den Rest selbst zu erledigen. Das wird sich kaum mehr ausgehen. Es geht darum, kooperieren zu lernen: Wie arbeitet man zusammen, um ein Angebot herauszubringen.
Im Zweifelsfall also auch mit der Konkurrenz.
Gerade in der Ökologie sind viele spannende Kooperationen möglich. Vielleicht mit NGOs, die ihren Beitrag leisten. Auch als Individuum wird die Kooperation spürbar. Ein Kollege ist vielleicht nicht die Person, die am Schreibtisch gegenübersitzt. Sondern jemand, der in einer Organisation ist, die früher vielleicht in Konkurrenz mit der eigenen stand.
Dafür braucht es auch die Führungskräfte, die sich trauen, diesen Weg einzuschlagen. Haben wir diese Übermorgen-Gestalter überhaupt?
Ich glaube, dass viele Menschen, die heute in der Verantwortung sind, diese Qualität nicht haben. Nicht weil sie schlechte Führungskräfte sind, sondern weil sie in einer anderen Zeit gelernt haben, zu führen. Erst kürzlich sagte ein Münchener CEO zu mir: „Bevor ich mich auf diese neue Welt einstellen konnte, musste ich zum Therapeuten.“ Das war kein Scherz. Er hat erkannt, ein guter Patriarch zu sein, ein Unternehmen von drei auf tausend Mitarbeiter aufbauen zu können. Aber er hat verstanden, dass in einer Arbeitswelt, die dezentral funktioniert und auf Netzwerken beruht, er derjenige ist, der an sich arbeiten muss.
Welche Skills braucht es?
Man muss sich an Stellen zurückhalten, an denen man vorgeprescht wäre. Menschen zusammenführen, denen man früher gesagt hätte, was sie zu tun haben. Führungskräfte müssen Räume schaffen, wo Ideen entstehen, die sie im Zweifel selbst nicht verstehen. Ist man im klassischen Führungsstil, fährt man durch diese Ideen durch und unterbindet sie. Nach dem Motto: Geld wollt ihr dafür haben? Sicher nicht!
Ab wann wird die Wirtschafts- und Arbeitswelt diesem Bild entsprechen, das Sie zeichnen?
Wir haben eine Situation, die für uns erst einmal negativ ist. Wir haben Krisen, eine Weltlage, die schwierig ist. Für Veränderungen ist das natürlich ein idealer Zeitpunkt. Der äußere Druck ist groß, sodass diese inneren Veränderungen in Unternehmen stattfinden werden. Für mich ist klar, wenn wir uns in fünf Jahren wieder hier treffen, werden wir schon ganz viel Veränderung sehen. Jetzt ist nicht der Moment, wo man sagt: Tun wir halt weiter.
Auch weil die Technologie weiter vorprescht.
Wenn wir heute auf ein Unternehmensorganigramm schauen, ist es so gebaut, dass einzelne Positionen von Menschen besetzt sind, die wieder eine Wirkung auf andere Positionen haben. Nirgends ist die Technologie eingebunden. Das wird in Zukunft anders sein. Sie werden in wenigen Jahren keine Organigramme mehr finden, die nicht aufzeigen, welche KI an welcher Stelle eingebunden ist. Wir vom Institut nennen das techno-sozial. Keine Firma der Welt wird ohne Technologie funktionieren.
Gar keine?
Selbst der Würstelstand am Hohen Markt kauft irgendwo ein. Er hat eine Logistik, eine Buchhaltung, vielleicht eine Internetseite. Es gibt also kein Unternehmen, das nicht in Berührung mit Technologie ist.
Stellen Sie sich eine Welt ohne Excel vor. Ohne lästiges Tabellen-Klopfen und Formeln googlen, um endlich auf die (hoffentlich korrekte Summe) ausgewählter Spalten zu kommen. Für manche traurig, für andere eine Traumvorstellung, die in den nächsten fünf Jahren Realität sein könnte. Denn Excel, Powerpoint und ähnliche Programme sollen bis dahin verschwunden sein, prognostiziert der „Zukunftsreport 2025“.
Der Assistent machts Stattdessen werden deren Aufgaben von KI-Assistenten übernommen. Die sind ab sofort auf dem Vormarsch und sollen jegliche Bürokratie oder Anwendungen, wo es technisches Know-how braucht, im Alltag abnehmen, heißt es im Report. Ein Assistent für den täglichen Einkauf, die Finanzen oder die Freizeit- und Reisegestaltung – das soll keine Zukunftsmusik mehr sein. Wird etwa ein neues Vitamin-C-Präparat beim Gesundheitsassistenten beauftragt, macht er das günstigste Angebot online ausfindig und bestellt es. Sofern er die Freigabe vom Finanzassistenten erhält. So oder so ähnlich könnten wir bald den Alltag bestreiten, sagen Harry Gatterers Zukunftsexperten, wobei technologisch noch nicht klar ist, wie die Assistenten untereinander kommunizieren, um einen nahtlosen Übergang zu bewältigen. Was für den Menschen bleibt? Die Ergebnisse kritisch zu hinterfragen und zu kontrollieren.
Und wer identifiziert, wo die Technik im Organigramm eingebunden werden muss?
Das ist die Goldfrage. Wir haben einen Kunden, der gesagt hat: HR gibt es nicht mehr. Sie nennen es jetzt Intelligenzmanagement. Sie sorgen dafür, dass die richtige Intelligenz an der richtigen Stelle eingebunden ist – ob Mensch oder Maschine ist egal. Das finde ich spannend.
Ist die Veränderung aktuell die größte in der Wirtschaftsgeschichte? Oder war die Industrialisierung nicht mindestens genauso ein Neustart?
Der Unterschied, warum das heute alles etwas nervöser ist, ist, weil es nicht die Produktion betrifft, sondern all die superklugen Menschen, die aus den Unis rauskommen. Die in den Verwaltungen, in den Firmenzentralen arbeiten, gutes Geld verdienen und die plötzlich erkennen, dass die Technologie das auch ganz gut kann.
Also haben die Menschen, die jetzt aufschreien, nur die größere Plattform.
Viel größer. Aber am Ende ist es nur eine Veränderung. Die Phase jetzt ist signifikant, aber in fünf Jahren werden wir dasitzen und nicht mehr groß darüber reden.
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